Aktuelle und neue Konzepte in der Behandlung akuter Außenbandverletzungen des Sprunggelenkes
Current and New Concepts in the Treatment of Lateral Ligament Sprains in Ankle Distorsions
ZUSAMMENFASSUNG
Phasenadaptierte Orthesenversorgung, Hyaluronsäure-Infiltration, Platelet Rich Plasma Applikationen (PRP) - bei einer der am häufigsten auftretenden Verletzungen im Sport oder im Alltag überhaupt, der Sprunggelenksdistorsion mit Verletzung des lateralen Kapselbandapparates, sehen sich versorgende Ärzte, Physiotherapeuten und Patienten immer wieder neuen Therapiekonzepten gegenüber, die zu einer besseren Versorgung der Verletzten führen sollen. Hintergrund des Strebens nach neuen Konzepten ist neben der Häufigkeit der Verletzung vor allem die Tatsache, das bis zu 40% der Verletzten auch drei Jahre nach der Verletzung noch über chronische Beschwerden in Form von Schmerzen, chronischer Instabilität oder dadurch folgenden erneuten Umknicktraumata klagen, die Verletzung also eigentlich unbefriedigend ausgeheilt scheint. Während in der Diagnosestellung und der Erstversorgung nach der PECH Regel (Pause, Eis, Kompression, Hochlagern) weitestgehend Konsens herrscht und die meisten Sprunggelenksverletzungen heutzutage frühfunktionell konservativ behandelt werden, gibt es in Bezug auf zeitliche Abläufe des Heilverlaufes bzw. begleitende Maßnahmen wie Ruhigstellung in Form von Gips oder Orthesen, sensomotorisches Training oder zusätzliche medikamentöse Applikationen unterschiedliche Ansichten. Ziel dieses Übersichtsartikels ist es daher, bisher gängige, akzeptierte und weit verbreitete Behandlungsmethoden nach dem aktuellen Stand der Literatur nochmals zu erörtern. Zusätzlich sollen neuere Behandlungsansätze wie die genannte Applikation von Hyaluronsäure bzw. Plättchen-angereichertem Plasma oder aber die phasenadaptierte Orthesenversorgung genauer beschrieben und deren Wirksamkeit aus evidenzbasierter Sicht hinterfragt werden.
Schlüsselwörter: Sprunggelenksverletzungen, Hyaluronsäure, PRP, Modulare Orthesen, Funktionelle Rehabilitation.
SUMMARY
In ankle distorsions with lesions of the anterolateral capsuloligamentous structures, one of the most frequent injuries in both sports and everyday activities, treating physicians and patients regularly face new management strategies. New therapy concepts like phase- adapted orthotic devices, infiltrations with hyaluronic acid or applications of platelet rich plasma (PRP) are described in order to improve the treatment. Nevertheless, even 3 years after injury, up to 40 % of the patients still suffer from chronic complaints such as pain, chronic instability or subsequent repeated ankle distorsions. The outcome thus is often unsatisfactory. While procedures of diagnosis and initial care (e.g. RICE principles: rest, ice, compression, elevation) are widely agreed on and most ankle sprains are treated functionally, there are varying opinions about rehabilitation periods as well as accompanying management strategies such as optimal orthotic immobilisation, the benefit of sensomotoric physiotherapy or the use of medical support. The following article therefore aims to summarize common, accepted and wide-spread treatment methods by reviewing current literature. Beyond this, the main focus is put on the description and critical evaluation of newer concepts, especially the cited phase-adapted use of orthotic devices, the application of hyaluronic acid or the infiltration of platelet rich plasma.
Key words: Ankle Sprains, hyaluronic acid, PRP, Modular Orthesis, functional rehabilitation.
