Osteitis pubis beim Tennisspieler: Diagnostik, Differentialdiagnosen und therapeutische Möglichkeiten
Sterile Osteitis Pubis in a Tennis Player: Diagnosis and Treatment Options
ZUSAMMENFASSUNG
Wir berichten über einen 40-jährigen Sportler, bei dem sich aufgrund chronisch rezidivierender Belastungen beim Tennisspielen eine sterile Osteitis pubis ausbildete. Nach erfolgloser konservativer Therapie führte die chirurgische Symphysenkeilresektion zu Beschwerdefreiheit und voller Sportfähigkeit. Anhand dieses Falles werden die Klinik, Diagnostik, Differentialdiagnosen und therapeutischen Maßnahmen vor dem Hintergrund der aktuellen Literatur dargestellt. Auslöser für dieses Krankheitsbild sind lokale Überlastungsreaktionen der osteoligamentären Strukturen der Symphyse und benachbarten Adduktorenansätze. Typisch sind unspezifischen Beschwerden in der Leiste und der Schambeinregion, weshalb der Arzt u.a. Erkrankungen des Hüftgelenkes und der Lendenwirbelsäule mitberücksichtigen muss. Während im Nativröntgen bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf symphysennahe Resorptionszonen gesehen werden können, gilt das MRT als hochsensitiv in der Diagnostik insbesondere im Frühstadium. Dabei finden sich hier periartikuläre und subchondrale Knochenmarksödemzonen. Neben konservativen und interventionellen Therapieformen existieren verschiedene operative Techniken.
Schlüsselwörter: sterile Symphysenosteitis, Sportlerleiste, Keilresektion.
SUMMARY
A 40-year old gentleman presented with sterile osteitis pubis due to chronic and repetitive stress in tennis. While conservative therapy remained ineffective our patient became pain free and regained full sport ability after partial resection of the symphysis. Based on this case we present the clinical symptoms, diagnostic options, differential diagnoses and therapy in context of the current literature. Sterile osteitis pubis is caused by local stress irritating both, the osteoligamentary structures of the symphysis and the insertions of the adductors. The clinical symptoms in the pelvic region often remain unspecific. Therefore, diseases of the hip and of the lumbar spine have to be taken into consideration as differential diagnoses. In a late disease stadium plane x-rays are able to show zones of resorption close to the symphysis. In an early stage MRI is said to be effective and highly sensitive showing edema located periarticularly as well as subchondral. A variety of conservative, interventional and operative techniques exist.
Key words: sterile osteitis pubis, groin pain in athletes, wedge resection.
EINLEITUNG
Die Osteitis pubis (Symphysenosteitis) ist eine schmerzhafte aseptische Entzündung der Symphyse, der Schambeinäste und der unmittelbar umgebenden Strukturen (u.a. Adduktoren, Abdominalmuskulatur, Faszien) (4, 8, 15). Pathophysiologisch handelt es sich vornehmlich um eine rezidivierende Mikrotraumatisierung resultierend aus einer Fehl- oder Überlastung durch dauerhaft hohe antagonistisch wirkende Muskelkräfte (abdominelle Muskulatur versus Adduktoren) auf die sehnigen und periostalen Ansätze an der Symphyse und den Schambeinästen (5, 6). Die Inzidenz der Osteitis pubis wird in der Literatur unter Sportlern mit 0,5–7% angegeben (3, 5). Sportarten mit Sprint- und Schusselementen oder schnellen Richtungswechseln (u. a. Fußball, American Football, Basketball, Tennis sowie Laufsportarten) zeigen ein gehäuftes Auftreten (14). Spontane Heilungsverläufe nach persistierenden Beschwerden nach Wochen bis mehreren Monaten charakterisieren ebenso das Krankheitsbild wie nicht selten prolongierte, teilweise äußerst schmerzhafte Verläufe mit längerfristigen Trainings- und Wettkampfunterbrechung (4, 5).
Die Osteitis pubis muss in die differentialdiagnostischen Überlegungen (Tab. 1) vielfältiger Ursachen des Becken- oder Leistenschmerzes miteinbezogen werden und stellt enorme Ansprüche an den behandelnden Arzt (2, 5, 15). Die therapeutischen Maßnahmen reichen von konservativen Behandlungsmethoden bis hin zu chirurgischen Maßnahmen bei chronisch schmerzhaften und therapieresistenten Verläufen (2, 5, 12, 13).
