Training & Gesundheit
ORIGINALIA
BELASTUNGSBLUTDRUCK BEI KINDERN

Ruhe- und Belastungsblutdruck: Zusammenhang kardiovaskulärer Risikofaktoren in der Kieler Kinder eX.press. Studie

Blood Pressure at Rest and During Exercise in Adolescents: Correlation with Cardiovascular Risk Factors in the Kieler Kinder EX.PRESS. Study

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Sportwissenschaft, Sportmedizin

ZUSAMMENFASSUNG

Problemstellung: Der Gelegenheitsblutdruck allein liefert bei Kindern und Jugendlichen wenig reproduzierbare Werte. Die ergometrische Untersuchung des Blutdrucks hingegen hat sich im Erwachsenenalter wegen der diagnostischen und prognostischen Vorteile bewährt. In der Kieler Kinder EX.PRESS. (Exercise & Pressure) Studie sollte der Zusammenhang von Ruhe- und Belastungsblutdruck mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren bei Heranwachsenden ermittelt werden. Methodik: Bei 229 Jugendlichen (14,4±1,7Jahre) wurden Ruhe- sowie Belastungsblutdruck (Fahrradergometrie 1,5 Watt/kg Körpergewicht) gemessen und bezüglich ihrer Zusammenhänge mit Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang, Bildschirmzeit und Fitness (PWC170) verglichen. Ergebnisse: Der mittlere Ruheblutdruck betrug 110,3±13,1/56,0±7,6mmHg. Während der Fahrradergometrie stieg dieser auf 144,0±18,9/53,5±9,7mmHg an. Systolischer Ruhe- und Belastungsblutdruck korrelierten mit BMI (r =0,329/0,308) und Taillenumfang (r =0,298/0,320) korrigiert für Alter und Körpergröße (p<0,001). Nur beim Belastungsblutdruck ergab sich mit Bildschirmzeit und Fitness ein negativer Zusammenhang, der nach Kontrolle der Alters- und Größeneffekte einzig zur Fitnessleistung signifikant blieb (r =-0,206; p<0,001). 9,7% der systolischen Ruhewerte wären nach aktuellen Referenzperzentilen als mindestens hochnormal zu klassifizieren. In dieser Gruppe konnte nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Größe ein im Mittel 16,2mmHg höherer Blutdruck unter Belastung gemessen werden (p<0,001). Diskussion: Schon bei Heranwachsenden sind Zusammenhänge zwischen Belastungsblutdruck und Risikofaktoren nachweisbar und teilweise stärker ausgeprägt als zum Ruheblutdruck. Somit ist die Überprüfung des Belastungsblutdrucks mindestens ebenso bedeutsam wie die Blutdruckmessung unter Ruhebedingungen.

Schlüsselwörter: Blutdruck bei Belastung, Jugendliche, kardiovaskuläres Risiko.

SUMMARY

Introduction: Casual blood pressure is inconsistent in children and adolescents. For adults, the exercise blood pressure seems to be more useful than resting blood pressure. In the Kieler Kinder EX.PRESS. (exercise & pressure) study, the correlation between resting and exercise blood pressure and other cardiovascular risk factors was investigated. Methods: Blood pressure was measured at rest and during exercise (1.5watts/kg body weight). The correlation with body-mass-index (BMI), waist circumference, fitness (PWC170) and screen time was determined in 229 adolescents (14.4±1.7years). Results: Mean resting blood pressure was 110.3±13.1/56.0±7.6mmHg. Exercise blood pressure was 114.0±18.9/53.5±9.7 mmHg. Systolic blood pressure at rest and during exercise correlated with BMI (r =0.329/0.308) and waist circumference (r =0.298/0.320) adjusted for age and height (p<0.001), while fitness and screen time correlated only with exercise blood pressure but not with resting blood pressure. After controlling for age and height, this correlation remained significant only between blood pressure during exercise and fitness (r =-0.206; p<0.001). 9.7% of systolic resting blood pressure values were at least high normal. In this subgroup, systolic exercise blood pressure was 16.2mmHg higher than in other subjects (p<0.001) controlled for age, height and gender. Conclusion: Correlation between exercise blood pressure and risk factors can be observed in adolescents. Checking blood pressure during exercise might be at least as important as resting blood pressure.