EINLEITUNG
Sowohl beim Ausüben sportlicher Aktivität als auch im Alltag zählt die Distorsion des Sprunggelenkes mit Verletzung der lateralen Kapselbandstrukturen zu den häufigsten Verletzungen des muskuloskeletalen Bewegungsapparates (50). In Abhängigkeit zur Sportart stellt die Sprunggelenksdistorsion bei nationalen oder internationalen Sportwettkämpfen die häufigste Verletzung eines Wettbewerbes überhaupt dar (25, 33). Generell betreffen 15%- 20% aller Sportunfälle das Sprunggelenk wobei es sich bei 75% um Verletzungen des Bandapparates handelt. Am weitaus häufigsten sind mit 85% dabei die lateralen Bänder betroffen (14, 21, 36, 42). Entsprechend der Verletzungskinematik tritt in etwa 65% eine Läsion des vorderen Aussenbandes (Lig. fibulotalare anterius) auf, in etwa 20% begleitet von einer Zerrung oder Partialruptur des mittleren Seitenbandes (Lig. fibulocalcaneare). Eine Beteiligung der Syndesmose wird bei etwa 10% der Verletzungen beobachtet, selten kommt es zu einer Verletzung des hinteren Außenbandes (Lig. fibulotalare posterius) (8). Verschiedene Gradeinteilungen zur Klassifikation einer Sprunggelenksverletzung sind beschrieben wobei sich die gängigste an der Schwellung und dem Ausmaß der verletzten Struktur(en) orientiert (Tab.1).
Ein Supinationstrauma kann sich beim initialen Bodenkontakt während des Gehens oder bei Landungen nach einem Sprung bzw. beim Laufen ereignen. Als Verletzungsmechanismus kommt es dabei bei den genannten Bewegungen zu einem erhöhten Supinationsmoment im Subtalargelenk (14, 21), welches bei Erreichen der Belastbarkeitsgrenze zu einer partiellen oder kompletten Ruptur des lateralen Kapsel-Bandapparates führen kann, falls durch die dynamischen Stabilisatoren – in diesem Fall insbesondere die Musculi peronei – keine kompensatorische Pronation erfolgt.
DIAGNOSESTELLUNG
In der Diagnosestellung haben sich insbesondere die klinische Untersuchung, eine radiologische Nativbildgebung unter Berücksichtigung der Ottawa-Kriterien (2, 47) (Tab.2), die Sonographie sowie im Bedarfs- bzw. Einzelfall die MRT durchgesetzt (Abb.1). Früher noch durchgeführte gehaltene Aufnahmen werden heutzutage nur noch bei chronischen Instabilitäten zur Abklärung operativer Notwendigkeiten oder Möglichkeiten durchgeführt, zumal Daten zeigen konnten, dass gehaltene Aufnahmen hinsichtlich der vorderen Schublade und des lateralen Bandapparates insbesondere in der Akutphase zu variabel sind als dass ihr Einsatz zu empfehlen wäre (17).
Bei inadäquater Diagnosestellung bzw. Therapie können in bis zu in 20%–40% rezidivierende Traumen und/oder chronische Gelenkinstabilitäten mit all ihren Sekundärfolgen (z.B. Knorpelläsionen, Überlastungsreaktionen etc.) die Folge sein (18, 42, 48, 50). Selten korreliert die Schwere des initialen Traumas dabei mit der Rate späterer Komplikationen (30, 45, 48, 52), so dass vor allem vermeintlich „leichte“ Verletzungen von Patient/Athlet und behandelndem Arzt oft unterschätzt werden (6, 12, 16, 19, 46).
OPERATION VS. KONSERVATIVE BEHANDLUNG
Noch bis Ende der achtziger Jahre wurden nahezu alle Bandläsionen des oberen Sprunggelenkes operativ mittels primärer Naht und/oder Raffung versorgt. Heute herrscht Einigkeit über mindestens ähnlich gute Ergebnisse einer streng konservativen Therapie, diese der operativen Therapie also bei den meisten Verletzungen vorzuziehen ist. (7, 14, 26, 32, 42). Auf der Basis von 20 klinischen Studien mit insgesamt 2562 Patienten konnten in einem Cochrane report von 2007 zwar gewisse Vorteile einer chirurgischen Bandrekonstruktion in Bezug auf Rezidivrate, chronischen Beschwerden oder mechanischen Instabilitäten dargelegt werden, doch wurde gleichermaßen die statistische Aussagekraft aller Studien aufgrund methodischer Mängel betont. Eine eindeutige Empfehlung für eine operative oder konservative Behandlungsalternative konnte also nicht ausgesprochen werden. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse bleibt die operative Therapie bislang im Einzelfall höhergradigen Bandläsionen (Dreibandverletzungen, Syndesmosenverletzungen) sowie chronischen Instabilitäten vorbehalten (29, 48).