In der vorliegenden Kausuistik stellen wir den Fall einer durch Symphysenkeilresektion erfolgreich therapierten konservativ therapieresistenten Osteitis pubis vor.
FALLBERICHT
Wir berichten über einen 40-jährigen Patienten, der bei der Erstvorstellung in unserer Klinik über seit ca. 5 Monaten bestehende Schmerzen im Bereich der Symphyse und des Schambeinastes klagte. Anamnestisch bestehen rezidivierende Schmerzen beim Gehen und beim Treppensteigen mit schmerzhaft eingeschränkter Sportaktivität.
Eine mehrwöchige Phase der Sportkarenz hatte nicht zur Schmerzlinderung geführt. Zurückliegende Verletzungen oder Operationen im Bereich der Symphyse oder auch der Schambeinäste lagen nicht vor. In der Vorgeschichte waren ambulant bereits mehrfach lokale Infiltrationen der Muskelansätze am Os pubis bei Verdacht auf eine Insertionstendinose der Adduktorenmuskeln durchgeführt worden mit nur kurzfristiger Besserung der berichteten Beschwerden. Bei der klinischen Untersuchung fand sich palpatorisch ein charakteristischer Druckschmerz über der Symphyse bzw. den Schambeinästen mit typischer Schmerzprovokation bei isometrischer Anspannung der Adduktoren gegen Widerstand („Symphysen-Klaff-Test“) (5).
Die nativradiologische Diagnostik zeigte symphysennahe Knochenresorptionszonen mit knöchernen Irregularitäten und Erosionen an der Symphyse und den gelenknahen Abschnitten der Schambeinäste in der Beckenübersichtsaufnahme (Abb. 1). Eine kernspintomographische Untersuchung wies Zeichen einer Osteitis mit periartikulärem subchondralem Knochenmarködem insbesondere in den T2-gewichteten Sequenzen auf (Abb. 2). Eine begleitende subchondrale Sklerosierung und Knochenresorptionsarale sowie knöcherne Irregularitäten und Osteophyten waren weitere MR-tomographische Auffälligkeiten. Begleitende Weichteilprozesse oder Abszesse fanden sich nicht. Laborchemisch fanden sich unauffällige Infektparameter. Zur Verifizierung der Diagnose und Dignitätsabklärung des Prozesses erfolgte eine CT gesteuerte Punktion der betroffenen Areale. Die histologische Aufarbeitung zeigte diffus ödematöse und resorptive Veränderung des Knochens ohne Hinweis auf ein bakterielles oder malignes Geschehen.
Nach Diagnosestellung blieben konservative Therapiemaßnahmen (Ultraschallbehandlung, Kryo- und Elektrotherapie, Einnahme von oralen Antiphlogistika, physiotherapeutische Übungsbehandlung mit Kräftigung der Rumpf- und Beckenbodenmuskulatur sowie Dehnungsübungen mit begleitender konsequenter Sportpause) ohne Erfolg, so dass wir bei konservativ therapierefraktärer Beschwerdesituation die Indikation zur Keilresektion der Symphyse stellten.
Hierzu erfolgte nach Darstellung der Symphyse über einen Pfannenstielschnitt die komplette Entfernung der Synarthrose mit dem angrenzenden veränderten Knochen (Abb. 3). Nach regelhaftem postoperativem Verlauf wurde initial die schmerzadaptierte Vollbelastung empfohlen. Nach 10 Tagen erfolgte die Entlassung. Nach eigenen Angaben begann der Patient nach 4 Wochen mit sportlicher Aktivität (Fahrradfahren); nach 2 Monaten konnte er bereits wieder kürzere Distanzen joggen und nach 6 Monaten hatte er sein ursprüngliches Sportniveau erreicht.
DISKUSSION
Die Inzidenz der Osteitis pubis wird in der Literatur mit bis zu 7 % bei Sportarten, die rasche Richtungswechsel bei hoher Laufgeschwindigkeit erfordern, beziffert (5). Die Differentialdiagnostik sollte die Abgrenzung gegenüber den vielfältigen Ursachen der „Sportlerleiste“ (Tab. 1) beinhalten. Dabei kommt der bildgebenden Diagnostik (u. a. Röntgen und MRT) eine richtungsweisende Bedeutung zu (1, 7, 9, 10, 18). Eine Beckenübersicht in Standard-a.p.-Projektion zeigt hier charakteristische Hinweise i. S. einer vermehrten subchondralen Sklerose, zystischen Veränderungen, knöchernen Irregularitäten und Erosionen in der Symphysen- und Schambeinastregion, häufig einhergehend mit einer Symphysengelenkspaltweite von >10mm (5, 15). Die „Flamingoaufnahme“ (a.p.-Aufnahme der Symphyse im alternierenden rechts- und linksseitigen Einbeinstand) kann supportiv eine vertikale Verschiebung der Symphyse auf der belasteten Seite um >2 mm zeigen (5).
