Strafbarkeit des Arztes bei Eigenblut-Doping
Autologous Blood Doping and the Physician`s Liability
ZUSAMMENFASSUNG
Medizinisch betrachtet wird beim Blutdoping durch Transfusion von Blutbestandteilen die Anzahl der roten Blutkörperchen erhöht und dadurch eine bessere Sauerstoffversorgung des Körpers verursacht. Das wiederum führt zu einer gerade in sportlichen Wettkämpfen erwünschten Leistungssteigerung. Die strafrechtliche Erfassung von Eigenblut-Doping gestaltet sich hingegen schwieriger, da es keine Definition für Doping im Arzneimittelgesetz (AMG) gibt.Der folgende Artikel befasst sich mit Problemen, die bei Anwendung der §§ 223 ff. StGB und den §§ 95 I Nr.2a, I Nr.2b, II AMG auf das Eigenblut-Doping auftreten können. Ob sich der Arzt gemäß §§ 223 ff. StGB strafbar macht, ist umstritten. Bei der Tatbestandsmäßigkeit treten bereits Probleme auf, da eine bloße Gefährdung der Gesundheit nicht für eine Gesundheitsschädigung ausreicht. Auch ein bloßes Missbehagen vermag die Annahme einer körperlichen Misshandlung nicht ausreichend begründen. Auf subjektiver Seite wird man dem Arzt kaum vorwerfen können, eine Gesundheitsschädigung beabsichtigt zu haben. Auf der Rechtsmäßigkeitsebene wird die Rechtswidrigkeit meist durch Einwilligung des Patienten entfallen. Abschließend betrachtet der Artikel kritisch, ob dem Strafrecht eine Leitfunktion zur Begrenzung von Doping zukommen darf, oder ob die Ahndung allein den Sportverbänden obliegen soll.
Schlüsselwörter: Eigenblut- Doping, Arztstrafrecht, Körperverletzung.
SUMMARY
From a medical point of view, blood doping by transfusion of blood components leads to an increase in red blood cells and therefore results in an improved oxygen supply for the organism. Thus, the desired increase in performance in sports competitions is achieved.The criminal prosecution of doping by autologous blood transfusion is more difficult, since a definition of doping does not exist in the German Drug Law.This article deals with problems emerging when applying §§ 223 ff. StGB and §§ 95 I Nr.2a, I Nr.2b, II AMG to doping by autologous blood transfusion.Whether the physician is liable to prosecution under §§ 223 ff. StGB is unclear. The question of whether a criminal act has been performed is already associated with problems, since a hazard to health alone is not sufficient for damage to health. The assumption of physical abuse cannot be justified sufficiently by malaise alone. From a subjective point of view, one cannot accuse the physican of intending to cause damage to health. At the legal level, the illegality will be negated in most cases because of the patient`s compliance. Finally, this article takes a critical look at the question whether criminal law should assume a leading function in the fight against doping or whether punishment should lie alone in the responsibility of sporting federations.
Key words: autologous blood doping, medical criminal law, assault.
EINLEITUNG
Wie sich in verschiedenen Ermittlungsverfahren gegen Ärzte, denen die Vornahme von Eigenblut-Doping an Sportler vorgeworfen wurde, gezeigt hat, ist eine strafrechtliche Erfassung des BlutDopings als sehr schwierig zu qualifizieren. Eine Strafbarkeit des Arztes beurteilt sich sowohl nach dem Strafgesetzbuch (StGB), als auch nach dem Arzneimittelgesetz (AMG).
II. DER BEGRIFF DES BLUTDOPINGS
Eine allgemein gültige Definition für Doping ist schwierig. Auch das AMG enthält dazu keine Legaldefinition. Nach der Gesetzesbegründung zur Verankerung des Dopingverbots im AMG ist der Doping-zweck im Sport die beabsichtigte Steigerung der Leistung im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten (1).
Nach Art. 2 des Übereinkommens des Europarates gegen Doping von 1989 bedeutet "Doping im Sport" die Verabreichung pharmakologischer Gruppen von Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden an Sportler und Sportlerinnen oder die Anwendung solcher Wirkstoffe oder Methoden durch diese Personen (2).