FRÜHFUNKTIONELLE THERAPIE VS. RUHIGSTELLUNG
Unbestritten scheint, dass – wie bei vielen Verletzungsbildern in der Sportorthopädie – eine frühfunktionelle Behandlung auch bei Sprunggelenksverletzungen einer längeren Immobilisation überlegen ist. In einem Cochrane Review konnten Kerkhoff et al. aufzeigen, dass durch eine frühfunktionelle Behandlung sowohl die Rückkehr zu sportlichen Aktivitäten als auch die Rückkehr in den beruflichen Alltag früher gelingt, eine höhere Patientenzufriedenheit besteht und die Anzahl an späteren Komplikationen wie Schwellneigung und/ oder strukturelle oder funktionelle Instabilität deutlich gemindert werden kann (27, 28). Unlängst veröffentlichte Daten von Lamb et al. im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten klinischen Studie zeigen jedoch auch, dass insbesondere höher gradige Bandläsionen (>2°) von einer zumindest kurzzeitigen Ruhigstellung zur Sicherstellung einer primären Weichteiladaption in der Entzündungs- bzw. ersten Reparaturphase profitieren (31). Im Falle einer Ruhigstellung sind dabei semirigide Orthesen einer „Soft-Orthese“ oder einem Tapeverband vorzuziehen (4, 24, 26), bei ausgeprägten Schwellungszuständen kann im Einzelfall auch eine temporäre Gips- oder Castruhigstellung erfolgen.
BEGLEITENDE PHYSIOTHERAPIE UND SENSOMOTORISCHES TRAINING
Insbesondere vor dem zunehmenden Kostendruck der Gesundheitssysteme werden Notwendigkeit bzw. Vorteile physiotherapeutischer Maßnahmen fortwährend diskutiert. In der alltäglichen Praxis erfahren Patienten neben einer Bandagen- oder Orthesen-Ruhigstellung zumindest kurzfristig begleitende abschwellende und analgetische Maßnahmen sowie kurzfristige krankengymnastische und/ oder elektrophysiologische Behandlungen.
Unter Berücksichtigung von 23 klinisch kontrollierten und randomisierten Studien fassen Bleakley et al. in ihrem systematischen Review zusammen, dass z.B. der Gebrauch nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) in der frühen Phase von Sprunggelenksverletzungen zur Analgesie signifikant positive Auswirkungen auf die Funktionalität des Gelenkes hat. Gleichermaßen warnen sie jedoch auch vor dem Nebeneffekt ein früh schmerzfreies Sprunggelenk dadurch möglicherweise zu früh zu belasten, sprich „Warnhinweise“ durch zu starke Analgesie zu coupieren (5).
Ein ähnlicher Benefit wird in genanntem Review für die Manuelle Therapie beschrieben, da hierdurch vor allem die Beweglichkeit des Gelenkes signifikant verbessert wird und die nach 2 Wochen angestrebte freie Beweglichkeit (49) erreicht werden kann (5). Keine bis bestenfalls marginale, nicht signifikante Unterschiede werden indes für verschiedenste elektrophysiologische Maßnahmen beschrieben (5).Auch wenn der Benefit eines propriozeptiven Trainings bei Sprunggelenksverletzungen aus trainingstherapeutischer Sicht eigentlich auf der Hand liegt, ergeben wissenschaftliche Untersuchungen bislang noch widersprüchliche Ergebnisse. In einem systematischen Review konnten van Rijn et al. in 31 herausgesuchten Arbeiten keinen eindeutigen positiven Effekt eines begleitenden Physiotherapietrainings erkennen, wenngleich sowohl die untersuchten Kollektive als auch die Messmethoden und physiotherapeutischen Interventionen zu hetereogen waren, als daß eine klare evidenzbasierte Schlussfolgerung möglich ist (50).
Dem gegenüber stehen u.a. neuere Ergebnisse, die in einer randomisierten klinischen Studie nach 8-wöchigem, sensomotorischen Balancetraining bei 529 Patienten und einem Follow-up von von einem Jahr signifikant weniger Rezidivinstabilitäten aufzeigten als in der Kontrollgruppe (23).