Kernspintomographisch steht ein periartikuläres subchondrales Knochenmarködem hauptsächlich in den T2-gewichteten Sequenzen im diagnostischen Fokus (16). Während ein subchondrales Knochenödem, ein flüssigkeitsgefüllter Symphysenspalt wie auch ein periartikuläres Ödem Hinweise auf ein akutes Geschehen geben, sind eine subchondrale Sklerose und lokale Resorptionsareale sowie knöcherne Irregularitäten und Osteophyten am ehesten Ausdruck einer Chronifizierung sind (8). Pathophysiologisch wird die Genese der Osteitis pubis kontrovers diskutiert.
Eine lokale Instabilität der Symphyse, wie auch rezidivierende Mikrotraumatisierung resultierend aus einer Fehl- oder Überlastung durch dauerhaft hohe antagonistisch wirkende Muskelkräfte auf die sehnigen und periostalen Ansätze an der Symphyse und den Schambeinästen, werden als mögliche Ursachen formuliert (4, 5, 12). Die jüngsten Veröffentlichungen von Cunningham et al. (1) weisen ebenfalls in Richtung der durch eine Insertionstendinose getriggerten Osteonekrose: Sie konnte im MRT Veränderungen der symphysennahen Muskelansätze nachweisen.
Als konservative Therapiemaßnahmen werden zunächst neben Schonung und Sportreduktion eine Vielzahl an physikalischen und physiotherapeutischen Behandlungen empfohlen (5). Als weitere therapeutische Maßnahme kann die bildwandlergesteuerte Infiltration des symphysealen Gelenkspaltes und der Adduktorenansätze mit einem Lokalanästhetikum kombiniert mit einem Kortikosteroid Anwendung finden. Hierunter werden je nach Stadium der Osteitis Erfolgsraten von über 80% in der Literatur beschrieben (5).
Bei chronisch therapierefraktären Verläufen werden verschiedene invasive operative Techniken postuliert (3, 6, 11, 17). Paajanen et al. (13) positionieren zur Erreichung einer Verstärkung der Symphyse wie auch der osteoligamentären Strukturen ein Vicrylnetz unmittelbar retrosymphysär.
Ein weiterer Lösungsansatz ist die von mehreren Autoren beschriebene isolierte Curettage der Symphyse (14, 15, 16). Eine Übersicht verschiedener Therapieformen mit den jeweiligen Ergebnissen findet sich in Tabelle 2. In diesem Zusammenhang stellt die von uns durchgeführte Keilresektion der Symphyse, eine interessante Alternative in der Therapie der Osteitis pubis dar. Wir sehen sie insbesondere im chronischen Stadium der Symphysen Osteitis mit deutlich veränderten Knochenarrealen als operative Alternative zur alleinigen Curettage der Symphyse. Dem operativen Prinzip liegt hier die Resektion der osteonekrotisch veränderten, schmerzhaften Knochenareale und der Symphyse zugrunde.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die Osteitis pubis ist eine durch sportliche Überlastung ausgelöste rezidivierende Mikrotraumatisierung der sehnigen und periostalen Ansätze an der Symphyse und den Schambeinäste. Typisch sind Schmerzen im Bereich der Symphyse und der Schambeinäste. Differentialdiagnostisch müssen weiterführende Ursachen der schmerzhaften „Sportlerleiste“ abgegrenzt werden. Therapeutisch sollte initial Sportreduktion, ggf. auch lokale Infiltrationsmaßnahmen kombiniert mit physikalischen und physiotherapeutischen Maßnahmen empfohlen werden. Im chronischen Stadium mit bereits radiologisch nachgewiesenen symphysennahen Knochennekrosen bietet die Symphysenkeilresektion als komplikations- und risikoarmes invasives Verfahren einen interessanten Lösungsansatz.
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Dr. med. Oliver Weber
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Bonn
Sigmund-Freud-Straße 25
53127 Bonn
E-Mail: oliver.weber@ukb.uni-bonn.de