Eine Einnahme zur Leistungssteigerung liegt insbesondere vor, wenn mit dem Arzneimittel die körperlichen Kräfte oder die Ausdauer erhöht werden sollen (3). Blutdoping zielt dabei auf die Erhöhung der Sauerstoffaufnahme zur Leistungssteigerung ab. Beim Blutdoping sollen die Anzahl der roten Blutzellen im Blut erhöht werden, welche für den Sauerstofftransport zuständig sind (4). Die Methode wird mittels Transfusion von Blut bzw. Blutbestandteilen durchgeführt.
III. STRAFBARKEIT NACH DEM STRAFGESETZBUCH (STGB)
Ob im Rahmen der Vornahme von Blut-Doping an Sportlern eine Strafbarkeit des Arztes wegen Körperverletzung gem. § 223 ff. StGB in Betracht kommt, ist weitgehend ungeklärt. Probleme bei der Beurteilung treten auf allen Ebenen der strafrechtlichen Prüfung auf. Sowohl die Erfüllung des Tatbestandes, als auch die Rechtswidrigkeit des Handelns stehen in Frage. Nicht zuletzt ist auch an die Möglichkeit eines Irrtums auf Schuldebene zu denken.
1. Der Tatbestand der Körperverletzung
Zunächst ist somit zu klären, ob überhaupt der objektive Tatbestand der Körperverletzung erfüllt ist.
Die strafrechtlichen Normen der Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit (u.a. § 223 Abs. 1 StGB) setzen in ihrem objektiven Tatbestand voraus, dass ein anderer Mensch körperlich geschädigt oder misshandelt wurde.
a. Gesundheitsschädigung
Eine Schädigung der Gesundheit ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes (5). Die Annahme einer Gesundheitsbeschädigung setzt mithin das Vorliegen solcher Funktionsstörungen voraus, durch die das Opfer in eine „pathologische“ Verfassung versetzt wird. Dabei sind keine leichten Beschwerden erfasst, sondern es muss sich um eine Beeinträchtigung handeln, die Krankheitswert besitzt. Solch ein Krankheitswert ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Behebung der Beeinträchtigungen einen Heilungsprozess erforderlich macht (6). Um überhaupt von einer Gesundheitsschädigung des Sportlers ausgehen zu können, ist der Nachweis von Seiten der Strafverfolgungsbehörden erforderlich, dass es bei dem behandelten Sportler zu gesundheitlichen Komplikationen gekommen ist. Neben dem Nachweis, dass diese Komplikationen, die über ein bloßes Unbehagen hinausgehen müssen, eingetreten sind, muss auch der Nachweis erbracht werden, dass die Vornahme des Eigenblut-Dopings für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Sportlers kausal waren.
Hat der Sportler dagegen keine körperbezogenen Beeinträchtigungen aufgrund der Vornahme des Blut-Dopings erlitten, oder ist unklar, ob die Beschwerden von dem vorgenommenen Blutdoping stammen, scheidet auch die Annahme einer Körperverletzung durch den Arzt aus.
Die Annahme einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung lässt sich auch nicht aus einer bloßen Gefährdung der Gesundheit folgern. Die drohende Gefahr einer Körperverletzung, ist zur Annahme einer Gesundheitsschädigung nicht ausreichend (7). Zwar steht nicht in Frage, dass das Eigenblut-Doping durchaus gewisse gesundheitliche Risiken für den Sportler in sich birgt. Bei der Vornahme droht beispielsweise die Gefahr von Infektionen oder Thrombosen. Der Wortlaut des § 223 StGB spricht jedoch ausdrücklich von einer Gesundheitsschädigung und nicht von einer einfachen Gefährdung derselbigen. Fehlt dieser „Erfolg“, weil bei dem Sportler keine körperlich negativen Folgen des Blutdopings erkennbar oder feststellbar sind, kommt auch eine Strafbarkeit wegen vollendeter Körperverletzung nicht in Betracht. Offen bleibt allenfalls eine versuchte Begehung.