In Zusammenschau der Empfehlung präventiven, propriozeptiven und koordinativen Trainings zur Prophylaxe von Sprunggelenksverletzungen bis in den höchsten Leistungssport (13, 53) sowie der klaren Empfehlung einer begleitenden Physiotherapie zumindest bei Rezidivverletzungen (51) geht die Tendenz bei Sprunggelenksverletzungen bis zum Beweis eines Gegenteils weiterhin zu einer begleitenden Physiotherapie gepaart mit assisistierten oder eigenständigen sensomotorischen Training als begleitende Therapieoption.
HYALORONSÄURE - INFILTRATIONEN
Seit wenigen Jahren wird im Rahmen allgemeiner medizinischer Aufklärungen und in der Literatur bei Sprunggelenksverletzungen auch die Behandlung mit Hyaluronsäure beschrieben. Besser bekannt im Zusammenhang mit einer konservativen Behandlung von Gelenkarthrosen sollen diese unverzweigten Polysaccharide in modifizierter Form (Soft Tissue Adapted Biocompatible Hyaluronic Acíd = STABHA) durch Auffüllen des interzellulären Raumes und durch Anlagerung von Fibrin an die Hyaluronsäure im Sinne eines „inneren Verbandes“ wirken. Die als IGEL Leistung applizierte Hyaluronsäure wird dabei in geringer Menge (1,2ml) fächerförmig im Bereich der verletzten Kapselbandanteile in Richtung Aussenknöchel, Talus und Calcaneus infiltriert. Nach jeweiligen Herstellerangaben sollte eine Infiltration kurz nach dem Trauma, spätestens 48 Stunden nach Distorsion erfolgen und von einer zweiten Infiltration nach weiteren 48 Stunden gefolgt werden.
In der Literatur findet sich bislang nur eine Arbeitsgruppe und somit wenige evidenzbasierte Daten zur Verwendung von Hyaluronsäure bei Bandverletzungen. Petrella et al. (38, 39) konnten in einer Placebokontrollierten prospektiv randomisierten Studie mit 158 Probanden eine reduzierte Schmerzhaftigkeit in der Frühphase nach der Verletzung und konsekutiv eine deutlich verkürzte Zeit bis zur schmerzfreien Wiederaufnahme sportlicher Tätigkeit nachweisen (11 versus 17 Tage). Nach einem 2-jährigen Follow up beschreibt dieselbe Arbeitsgruppe beim Interventionskollektiv signifikant weniger Rezidivverletzungen als in der Placebo-Kontrollgruppe (40). Die im Kollektiv ausgeübten Sportarten, deren durchgeführte Intensitäten bzw. die Verletzungsmechanismen insbesondere bei den Rezidivverletzungen sind in den jeweiligen Studien allerdings nicht angegeben. Die erwartete große Heterogenität lässt eine klare Schlussfolgerung daher nicht zu. Zusammengefasst existieren zum jetzigen Zeitpunkt zu wenige wissenschaftlich validierte Daten bezüglich Wirkweise und Benefit einer Therapie mit Hyaluronsäure bei Bandverletzungen als dass eine fundierte Empfehlung zur standardisierten Applikation bei Sprunggelenksverletzungen zu schlussfolgern wäre. Aufgrund der nur selten beschriebenen Nebenwirkungen des Präparates selber bzw. des generellen niedrigen Injektionsrisikos von ca. 1:35.000 (3) kann diese im Einzelfall und auf besonderen Wunsch aber durchaus als Therapieoption herangezogen werden
PHASENADAPTIERTE ORTHESENVERSORGUNG
Verletzte Weichteilstrukturen, respektive verletzte Bandstrukturen, durchlaufen in der Regel verschiedene Phasen der Heilung (15, 22, 35). Zunächst kommt es direkt nach der Verletzung zu einer entzündlichen Phase für etwa 1–5 Tage. Durch Einblutung ins Gewebe begleitet von einer posttraumatischen Ausschüttung von Entzündungsmediatoren und dem damit verbundenen entzündlichen Exsudat sind die typischen Symptome Schmerz und Schwellung vordringlich. Es folgt ein Abklingen der Schwellung und der Primärsymptome in der reparativen oder proliferativen Phase für etwa 5–28 Tage. Diese ist durch Angiogenese, proliferierende Fibroblasten und Kollagenproduktion gekennzeichnet, weswegen auch gerne von einer Primärheilung gesprochen wird. Abschließend kommt es zur Umbau- bzw. remodellierenden Phase (Ca. 28 bis 42 Tage), in der es in Anpassung an eine erste mechanische Belastung nach dem Prinzip „Form follows function“ zu einer „Reifung“ und Ausrichtung der Kollagenfibrillen und Zellen kommt, das Band also an Stabilität gewinnt. Die einzelnen Phasen sind dabei in ihrer Dauer individuell leicht unterschiedlich und verlaufen selten chronologisch sondern überlappen sich. Eine nahezu komplette Festigkeit der Bandstruktur wird nach etwa 16–50 Wochen erwartet (15, 22, 35).
