Ausdauertrainingseffekte: Ergometrische Erfassung und
Zusammenhänge mit präventiver Trainingswirkung
Endurance Training Effects: Ergometric Assessment and Associations with Health Benefits
ZUSAMMENFASSUNG
Steigerungen der Ausdauerleistungsfähigkeit bei Freizeit- und Gesundheitssportlern lassen sich im Rahmen sportmedizinischer Untersuchungen fahrrad- oder laufbandergometrisch erfassen. Die Zielvariablen können eingeteilt werden in maximale Parameter (maximale Sauerstoffaufnahme, maximale Leistung/Geschwindigkeit) vs. submaximale Parameter (Laktatschwellen bzw. spiroergometrisch bestimmte Schwellen, Herzfrequenz bei definierter Leistung bzw. Physical Working Capacity) sowie in primär metabolische Parameter (Schwellen) vs. primär kardiozirkulatorische Parameter (Herzfrequenz). Bei Einzelfallbetrachtungen reagieren häufig nicht alle Parameter in gleicher Weise auf Ausdauertraining. Um auch bei fehlenden Veränderungen einzelner Zielgrößen Trainingserfolge nachweisen zu können, sollten daher mehrere Parameter unterschiedlicher Adaptations- und Messebenen betrachtet werden. Bei der Auswahl der Parameter sollte zudem der Trainingsreiz berücksichtigt werden. Während extensives Training eher submaximale Parameter anspricht, reagieren auf intensives Training insbesondere maximale Parameter. Als Entscheidungskriterium zwischen Leistungssteigerung und Spontanvariabilität kann der Variationskoeffizient für Messwiederholungen dienen. Knappe Entscheidungen müssen wegen der geringen statistischen Sicherheit jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Auch wenn Verbesserungen von ergometrischen Indikatoren der Leistungsfähigkeit, insbesondere solche der maximalen Sauerstoffaufnahme, in verschiedenen Studien mit einer günstigen Prognose assoziiert waren, kann noch keine endgültige Bewertung gegeben werden, inwieweit sie Voraussetzung für präventive Wirkungen sind. Es ist zudem keine Dosis-Wirkungs-Beziehung etabliert in dem Sinne, dass die Größenordnung der Ausdauertrainingseffekte Einfluss hat auf das Ausmaß präventiver Wirkungen. Es fehlt an Interventionsstudien, die die durchaus vielversprechenden Resultate von Beobachtungsstudien verifizieren oder falsifizieren.
Schlüsselwörter: Training, Ergometrie, Prävention, Response, Gesundheit:
SUMMARY
In recreational athletes, changes in endurance capacity are usually assessed by means of cycling or treadmill tests. Main outcome measures can be categorized into maximal parameters (maximal oxygen uptake, maximal power output/running velocity) vs. submaximal parameters (lactate or gas exchange thresholds, heart rate at a given power output or physical working capacity) and mainly metabolic (thresholds) vs. mainly cardiocirculatory parameters (heart rate). When assessing individual cases, parameters often do not respond consistently to training. To demonstrate endurance changes even if single parameters remain unchanged, multiple parameters representing different physiological systems and intensity domains should be evaluated. The training stimulus should also be considered. Extensive endurance training tends to elicit more pronounced changes in submaximal parameters, whereas high intensity training primarily addresses maximal parameters. To differentiate between endurance changes and spontaneous variability, the coefficient of variation of repeated measures can be used. However, close decisions should be interpreted cautiously due low statistical confidence. Although improvements in performance indicators and especially in maximal oxygen uptake are associated with favorable prognosis according to different studies, it cannot be appraised whether they are required for preventive effects. Furthermore, no dose-effect relationships are reported in the sense that the magnitude of performance changes affects the magnitude of health benefits. Intervention studies are lacking to verify or refute the quite promising results observational studies.
Key Words: Training, Testing, Prevention, Response, Health.
EINLEITUNG
Als Belastungs-EKG durchgeführte fahrrad- und laufbandergometrische Belastungen dienen im Rahmen sportmedizinischer Untersuchungen der Beurteilung der Sporttauglichkeit. Allerdings lassen sich auf diese Weise auch die aktuelle körperliche Leistungsfähigkeit sowie Ausdauertrainingseffekte erfassen. Während in der Leistungsdiagnostik mit Spitzensportlern Testprotokoll und Zielvariablen nicht selten durch Fachverband oder Kostenträger vorgegeben sind, obliegt die Auswahl bei Freizeit- und Gesundheitssportlern stärker dem Untersucher. Ihm fällt auch die Aufgabe zu, die Ergebnisse im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit und gesundheitliche Bedeutung zu interpretieren. In dieser Übersicht wird besprochen, wie der Trainingserfolg von Freizeit- und Gesundheitssportlern ergometrisch erfasst werden sollte und welcher Zusammenhang zwischen Leistungssteigerungen und präventiven Trainingseffekten auf individueller Ebene besteht.