Letztlich müsste aber, selbst wenn man eine andere Ansicht vertritt und eine Gesundheitsgefährdung ausreichen lassen würde, der Nachweis einer konkreten Gesundheitsgefährdung geführt werden. Dies dürfte in jedem Einzelfall nur anhand eines umfangreichen Sachverständigengutachtens gelingen und mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.
b. körperliche Misshandlung
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt (8). Unklar und vielfach umstritten ist die Frage, ob die Vornahme der Dopinghandlung, also das Verabreichen der Blutkonserve zu Dopingzwecken, eine üble und unangemessene Behandlung darstellt. Unabhängig von der Beurteilung dieser Frage muss die „Behandlung“ jedenfalls die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigen. Die Erheblichkeit bestimmt sich nach dem objektiven Befund. Sie fehlt bei Erregung bloßen Missbehagens. Insoweit kommt es auf den Umfang, die Intensität und die Dauer der Störungen im Einzelfall an (9). Sind bei dem Sportler keine körperlichen Beeinträchtigungen in Folge des Dopings festgestellt worden, scheidet die Vornahme des Dopings als solches als eine körperliche Misshandlung aus.
Damit kommt allenfalls das Setzen der Infusionsnadel als „Behandlung“ im Sinne des § 223 StGB in Betracht. Zwar liegt in dem Einstechen der Transfusionsnadeln eine Substanzverletzung, jedoch ist diese von unerheblicher Art. Ein solches Einstechen der Nadel ist, erfolgt die Behandlung lege artis, grundsätzlich mit keinem nennenswerten Schmerzempfinden verbunden. Wie oben bereits festgestellt, reicht ein bloßes Unbehagen nicht aus.
2. Vorsätzliche Begehung durch den Arzt
Neben dem objektiven Tatbestand muss auch der subjektive Tatbestand der Körperverletzungsdelikte erfüllt sein. Der behandelnde Arzt muss vorsätzlich hinsichtlich der Begehung einer Körperverletzung gehandelt haben. Vorsätzlich handelt der Täter, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges gerade bezweckt oder ihn als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles wegen wenigstens mit ihr abfindet (10). Dem behandelnden Arzt müsste demnach nachgewiesen werden, dass er die Gesundheitsbeeinträchtigung des Sportlers durch das Blut-Doping gerade bezweckt hat oder sie vorhergesehen und sich damit abgefunden hat. Unternimmt der Arzt jedoch alle in Betracht kommenden Vorsichtsmaßnahmen um eine Gesundheitsbeeinträchtigung des Sportlers zu verhindern, wird ein Vorsatz des Arztes kaum nachweisbar sein. Es dürfte in diesem Fall mehr dafür sprechen, dass der Arzt gerade nicht wollte, dass sich der tatbestandliche Erfolg verwirklicht und er dies aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen auch nicht für möglich hielt.
3. Ausschluss der Rechtswidrigkeit durch Einwilligung
Ein weiteres Problem im Rahmen der Beurteilung der Strafbarkeit des behandelnden Arztes stellt sich in Bezug auf die Rechtswidrigkeit seiner Handlung. Geht man davon aus, dass es zu einer Gesundheitsschädigung des Sportlers kam und der Arzt diese auch zumindest billigend in Kauf genommen hat, müsste seine Handlung auch rechtswidrig gewesen sein. Allein aus der Verwirklichung der Handlung lässt sich eine Strafbarkeit noch nicht herleiten. Die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung und damit die Strafbarkeit kann wegen einer Einwilligung des Sportlers gem. § 228 StGB ausgeschlossen sein.
a. Voraussetzung der Einwilligung
Voraussetzung für eine solche wirksame Einwilligung ist die Einwilligungsfähigkeit des Sportlers.
Der Sportler ist einwilligungsfähig, wenn er über die konkrete Einsichts- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich des Umfangs und der Tragweite des Eingriffs in seine höchstpersönlichen Rechte verfügte (11). Notwendig dafür sind eine hinreichende Aufklärung und Kenntnisse des Sportlers über die Wirkungen und Folgen des Dopings (12). Ist der Patient bereits informiert und aufgeklärt und verfügt über die einschlägigen Kenntnisse, so braucht der Arzt nicht erneut aufzuklären.