Für einen suffizienten und idealen Rehabilitationsverlauf ist es dabei unumgänglich die einzelnen Heilungsphasen zu respektieren (22, 31). So sind die heilenden Bandstrukturen z.B. gerade in den Phasen I und II auf Schutz vor zu viel Belastung angewiesen, um so eine überschießende Produktion des Kollagens Typ III, und somit der Bildung eines elongierten weichen Bandes zu vermeiden. Gleichermaßen ist ein gewisses zunehmendes Maß an Belastung gerade in der remodellierenden Phase III erforderlich die primär verheilte Bandstruktur entsprechend „auszuhärten“.
Während die meisten gängigen Orthesenkonzepte unabhängig von der Dauer ihrer Verordnung in der Akutphase durch seitliche Schalenkonzepte für den Heilverlauf besonders die Supinationsbewegung begrenzen (z.B. Aircast® – AirgoTM/, MalleoLoc®/Bauerfeind, Arthrofix®/ Sportlastic) um dann für den Alltag - oder Sportgebrauch ggfls. auf Tapeverbände oder weniger einschränkende Orthesen umzusteigen (z.B. Aircast® A60TM, MalleoTrain® Plus/ Bauerfeind, Swede-O-Universal®/ Sporlastic), versuchen neuere Konzepte durch ein modulares Bauprinzip die einzelnen Phasen der Heilung zu berücksichtigen und gerade in der initialen Phase I neben der Supination auch die Plantarflexion zu verhindern (z.B. MalleoTristep®/ Otto Bock). Insbesondere während der Nachtruhe wird so die natürliche Plantarflexion und somit die Anspannung des LFTA während des Schlafens vermieden, ein wichtiger Aspekt zur Sicherstellung der Primärheilung (37). Die Möglichkeit eines schrittweisen Abrüstens von einer kompletten Ruhigstellung bis hin zur Benutzung beim ersten sportartspezifischen Training erlaubt daher die benötigte Anpassung einer Orthese an die jeweilige Rehabilitationsphase unter Schutz der heilenden Bandstrukturen durch Limitierung der Bewegung der beiden Hauptachsen im OSG und USG.
In ersten Untersuchungen mit 17 gesunden Zufallsstichproben konnte bei der Simulierung einer Umknick- und Schlafsituation zum einen bestätigt werden, dass externe Stabilisierungshilfen die mechanische Stabilität des Sprunggelenkes in unterschiedlichen dynamischen Beanspruchungssituationen erhöhen können (9). Zum anderen konnte nachgewiesen werden, dass die verwendete modulare Orthese zur Mobilisierung in definierter Postion in der maximalen Ausbaustufe mit Nachtschiene der Tape-Versorgung aber auch einer Referenzorthese ohne modulares Prinzip deutlich überlegen ist und einer temporären Castversorgung nahezu gleich kommt (9). Selbst nach Abrüsten der Nachtschiene für die Phase II konnte die modulare Orthese eine Stabilitätskontrolle auf dem Niveau der als Goldstandard akzeptierten Referenzorthese gewährleisten.
Auch wenn genauere evidenzbasierte Untersuchungen hierzu noch fehlen, scheint eine phasenadaptierte Orthesenversorgung unter Berücksichtigung der physiologischen Heilabläufe einer herkömlichen Orthesen – oder Tapeversorgung überlegen zu sein. In Kombination der Kontrolle nicht nur der Eversion-Inversion sondern auch der Bewegung im OSG mit der zu erwartenden höheren Abzeptanz einer abbaubaren Orthese beim Patienten kann daher eine konsequentere Tragedauer und somit einer Reduktion der Rezidivrate erwartet werden.