Key Words: Blood pressure during exercise, cardiovascular risk, adolescents.

EINLEITUNG

Kardiovaskuläre Risikoprofile zeigen sich schon in der Kindheit und Adoleszenz (19, 22). Die arterielle Hypertonie ist bereits in diesem jungen Alter ein wichtiger Risikofaktor für Herz-KreislaufErkrankungen. Chronisch erhöhte Blutdruckwerte gehen mit einem deutlichen Risiko für eine spätere manifeste Hypertonie einschließlich aller Begleit- und Folgeerkrankungen einher. Damit ist der Blutdruck im frühen Entwicklungsalter mitbestimmend für die weitere gesundheitliche Prognose (3, 6).
Der juvenile primäre Bluthochdruck ist wesentliche Folge genetischer und lebensstilassoziierter Faktoren (21). Auch arteriosklerotische Prozesse können schon frühzeitig beginnen und sind von der Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren abhängig (4, 18). Die Diagnostik und Prävention der Hypertonie muss daher rechtzeitig einsetzen.
Da der Blutdruck einer ausgeprägten Variabilität unterliegt, ist dessen Messung besonders in der Pädiatrie lediglich als BlutdruckScreening anzusehen: Reproduzier- und vergleichbare Messwerte sind aufgrund der Abhängigkeit von psychischen Einflüssen nur schwer zu realisieren. Abgesehen davon bleiben erhöhte Blutdruckwerte während alltäglichen körperlichen Belastungen verdeckt, obwohl gerade diese die Prognose des Menschen wesentlich mitbestimmen. Hierzu eignet sich zumindest bei Erwachsenen eine standardisierte ergometrische Untersuchung des Blutdrucks bei submaximaler Belastung. Als weiterer unabhängiger Risikofaktor korreliert der Belastungsblutdruck besser mit der kardiovaskulären Prognose als der Ruheblutdruck (9, 16). Forschungsbedarf zur Relevanz belastungsinduzierter Messwerte sowie deren Assoziation zu weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren besteht dagegen für das Kindes- und Jugendalter (13).

PROBLEM UND ZIELSTELLUNG

Im Zentrum der Kieler Kinder EX.PRESS. Studie steht die Messung des Belastungsblutdrucks sowie dessen Zusammenhang mit weiteren Risikofaktoren. Für 20- 50 Jährige existieren auf Prognosedaten abgeleitete Normwerte. Weniger eindeutig sind die Daten bei Kindern und Jugendlichen (10). Die Einschätzbarkeit und prognostische Aussagekraft der in Ruhe gemessenen Werte ist begrenzt. Angesichts dieser Problematik bietet sich auch im jungen Alter eine ergometrische Belastungsuntersuchung an.
Ruhe- und Belastungsblutdruck werden bezüglich ihrer Korrelationen mit übrigen Risikofaktoren verglichen. Die Kieler Kinder EX.PRESS. Studie liefert erste Hinweise auf das Blutdruckverhalten unter körperlicher Belastung bei 12- 17 Jährigen und macht zugleich deutlich, dass dieser Parameter auch bei Heranwachsenden geeignet und sinnvoll ist.