Ist der Sportler nicht hinreichend über die Folgen und Wirkungen des Dopings informiert worden und hatte er auch keine ausreichenden eigenen Kenntnisse, so muss der Aufklärungsmangel kausal gewesen sein für die Einwilligung. Das heißt, dass ein Aufklärungsmangel allenfalls dann zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung führen kann, wenn bei (unterstellter) ordnungsgemäßer Aufklärung die Einwilligung durch den Sportler unterblieben wäre (13). Sowohl der Aufklärungsmangel, als auch die Kausalität des Mangels sind dem Arzt nachzuweisen. Bei dieser Kausalitätsprüfung kann nicht auf generelle Überlegungen abgestellt werden. Vielmehr ist auf das konkrete Entscheidungsergebnis des jeweiligen Patienten abzustellen (14). Dies erscheint zumindest bei Sportlern, die bereits hinreichende Erfahrungen mit Dopingmethoden gesammelt haben, fraglich. In jedem Fall ist aber von den Strafverfolgungsbehörden nachzuweisen, dass der Sportler, wäre er aufgeklärt worden, in die Behandlung nicht eingewilligt hätte.
b. Sittenwidrigkeit
Die Einwilligung darf außerdem, als weitere Voraussetzung für ihre Wirksamkeit, nicht sittenwidrig sein. Verstößt eine Einwilligung gem. § 228 StGB gegen die guten Sitten, ist sie unwirksam. Trotz des Vorliegens einer Einwilligung macht sich der Arzt dann wegen Körperverletzung strafbar.
Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt vor, wenn eine Handlung dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft (15). Das Sittenwidrigkeitsurteil ist nur auf allgemein gültige Wertmaßstäbe zu stützen, die vernünftigerweise nicht angezweifelt werden können (16).
Nach dem Wortlaut des § 228 StGB ist entscheidend, ob die „Tat“ gegen die guten Sitten verstößt, ihr also das Anstößige anhaftet. Strittig ist insoweit, ob die Tat isoliert, also nur im Hinblick auf die eingetretene Gesundheitsbeeinträchtigung, beurteilt wird oder ob auch der mit ihr verfolgte Zweck zu betrachten ist.
Eine Ansicht geht davon aus, dass es in erster Linie auf den Zweck der Beeinträchtigung ankommt. Eine Einbeziehung des Zweckes sei unerlässlich, da andernfalls die Beurteilung der Sittenwidrigkeit gar nicht sachgerecht erfolgen könne (17). Es wird darauf abgestellt, dass Doping gegen den Grundsatz der Fairness im Sport verstoße und daher auch gegen den Sportethos (18). Doping im Sport sei auf Grund dieser ethisch-sozialen Betrachtung somit sittenwidrig.
Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass die Leistungsmanipulation nicht allein aufgrund des Verstoßes gegen den Sportethos als sittenwidrig angesehen werden kann, da diesem Urteil nicht die Wertvorstellung „aller billig und gerecht Denkenden“ zugrunde liegt (19). Es muss demnach ein allgemeines, vom Sportbetrieb abstrahierendes, Maß für die Beurteilung angelegt werden. Der Sport ist eine gesellschaftliche Erscheinung und kann nicht von der Gesellschaft isoliert betrachtet werden. Die Wertvorstellungen nur einzelner Teile der Gesellschaft sind für das Sittenwidrigkeitsurteil dagegen unerheblich (20).
Zu bemerken ist hier vor allem, dass das Einnehmen von Substanzen zur Leistungssteigerung im Alltag allgemein zugelassen ist, wie z.B. die Beruhigungs- und Aufputschmittel zum Bestehen beruflicher Anforderungen. In der Leistungsgesellschaft sind Wettbewerbsverzerrungen durch solche „unterstützenden Maßnahmen“ geradezu typisch (21).
Darüber hinaus ist die Anknüpfung lediglich an den Sportethos zu unbestimmt. Es besteht die Gefahr, dass das Stufenverhältnis zwischen strafrechtlicher Sanktion und der Ahndung bloß moralisch vorwerfbaren Verhaltens verschwimmt und nicht differenziert genug gewürdigt wird (22). Gerade in solchen Fällen aber, wo die Bewertung der Tat –wie beim Doping- zweifelhaft ist, verbietet der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 II GG unter Bevorzugung einer kontroversen sozialethischen Position einen Sittenverstoß anzunehmen (23).
