Sportmedizin
EDITORIAL

Der Beruf des Spitzentrainers - ein Problemfall?

Coaching Profession in Elite Sports – a Problem Case?

Erfolgreiche Trainer sind gut informierte Trainer. Sie eignen sich neuestes sportwissenschaftliches und sportmedizinisches Wissen an. Sie nutzen neue Medien und bemühen sich, in ihrer Sportart stets am Puls der Zeit zu sein. Dies ist eine Erkenntnis einer der beiden jüngst abgeschlossenen, repräsentativen Auftragsstudien des Bundesinstituts für Sportwissenschaft zur Situation der Trainerinnen und Trainer im olympischen Spitzensport (1). Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei Trainern also, so kann man schlussfolgern, in deren Fähigkeit, sich mit relevanten Informationen zu versorgen und diese in der Praxis anzuwenden. Nun wird aber den Strukturen der Informationsgabe im Spitzensport kein besonders gutes Zeugnis ausgestellt. Es hängt sehr stark vom Eigenengagement der Trainer ab, ob sie an Wissen kommen oder nicht. Und auch die Lizenzausbildung der Verbände ist, wie die andere der beiden Studien zeigt (2), nicht der entscheidende Faktor, ob Trainer über viel Wissen verfügen oder nicht. Dies liegt nicht nur daran, dass der Umfang der Lizenzausbildungen gemessen an den Ansprüchen an eine Spitzentrainertätigkeit zu gering ist; auch die Qualifizierung des Lehrpersonals reicht insbesondere in Fachverbänden oft nicht aus, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu garantieren.
Gerade die Ausbildung einer Berufsgruppe, deren Vertreter von Journalisten gerne despektierlich als „Übungsleiter“ bezeichnet werden, hat einen dringenden Reformbedarf. Will man Trainerinnen und Trainer bei der Qualitätssicherung ihrer Arbeit unterstützen, dann gilt es erstens, die Ausbildung stärker mit universitärer Forschung und Lehre zu vernetzen. Nur über eine strukturelle Verknüpfung der Ausbildungspraxis mit sportwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen kann garantiert werden, dass neueste wissenschaftliche Erkenntnisse alle Trainer erreichen. Zweitens muss die Ausbildung für Spitzentrainer erheblich umfangreicher werden. Nur wenn er über ein breites, wissenschaftlich abgesichertes Grundwissen verfügt, kann der einzelne Trainer die Relevanz neuester Erkenntnisse beispielsweise der Sportmedizin im Hinblick auf seine Disziplin und seinen Athleten bewerten. Daher ist es längst Zeit für einen universitären Studiengang für Spitzentrainer. Drittens sind Good-Practice-Modelle der Trainerpraxis in die Trainerausbildung zu integrieren. Insbesondere ist der systematische Erfahrungsaustausch von Novizen mit langjährig erfolgreichen Coaches auszubauen, sei es über Praktika, aber auch über Trainee-Programme. Letztgenannte Methode, bei der begabte Trainer-Nachwuchskräfte unter Führung ausgewählter Mentoren gezielt an die Betreuung von Spitzenathleten herangeführt werden, könnte denn auch eine Lösung für eine weitere Baustelle im Trainergeschäft sein: die Trainerrekrutierung. So nutzt die Erweiterung der Ausbildung wenig, wenn es nicht gelingt, die richtigen Personen auf die richtigen Stellen zu bringen.
Für die Rekrutierung von Spitzenkräften wird in gesellschaftlichen Teilbereichen wie der Wirtschaft oder der Wissenschaft ein großer Aufwand betrieben. Im Spitzensport beschränkt sich die Suche unseren Befunden zufolge dagegen in vielen Sportarten nur auf einen Pool von wenigen, bereits bekannten Kandidaten. Oft wird nur der Trainermarkt in Deutschland ins Visier genommen. Die Öffnung von Trainerstellen mit Spezialaufgaben für Bewerber aus anderen Sportarten wird kaum praktiziert. Und nicht selten fehlt es Spitzenverbänden und Vereinen an verbindlichen Einstellungskriterien. Das Problem beginnt bereits bei der klaren Festlegung des Profils, das ein Kandidat mitbringen soll. Trainerinnen und Trainer müssen heute oftmals als „Spezialisten für alles“ fungieren. Sie müssen nicht nur Athleten betreuen, sie müssen ebenso Manager, Psychologe oder Erzieher sein. Sie müssen nicht selten Aufgaben übernehmen, für die sie weder ausgebildet noch laut Arbeitsvertrag zuständig sind. Ihre Tätigkeitsfelder sind zuweilen sogar so komplex, dass sie den Arbeitgebern selbst nicht in vollem Umfang bekannt sind.
Dies wiederum macht die Beurteilung des Trainerhandelns zu einer schwierigen Angelegenheit. Wenn evaluiert wird, dann zumeist in Orientierung am (kurzfristigen) sportlichen Erfolg. Die Messung der Qualität einer langfristigen Trainingsarbeit fällt damit aber genauso unter den Tisch wie die Bewertung der Ausbildung zum mündigen Athleten.
Aber selbst wenn all die eben beschriebenen Probleme gelöst werden würden, bliebe noch ein weiterer wesentlicher Punkt, der die Arbeit der Trainerinnen und Trainer wesentlich beeinflusst: Viele Spitzentrainer werden schlecht bezahlt. Bei Honorartrainern, die sich täglich mehrere Stunden um ihre Athleten kümmern, ist ein Gehalt von nur 400 Euro/Monat kein Ausnahmefall. Spitzentrainer monetär nur gering zu honorieren, ist aber mit Sicherheit kein Erfolgsrezept. Eine schlechte Bezahlung signalisiert in unserer Leistungsgesellschaft eine geringe Wertschätzung. Und wie können Trainer, die sich nicht gewertschätzt fühlen, ihre Athleten zur Goldmedaille führen? Bei der Bezahlung sind vor allem die Frauen benachteiligt, die sich in unserer eigenen Studie als die im Durchschnitt am stärksten psychosozial belastete Gruppe erwiesen hat. Die Sportpolitik wird sich diesem Problem annehmen müssen, erste Schritte zur Vergütungsanpassung für Trainerinnen und Trainer der olympischen Spitzenverbände wurden bereits getan.

  1. Muckenhaupt, M. Informationsversorgung von Trainerinnen und Trainern im Spitzensport. Abschlussbericht. Tübingen 2008.
  2. Digel, H, Thiel, A, Schreiner, R & Waigel, S Berufsfeld Trainer. Abschlussbericht. Tübingen 2008.