MATERIAL UND METHODEN

Zur Stichprobe gehören 229 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Messung des Ruhe- und Belastungsblutdrucks erfolgte auskultatorisch nach der Methode von Riva-Rocci und Korotkoff. Mit Hilfe eines mechanischem Sphygmomanometers unter Verwendung einer dem Oberarmumfang angepassten Blutdruckmanschette wurde der Blutdruck nach einer Ruhezeit von 5 Minuten sitzend dreimal im Abstand von 2 Minuten ermittelt. Der niedrigste Messwert ging in die statistische Auswertung ein.
Während standardisierter Fahrradergometrie erfolgte die Messung des Blutdrucks bei einer Belastung von 1,5 Watt/kg Körpergewicht. In Anlehnung an die Durchführungskriterien bei Erwachsenen (10) entspricht dies in etwa dem submaximalen Intensitätsbereich. Zudem wird der Blutdruck oberhalb einer Belastung von 1 Watt/kg Körpergewicht durch den Einfluss psychischer Komponenten nicht mehr wesentlich verändert (15). Ausgehend von einer Anfangslast von 1 Watt/kg Körpergewicht wurde die Belastung alle 3 Minuten um weitere 0,5 Watt/kg Körpergewicht gesteigert (Drehzahl 70U/min). Der Belastungsblutdruck wurde demnach in den letzten 20 Sekunden der zweiten Belastungsstufe erfasst. Bei übergewichtigen Jugendlichen (BMI≥90. Perzentile) wurde das Belastungsdesign entsprechend ihres geschlechts- und altersabhängigen Normalgewichts gewählt (14). Das individuelle Belastungsschema ist vor Testbeginn manuell eingegeben und programmiert worden. Die Blutdruckmessung fand im Rahmen eines stufenförmigen submaximalen Belastungstests auf einem Fahrradergometer der Firma Siemens, Modell Ergomed 840, zur Bestimmung der PWC170 (Physical Working Capacity 170) als Maß für die körperliche (Ausdauer-) Leistungsfähigkeit statt. Die Herzfrequenz wurde mittels Brustgurt und Pulsuhr des Geräts X30 von Polar registriert.
Körpergröße und -gewicht wurden von jedem Probanden gemessen und daraus der Body-Mass-Index errechnet (kg/m²). Als Taillenumfang ist die schmalste Stelle des Bauchumfangs horizontal zwischen unterem Rippenbogen und der höchsten Stelle des Darmbeinkammes einmalig in cm erfasst worden (17). Der Quotient aus Taillenumfang und Körpergröße bildet den Taille-GrößenIndex (Waist-to-Height-Ratio). Die Teilnehmer wurden nach ihrer durchschnittlichen täglichen Bildschirmzeit (in Minuten) befragt. Dabei ist nicht zwischen Computer und Fernseher oder Wochentag differenziert worden.
Für jeden Probanden ist die auf Alter und Geschlecht bezogene BMI-Perzentile auf Basis der Referenzkurven für deutsche Stichproben nach Kromeyer-Hausschild et al. (14) ermittelt worden. Die Einteilung nach Übergewicht bzw. Adipositas erfolgte durch die 90. bzw. 97. Perzentile. Zur Interpretation der Werte zum Bauchumfang und Ruheblutdruck wurden die vom Robert-Koch-Institut publizierten Referenzperzentilen aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS) herangezogen (17). Ein Blutdruckmesswert oberhalb der 90. alters-, geschlechts- und größenabhängigen Perzentile wird als „hochnormal“ eingestuft. Eine Hypertonie ist als Persistenz der Ruhewerte ≥95. Perzentile definiert.
Zur Beurteilung des Fitnessniveaus wurde die Physical Working Capacity 170, gemessen als Watt/kg Körpergewicht, in die vier geschlechtsabhängigen Fitnesskategorien „sehr gering“, „gering“, „durchschnittlich“ und „gut“ eingeteilt (11).
Die statistische Berechnung des Datenmaterials geschah mit der Statistik-Software SPSS Version 16.0. In der Auswertung sind die Variablen als Mittelwerte ±1Standardabweichung dargestellt.
Für die Zusammenhangsanalysen wurden bivariate bzw. partielle Korrelationen für intervallskalierte Daten berechnet. Je nach Fragestellung gingen unter Berücksichtigung der statistischen Voraussetzungen für dieses Analyseverfahren als Kovariaten Alter und Körpergröße bzw. BMI ein. Mittelwertunterschiede sind eingangs mit Hilfe des t-Tests für unabhängige Stichproben geprüft und deren Signifikanz zusätzlich durch Kovarianzanalyse (ANCOVA) bezüglich der Kovariaten Alter, Geschlecht und Körpergröße bzw. BMI adjustiert worden. Für den Nachweis einzelner Variablen auf signifikante Zusammenhänge bzw. Unterschiede wurde ein Signifikanzniveau von α=5% (p≤0,05) angenommen.