Es ist vielmehr ein eindeutiges, objektives Werturteil ausschließlich anhand allgemeingültiger rechtlicher Maßstäbe zu fällen. Bei der Beurteilung der Tat als sittenwidrig kann nicht allgemein auf die Beweggründe und Ziele der Beteiligten abgestellt werden. Würde bei der Betrachtung allein auf den Zweck der Handlung abgestellt werden, würde man dem, durch die Körperverletzungsdelikte bezweckten, Rechtsgüterschutz nicht gerecht werden (24). So dient § 228 StGB dem Körperschutz und nicht den Sportbelangen (25). Für das Sittenwidrigkeitsurteil ist daher vorrangig auf Art und Gewicht des Körperverletzungserfolges und den Grad der möglichen Lebensgefahr abzustellen. Generalpräventiv- fürsorgliche Eingriffe des Staates in die Dispositionsbefugnis des Sportlers als Rechtsgutsinhaber sind nur im Bereich gravierender Verletzungen zu legitimieren (26). Demnach wäre eine Einwilligung in Dopinghandlungen mit geringfügigen Gesundheitsgefahren stets wirksam. Denn auch wenn man den Dopingzweck berücksichtigt und grundsätzlich für sittenwidrig erachtet, überwiegt dennoch das Selbstbestimmungsrecht des Einwilligenden (27). Es ist daher ein sehr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad der Risikoverwirklichung zu fordern (28). Verursacht eine Dopingmaßnahme dagegen nur geringfügige, leichte gesundheitliche Folgen, verstößt die Einwilligung des Sportlers nicht gegen die guten Sitten (29). In diesem Fall kann eine wirksame Einwilligung angenommen werden.
Lässt sich letztlich im Einzelfall die Sittenwidrigkeit nicht sicher feststellen, so scheidet eine Strafbarkeit wegen eines Körperverletzungsdeliktes aufgrund der wirksamen Einwilligung aus (30).
4. Möglichkeit des Ausschlusses der Schuld
Auch bei der Schuldfrage ergeben sich weitere Unklarheiten. Es ist gerade für den Fall, dass eine wirksame Einwilligung des Sportlers wegen der fehlenden ordnungsgemäßen Aufklärung über die Folgen des Dopings ausgeschlossen ist, an das Vorliegen eines sog. Erlaubnistatbestandsirrtums, der eine schuldhafte Handlung des Arztes ausschließt, zu denken.
Geht der Arzt irrtümlich davon aus, dass der Sportler bereits hinreichend über die Folgen informiert ist, so ging er davon aus, dass seine Handlung gerechtfertigt und damit nicht strafrechtlich relevant wäre.
Offen bliebe dann allenfalls eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit, sofern der Beschuldigte den Irrtum hätte erkennen können und müssen (31).
IV. STRAFBARKEIT NACH AMG
Von der rechtlichen Beurteilung nach dem Strafgesetzbuch (StGB) bleibt die Beurteilung der Strafbarkeit nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) unberührt.
1. Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 a AMG
Gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 a AMG macht sich derjenige strafbar, der entgegen § 6a Abs. 1 AMG Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr bringt, verschreibt oder bei anderen anwendet. Damit auch Blut- Doping nach dieser Norm strafbar ist, muss Blut ein Arzneimittel in diesem Sinne darstellen.