INFILTRATIONEN MIT PRP (PLATELET RICH PLASMA)
In jüngster Vergangenheit wird bei der Behandlung von traumatischen oder überlastungsbedingten Band-, Sehnen und Muskelläsionen zusehends über die Applikation plättchenangereicherten Plasmas berichtet (10, 15, 20). Blutplättchen enthalten eine Mischung an Proteinen, Zytokinen und Wachstumsfaktoren, die – im Falle einer Aktivierungs–Reparaturvorgänge von Weichteilgeweben initiieren und stimulieren. Durch eine Anreicherung derselben am Ort der Läsion (mindestens 3-fach zur Norm (34)) wird eine verbesserte und beschleunigte Heilung des Weichteilgewebes erhofft. Erfahrungen in der Applikation von PRP in der Humanmedizin bestehen seit den neunziger Jahren u.a. in der Kieferchirurgie, der plastischen Chirurgie, in der Behandlung von Frakturen oder in der Behandlung chronischer Haut- und Weichteilulzera (11, 20, 41).
Bisherige wissenschaftliche Veröffentlichungen, so z.B. von Aspenberg et al. (1) oder De Mos et al. (10) berichten gemeinhin über viel versprechende Ergebnisse bei der Behandlung traumatischer bzw. tendinotischer Sehnen-/ Bandverletzungen mit Plättchen-angereichertem Plasma in puncto Rehabilitationszeit und/ oder in puncto Beschwerdeminderung. Auch Sanchez et al. berichten (44) – wenn auch in kleinen Patientenkollektiven - in einer prospektiven Kohortenstudie über eine Halbierung der Rekonvaleszenzzeit bei Muskelverletzungen. Des Weiteren konnten dieselben Autoren (43) zeigen, dass eine intraoperative PRP-Injektion bei offener Achillessehnennaht, verglichen mit einer reinen Naht, eine verbesserte Heilung und Erlangung der Funktionalität mit sich bringt. Interessant klingen auch noch nicht veröffentlichte Daten eine retrospektiven Studie an einem kleinen (N=22) Kollektiv verletzter Sportler mit Grad 2 Verletzungen des medialen Kollateralbandes des Kniegelenkes. Offenbar konnte hier durch die Applikation von PRP eine Reduktion der Rekonvaleszenzzeit um 27% erzielt werden (15).
Zusammenfassend kommen Hall et al. (20) in einem umfassenden Review zwar zu dem Schluss, dass die bisherige wissenschaftliche Datenlage einen rehabilitativen Benefit einer PRP-Behandlung verletzter Band- bzw. Muskelstrukturen erwarten lässt, doch fehlt bislang noch die evidenzbasierte Grundlage zur Empfehlung einer Applikation angereicherten Plasmas im Falle von Sprunggelenksverletzungen. Hier bedarf es sowohl aufwendiger kontrollierter klinischer Studien als auch weiterer Laborstudien zur Untersuchung einer optimalen Aktivierung und Konzentration der einzelnen Serumbestandteile (20).
FAZIT FÜR DIE PRAXIS
Mit Ausnahme von Dreiband- oder Syndesmosenverletzungen können die meisten Außenbandverletzungen des Sprunggelenkes konservativ-frühfunktionell behandelt werden. Unabhängig von der Schwere der Verletzung sollte das Behandlungsregime dabei für mindestens 6 Wochen konsequent eingehalten und die einzelnen Phasen der Bandheilung respektiert werden. Sinnvoll erscheint hierzu eine Versorgung des Patienten mit einer modularen Orthese, gepaart mit sensomotorisch-physiotherapeutischen Maßnahmen. Der Benefit zusätzlicher, periartikulärer Infiltrationen mit Hyaluronsäure oder PRP ist zum jetzigen Zeitpunkt wissenschaftlich nicht belegt so dass eine standardisierte Empfehlung weiterer klinischer Studien bedarf.
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten: Der Autor hat an der Entwicklung und Patentierung der MalleoTristep®/ Otto Bock mitgewirkt.
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Dr. med. Raymond Best
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