ERGEBNISSE

In Tab. 1 sind die anthropometrischen Messdaten, Ruhe- und Belastungsblutdruck sowie körperliche Leistungsfähigkeit und Bildschirmzeit des untersuchten Kollektivs dargestellt. Geschlechtsunterschiede ließen sich bezüglich Belastungsblutdruck (p<0,01), Körpergröße und erreichter Wattzahl/kg Körpergewicht (p<0,001) ermitteln. Die Altersverteilung der Untersuchungsgruppe ist anhand Tab. 2 nachzuvollziehen.
Bei den alters- und körpergrößenadjustierten Korrelationsanalysen wurden Zusammenhänge zwischen systolischem (r =0,510) bzw. diastolischem (r =0,477; p<0,001) Blutdruck in Ruhe und während Ergometrie deutlich. Der BMI war mit dem systolischen Ruheblutdruck (r =0,329; p<0,001) sowie systolischem (r =0,308; p<0,001) und diastolischem (r =0,159; p<0,05) Blutdruck unter Belastungsbedingungen assoziiert. 12,7% der Probanden waren übergewichtig, davon 5,3% adipös. Der mittlere systolische bzw. diastolische Ruheblutdruck war bei Übergewichtigen (≥90.Perzentile) nach rechnerischer Korrektur für Alter, Geschlecht und Körpergröße um 9,2mmHg (p<0,001) bzw. 3,5mmHg (p<0,05) höher als bei Normalgewichtigen. Übergewicht machte einen im Mittel 9,4mmHg bzw. 6,4mmHg (p<0,01) höheren systolischen bzw. diastolischen Belastungsblutdruck aus (Abb. 1).
Der Taillenumfang korrelierte mit den systolischen (r =0,298; p<0,001) Ruhe- sowie systolischen (r =0,320; p<0,001) und diastolischen (r =0,191; p<0,05) belastungsinduzierten Blutdruckwerten (bereinigt für Alter und Körpergröße). Ein Bauchumfang oberhalb der 90. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile führte zu höheren systolischen Blutdruckwerten in Ruhe und bei Belastung (p<0,05) im Vergleich zum Rest des Kollektivs (Abb. 1). Hierbei fiel die alters-, geschlechts- und größenadjustierte mittlere Differenz zwischen den systolischen Blutdruckwerten unter Belastung größer aus als zwischen den Messwerten unter Ruhebedingungen (5,2mmHg vs. 8,6mmHg).
Die täglich vor dem Bildschirm verbrachte Zeit war mit dem systolischen und diastolischen (r =0,172 bzw. r =0,153; p<0,05) Belastungsblutdruck korreliert. Bei Herauspartialisieren der Variablen Alter, Körpergröße und BMI ergab sich kein signifikanter Zusammenhang mehr. 29% der Probanden kamen den Empfehlungen, sich weniger als 2Stunden am Tag vor dem Bildschirm aufzuhalten, nicht nach (1). Der mittlere systolische Belastungsblutdruck dieser Jugendlichen war unter Kontrolle des Einflusses von Alter, Geschlecht, Größe und BMI im Mittel um 3,2mmHg (p<0,01) höher, als bei Probanden mit einer Medienzeit von weniger als 2Stunden am Tag.
Zwischen der relativen Fitnessleistung (Watt/kg Körpergewicht) und dem systolischen (r =-0,206; p<0,001) bzw. diastolischen (r =-0,149; p<0,05) Blutdruck bei Belastung zeigte sich eine negative alters- und körpergrößenbereinigte Korrelation. 65,3% der Studienteilnehmer wiesen ein sehr geringes bzw. geringes Fitnessniveau auf. Der mittlere systolische Belastungsblutdruck fiel auch bei Adjustierung für Alter, Geschlecht und Größe in dieser Gruppe um 4,0mmHg (p<0,05) höher aus als bei Teilnehmern mit guter bzw. sehr guter Fitness. Bildschirmzeit und Fitness ließen keine signifikanten Assoziationen zum Ruheblutdruck erkennen.
Bei 90,4% der Jugendlichen wäre der systolische Ruheblutdruck gemäß KIGGS-Referenzperzentilen als normal (107,7±10,5mmHg) bzw. in 4,0% der Fälle als hochnormal einzustufen (127,1±5,6 mmHg). 5,7% der Messwerte wären als hyperton (≥95. Perzentile) zu klassifizieren (139,5±9,3mmHg). Auch unter statistischer Korrektur für Alter, Geschlecht und Größe zeigten Probanden mit einem systolischen Ruheblutdruck ≥90. Perzentile einen im Mittel 16,2mmHg (p<0,001) höheren systolischen Blutdruck unter Belastung (158,6±15,5mmHg) im Vergleich zu denjenigen, deren Ruheblutdruck als normal einzustufen war (142,4±15,4mmHg). Beide Gruppen unterschieden sich zudem im BMI und Taillenumfang sowie hinsichtlich der im Fitnesstest erbrachten Leistung (p<0,05). Wurde dagegen die Verteilung der belastungsinduzierten Blutdruckdaten durch die 90. Perzentile in zwei Gruppen geteilt, so waren alters-, geschlechts- und größenadjustierte Unterschiede im systolischen Ruheblutdruck (p<0,001), BMI (p<0,05) und Taillenumfang (p<0,01) festzustellen (Tab. 3). Die adjustierten Mittelwertunterschiede blieben bis zur 50. Perzentile signifikant.