Eine Definition für Arzneimittel im Sinne des AMG findet sich in §§ 2 ff. AMG. Nach § 4 Abs. 2 AMG sind Blutzubereitungen, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumskonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen oder als Wirkstoffe enthalten, Arzneimittel.
a. alte Fassung
Nach der alten Fassung des § 6 a AMG (32) waren jedoch nur Arzneimittel umfasst, die Stoffe der im Anhang des Übereinkommens gegen Doping (33) aufgeführten Gruppe enthalten. Dem Anhang zu Folge wurde zwischen Dopingwirkstoffen und Dopingmethoden strikt getrennt. Da § 6 a AMG sich nur auf die aufgeführten Dopingwirkstoffe bezog, war das Blutdoping als Methode nicht erfasst. Eine Strafbarkeit des Arztes war damit nach der alten Fassung der §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a, 6a Abs. 1 AMG ausgeschlossen.
b. neue Fassung
Die Rechtslage ist durch Artikel 2 das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport geändert worden (34). § 6 a AMG ist dahingehend geändert worden, dass nach Abs. 2 nunmehr auch Arzneimittel vom Verbot erfasst sind, die Stoffe enthalten, die für die Methode des Blut-Dopings „erforderlich“ sind. Aus der Anlage zum Doping Übereinkommen ergibt sich nach der Neufassung unter der Überschrift „Verbotene Methoden“, dass (Nr.1) Blut-Doping einschließlich der Anwendung von eigenem, homologem oder heterologem Blut oder Produkten aus roten Blutkörperchen jeglicher Herkunft, verboten sind (35).
c. Tathandlung
Als Tathandlung bei der Vornahme von Blut-Doping kommt nach § 6a AMG das in den Verkehr bringen, oder die Anwendung bei anderen in Betracht.
In den Verkehr bringen bedeutet gem. § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten und –bieten, sowie die Abgabe an andere. Die bloße Einfuhr stellt noch kein in den Verkehr bringen dar (36).
Ein Vorrätighalten liegt vor, wenn das Arzneimittel in der Absicht gelagert wird, es im Geltungsbereich des AMG abzugeben (37).
Wird dies nach außen durch körperliche Bereitstellung der Ware deutlich und kann ein Kaufinteresse dies erkennen, liegt ein Feilhalten der Ware vor (38). Ein Feilbieten liegt vor, wenn die Ware dem Kaufinteressenten direkt angeboten wird (39).
Als Abgabe gilt das Einräumen der Verfügungsgewalt an einen anderen durch körperliche Überlassung des Arzneimittels (40). Dies muss nicht gegen Entgeltgeschehen.
Die Anwendung bei anderen bedeutet die Verabreichung, bzw. die Injektion (41).
d. subjektiver Tatbestand
Die Tathandlung durch den Arzt muss gerade dem Dopingzweck beim Menschen im Sport dienen und zu diesem Zweck erfolgen. Dieser Bestimmungszweck liegt vor, wenn der Arzt dem Sportler Blutzubereitungen verabreicht um die körperliche Ausdauer oder die körperlichen Kräfte zu erhöhen (42). Dabei reicht auch die Leistungssteigerung im Breitensport aus (43).
Nimmt ein Arzt demnach Blutdoping an einem Sportler vor, macht er sich gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG strafbar.
2. Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 b AMG
Eine Strafbarkeit des Arztes nach § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG durch das bloße Besitzen von zu Dopingzwecken bestimmten Blutbeuteln liegt dagegen nicht vor. Diese Norm bezieht sich nur auf den Besitz von Arzneimitteln, die im Anhang zu diesem Gesetz aufgeführt sind. Das Blut als solches ist in dieser Liste jedoch nicht als Arzneimittel aufgeführt.
3. Strafschärfungen nach § 95 Abs. 3 AMG
Grundsätzlich sieht § 95 Abs. 1 AMG einen Strafrahmen mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor. Zu beachten ist insbesondere, dass in Absatz 3 besonders schwere Fälle normiert sind, die eine Strafschärfung von 1 bis zu 10 Jahren vorsehen. Ein besonders schwerer Fall kann bei Gefahr des Todes oder einer schweren Körper- oder Gesundheitsschädigung des Sportlers gegeben sein (44).
V. ZUSAMMENFASSUNG
Im Gegensatz zur früheren Rechtslage wird sich der Arzt, der Blutprodukte zu Dopingzwecken im Sport verabreicht, strafbar machen. Bei der Vornahme von Blut- Doping an Sportlern macht sich der Arzt demnach zwar nicht nach §§ 223 ff. StGB strafbar, wohl aber nach § 95 Abs.1 Nr. 2 a AMG.