DISKUSSION

Die Ergebnisse der Kieler Kinder EX.PRESS. Studie zeigen, dass der Belastungsblutdruck bereits bei Heranwachsenden mit weiteren Risikofaktoren korreliert. In der Studie konnten erstmals klassische Risikofaktoren, wie Übergewicht, hohe Medienzeiten und geringe Fitness, mit dem Belastungsblutdruck von 12- 17 Jährigen in Zusammenhang gebracht werden. Unseren Daten zufolge waren diese Assoziationen mit dem Blutdruck unter ergometrischer Belastung teilweise stärker als mit dem Ruheblutdruck ausgeprägt. Dass die Zusammenhänge, neben Alter, Geschlecht, Größe bzw. BMI, auch noch durch andere hier unberücksichtigte Kovariablen beeinflusst werden (z.B. sozioökonomische Faktoren), ist nicht auszuschließen.
Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichung in der Untersuchungsgruppe; anthropometrische Daten, Blutdruckmesswerte, körperliche Leistungsfähigkeit und Bildschirmzeit; ** p&lt;0,01, *** p&lt;0,001 für signifikante Geschlechtsunterschiede.Tabelle 2: Altersverteilung der Untersuchungsgruppe (n=229); Körpergröße, Gewicht, BMI, BMI-Perzentile, Taillenumfang, Waist-to-Height-Ratio, Ruhe- und Belastungsblutdruck (Mittelwerte±Standardabweichung).
Verschiedene Studien belegen, dass sich das Fitnessniveau im Kindes- und Jugendalter als unabhängiger Risikofaktor auf den Blutdruck auswirkt (2). Unsere Daten weisen darauf hin, dass diese Beziehung auch zum Blutdruck unter Belastung vorliegt. Der schwache Fitnesszustand bei rund einem Drittel der untersuchten Probanden ist damit ein zusätzlicher Risikofaktor, der mit der Ausprägung adulter Risikofaktoren einhergeht (12, 23).
Abbildung 1: Systolischer Blutdruck in Ruhe und bei Belastung von Jugendlichen mit einem BMI bzw. Taillenumfang unterhalb (weiß) bzw. oberhalb (grau) der 90. KIGGS-Referenzperzentile
Schon bei Jugendlichen mit mindestens hochnormalem Ruheblutdruck (≥90. KIGGS-Perzentile) konnten signifikant höhere Blutdruckwerte bei Belastung gemessen werden. Ebenfalls charakteristisch für diese Gruppe waren gesteigerte Adipositasparameter sowie geringe Fitnesswerte. Hierbei ist zu beachten, dass die Einordnung von Blutdruckmesswerten in aktuelle Referenzperzentilen lediglich eine statistische Orientierung zur Identifikation einer möglichen Hypertonie ermöglicht; die klinische Diagnose gründet dagegen auf weiterführenden Untersuchungen. Derartige Normperzentilen – wenn auch statistischer Natur – fehlen dagegen gänzlich für den Belastungsblutdruck bei Kindern und Jugendlichen. Ganz offensichtlich wurde die Messung dieses Parameters bisher immer vernachlässigt. In Ermangelung an ausreichend definierten Grenzwerten für den Ruhe- und Belastungsblutdruck ist derzeit keine risikobezogene Analyse von Blutdruckmesswerten bei Heranwachsenden möglich. Bezüglich der Entwicklung von Normwerten sollten daher besondere Anstrengungen unternommen werden.
Die Überprüfung des Blutdrucks während körperlicher Aktivität ist im frühen Lebensalter allein aus präventivmedizinischer Sicht sinnvoll, da auch ein hoher Belastungsblutdruck sehr wahrscheinlich bis ins Erwachsenenalter persistiert (5). Obwohl Prognosedaten erst Jahrzehnte später zur Verfügung stehen, können die in dieser Untersuchung korrelierenden Faktoren als zusätzliche Surrogatparameter behilflich sein, um den individuellen Vorhersagewert des Ergometrieergebnisses zu erhöhen. In der vorliegenden Arbeit wurden partielle Korrelationen berechnet und Kovarianzanalysen durchgeführt; als Alternative bieten sich in der Zukunft besonders für prospektive Betrachtungen auch Regressionsverfahren zur besseren Darstellung der vielfältigen Zusammenhänge und Interaktionen zwischen den untersuchten Parametern an. Die hier zwar signifikanten aber nur schwach ausgeprägten Korrelationen mit dem diastolischen Blutdruck sind hingegen der bei Kindern und Jugendlichen problematischen Bestimmung dieses Parameters geschuldet und spielen im Rahmen unserer Auswertung daher eine untergeordnete Rolle.
Tabelle 3: Systolischer Ruheblutdruck, BMI und Taillenumfang unterhalb bzw. oberhalb der 90. Perzentile des systolischen Belastungsblutdrucks (bei 1,5Watt/kg Körpergewicht) der Untersuchungsgruppe; dargestellt sind Mittelwerte ±Standardabweichung adjustiert für Alter, Geschlecht und Körpergröße; * p&lt;0,05, ** p&lt;0,01, *** p&lt;0,001 für signifikante Unterschiede.Insgesamt gilt es in weiteren Untersuchungen zu klären, wie sich eine Summierung einzelner Risikofaktoren auf den Blutdruck des Kindes auswirkt. Daten der „Young Finns Study“ weisen darauf hin, dass bestehende Risikofaktoren in der Jugend, Endorganveränderungen und -schäden im Erwachsenenalter begünstigen. Entsprechend den Ergebnissen dieser Studie scheint der in unserer Untersuchung erhobene Altersbereich für die gesundheitliche Perspektive wichtiger zu sein als das frühe Kindesalter (18).
Eine Limitation der vorliegenden Studie ist, dass die Belastungsblutdruckwerte für einen Transfer in den Alltag mittels ambulanter Blutdruck-Langzeitmessung erhärtet werden müssten. Der Blutdruck unter Belastung bei Erwachsenen ist jedoch auch ohne zusätzliche ABDM ein allgemein akzeptierter Parameter. Weiterhin kritisch zu werten ist die willkürliche Festlegung des Grenzwertes (1,5Watt/kg Körpergewicht) zur Bestimmung des Belastungsblutdrucks. Gegen die Durchführung von Maximalbelastungen spricht jedoch die klinische Praxis und Datenlage bei Erwachsenen, die selbst bei sehr grober Festlegung der Belastung (100Watt) deutlich bessere Prognosedaten zulässt als der Gelegenheitsblutdruck in Ruhe (9, 16). Unser Vorgehen ist damit schon wesentlich individueller als die gängige Praxis bei Erwachsenen.
Die Untersuchungsergebnisse der Kieler Kinder EX.PRESS. Studie geben erstmals einen Hinweis auf das Blutdruckverhalten bei submaximaler Belastung für den Altersbereich von 12 bis 17 Jahren. Unsere Daten deuten darauf hin, dass die erhobenen Risikofaktoren gegenüber dem Ruheblutdruck entweder stärker oder ausschließlich mit dem Belastungsblutdruck assoziiert sind. Zudem ließen sich signifikante Unterschiede in der Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren bereits bei niedrigeren als den bisher herangezogenen Perzentilen beobachten. Damit bietet die Studie einen Anhaltspunkt für eine Normwertdiskussion, weil aktuelle Perzentilenkurven völlig unzureichend am gesundheitlichen Risiko orientiert sind. Da jede Definition der Hypertonie danach verlangt, das individuelle kardiovaskuläre Risiko mit entsprechenden Risikofaktoren zu berücksichtigen (7), erfordert die Analyse des kindlichen bzw. juvenilen Blutdrucks insofern eine neue Herangehensweise.

Danksagung: Die Autorin ist Stipendiatin der FAZIT-STIFTUNG und
erhält finanzielle Unterstützung zur Realisierung des Forschungsvorhabens.

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Sportmedizin
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