Der Verstoß gegen das Verbot stellt zudem eine berufswidrige Handlung dar, die nach berufsrechtlichen Kriterien geahndet werden kann (45).
Unabhängig davon, ob sich der Arzt im jeweiligen Fall strafbar gemacht hat, ist zu berücksichtigen, dass dem Strafrecht nach diesseitiger Auffassung zur Begrenzung des Dopings keine Leitfunktion zukommen darf. Das Strafrecht muss als ultima ratio den schwerwiegendsten Fällen der Schädigung gesellschaftlicher Grundwerte, wie der körperlichen Integrität, vorbehalten bleiben (46). So dient § 6 a AMG, wie die §§ 223 ff. StGB, dem Schutz der Gesundheit.
Die Gewährung sportlicher Fairness als solcher wird demgegenüber durch Maßnahmen der Gremien des Sports verfolgt (47).
Die Ahndung von Dopingverstößen sollte daher im Wesentlichen nicht der deutschen Strafjustiz, sondern den Sportverbänden selbst obliegen. Zwar zeigen die großen Dopingskandale der letzten Jahre, dass es gerade nicht die Sportverbände, sondern die staatlichen Ermittlungsbehörden waren, die die Skandale aufgedeckt haben. Noch haben die Sportorganisationen nicht die umfangreichen Ermittlungsmöglichkeiten, die staatlichen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Diese Tatsache kann jedoch nichts daran ändern, dass es Aufgabe der Sportverbände ist in Dopingfällen tätig zu werden. Die Einbeziehung der staatlichen Behörden in solchen Fällen, in denen die körperliche Integrität von Sportler gefährdet ist oder wurde, steht außer Frage. Die fehlenden Ermittlungsmöglichkeiten der Sportorganisationen kann indes kein Argument dafür sein, ebenfalls für die Gewährung sportlicher Fairness die Ressourcen der staatlichen Strafverfolgungsbehörden in Anspruch zu nehmen. Es liegt nunmehr an den Sportverbänden Dopingvergehen zu ahnden und die dafür erforderlichen Kapazitäten und Mittel auch tatsächlich bereit zu stellen.
Angaben zu fianziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
LITERATUR
- 13/9996, S. 13.
- http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/135.htm.
- SpuRt 2008, 145.
- ZRP 2007, 138.
- StGB, § 223 Rn. 6; Schönke/ Schröder, StGB, §223 Rn 5.
- Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 30.
- in: SpuRt 1997, 56; Kargl in: JZ 2002, 890.
- StGB, §223 Rn. 3a.
- Doping und strafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 33.
- StGB, § 15 Rn. 2, 9.
- NJW 1987, 2550.
- rechtliche Fragen des Dopings, S. 1520.
- StGB, § 223 Rn. 40.
- StGB, § 223 Rn. 40.
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- rechtliche Fragen des Dopings, S. 1520.
- NJW 1987, 2545.
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- NJW 1991, 2943.
- NJW 1991, 2943.
- Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS), 2006S.57.
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- 166.
- § 228 Rn. 18.
- 166; Fischer, StGB, §228 Rn. 9a.
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- 106; 31, 286; 32, 248; Schönke/ Schröder, StGB, §16 Rn. 17.
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- Gesetz vom 02. März 1994 zu dem Übereinkommen vom 16. November1989 gegen Doping, BGBL. II 1994, 334.
- Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport vom24.10.2007 BGBl. I S. 2510.
- Arzneimittelrecht Kommentar, § 6a , A 1.0 Rn. 36.
- SpuRt 2008, 146.
- SpuRt 2008, 146.
- BtMG/AMG, Vorbem. AMG Rdnr. 136.
- BtMG/AMG, Vorbem. AMG Rdnr. 137.
- Arzneimittelrecht Kommentar, § 6a , A 1.0 Rn. 24.
- SpuRt 2008, 147.
- in: NJW 1998, 837.
- 13/9996, S. 13.
- Die strafrechtliche Verantwortung des Arztes beimDoping. Dtsch Z Sportmed 52 (2001) 162-167.
- NJW 1999, 837.
- NJW 1988, 2277.
- 13/9996, S. 13.
Jorg Estorf
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