DIE ERFASSUNG VON AUSDAUERTRAININGSEFFEKTEN IM FREIZEIT- UND GESUNDHEITSSPORT
Ergometrische Parameter
Der international gebräuchlichste Ausdauerkennwert ist die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max), die zusammen mit der maximalen Leistung und der maximalen Laufgeschwindigkeit zu den maximalen ergometrischen Parametern zählt. Sie bildet die gemeinsame Leistungsfähigkeit verschiedener zentraler (Herz, Kreislauf, Lunge) und peripherer (Arbeitsmuskulatur, Kapillarsystem) Systeme ab. Die Bestimmung der VO2max erfolgt spiroergometrisch mittels Rampen- oder Stufenprotokoll, das innerhalb von höchstens 25min zur Erschöpfung führen sollte (33). Bei der Interpretation von Maximalwerten muss berücksichtigt werden, ob die Testperson ausbelastet war. Der Grad der Ausbelastung kann anhand von maximaler Herzfrequenz, maximaler Blutlaktatkonzentration, maximalem respiratorischem Quotienten, maximalem Atemäquivalent sowie dem Auftreten eines Plateaus der Sauerstoffaufnahme beurteilt werden. Allerdings sind die erreichbaren Maximalwerte individuell unterschiedlich und hängen vom Belastungsprotokoll ab (34). Um die Ausbelastung im Längsschnitt vergleichen zu können, müssen Ausbelastungsparameter routinemäßig berichtet werden. In Studien sollte a priori definiert werden, welche Ausbelastungskriterien erfüllt sein müssen, wobei es hierfür keine einheitlichen Empfehlungen gibt (34). Mittlere Anstiege der VO2max durch gesundheitssportliches Ausdauertraining sind in Tabelle 1 dargestellt. Tendenziell werden durch intensives Training größere Adaptationen hervorgerufen als durch extensives (19).
Zu den submaximalen und primär kardiozirkulatorischen bzw. zentralen ergometrischen Parametern gehört die Herzfrequenz in Ruhe und während definierter submaximaler Leistung. Häufig werden die Herzfrequenz bei 50W oder die HerzfrequenzLeistungskurve (Herzfrequenz aufgetragen gegen Last oder Geschwindigkeit) dargestellt (6, 52). Umgekehrt kann die Leistung bei einer definierten Herzfrequenz von z.B. 130 oder 150min-1erfasst werden, was als Physical Working Capacity (PWC) bezeichnet wird. Die Herzfrequenz ist einfach und präzise zu erheben und eignet sich zur Erfassung von Veränderungen der Ausdauerleistungsfähigkeit im Zeitverlauf, jedoch nicht zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Querschnitt. Die Ruheherzfrequenz sollte im Liegen nach einer Ruhephase und nicht unmittelbar vor Belastungsbeginn erhoben werden. Die Belastungsherzfrequenz wird üblicherweise im Stufenprotokoll am Ende jeder Stufe erfasst. Da die Herzfrequenz zirkadiane Schwankungen aufweist, sollten wiederholte Messungen zur gleichen Tageszeit erfolgen (12). Tabelle 1 zeigt mittlere Effekte gesundheitssportlichen Ausdauertrainings auf die Herzfrequenz.
Die wichtigsten submaximalen und primär metabolischen bzw. peripheren Ausdauerkennwerte sind mittels Laktatdiagnostik oder Spiroergometrie bestimmte Schwellen. Die gesamte Laktat-Leistungskurve kann zur Beurteilung von Trainingseffekten betrachtet werden, allerdings lassen sich diese dann nicht quantifizieren. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen aeroben Schwellen, die den ersten Laktatanstieg repräsentieren, und anaeroben Schwellen, die im Bereich des maximalen Laktat-SteadyStates liegen. Verschiedene Bestimmungsmethoden aerober und anaerober Schwellen sowie ihre Bedeutung sind an anderen Stellen ausführlich erklärt (16, 32). Da für die Bestimmung von Laktatschwellen Stufenprotokolle und von ventilatorischen Schwellen Rampenprotokolle besser geeignet sind, ist eine simultane Durchführung beider Verfahren wenig sinnvoll. Bei den Messungen sollte der Abstand zur letzten Mahlzeit und Trainingseinheit protokolliert werden, da Glykogenverarmung einen Einfluss auf insbesondere fixe Laktatschwellen haben kann (16). Mittlere Effekte von gesundheitssportlichem Ausdauertraining auf Schwellen sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei der Auswahl der Zielparameter ist zu beachten, dass Schwellen auf niedrig-intensive Trainingsreize eher ansprechen als die VO2max(19).
Neben diesen klassischen Zielgrößen könnte sich zukünftig als submaximaler metabolischer Parameter die Fettflussrate etablieren, die aus den Atemgasen bestimmt und inzwischen von vielen Spiroergometrie-Softwareprogrammen ausgegeben wird. Die Fettflussrate wird in Stufentests mit 3 bis 6min Stufendauer als Kurve erhoben, die bei geringer Belastungsintensität zunächst ansteigt und etwa ab der individuellen anaeroben Schwelle steil abfällt (1). Alternativ wird die Fettflussrate bei definierter Leistung im Dauertest bestimmt. Sie ist in nüchternem Zustand am höchsten und wird durch die Nahrungszusammensetzung beeinflusst, weshalb bei wiederholten Messungen die Ernährung standardisiert werden muss (2). Anstiege der Fettflussrate durch Ausdauertraining sind in Tabelle 1 dargestellt. Im Gesundheitssport sind Trainingseffekte auf die Fettflussrate möglicherweise relevant, da sie mit der Insulinsensitivität (8) und Prävention von Übergewicht (28) assoziiert zu sein scheinen, was noch genauer zu untersuchen ist.
Insgesamt bieten sich zur Erfassung von Trainingsadaptationen verschiedene Parameter an, die je nach Trainingsreiz unterschiedlich große Effekte erwarten lassen. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, können die meisten Parameter in einem Test mit drei min-Stufenprotokoll bis zur Erschöpfung bestimmt werden, das darüber hinaus für Belastungs-EKG und Blutdruckmessungen zur Gesundheitsbeurteilung geeignet ist.
Leistungssteigerung oder Spontanvariabilität des Messwerts?
Bei Veränderungen eines Ausdauerkennwerts muss entschieden werden, ob es sich um eine „echte“ Leistungssteigerung oder eine Zufallsschwankung des Messwerts handelt. Jeder Parameter weist eine Spontanvariabilität auf, die sich aus technischem Messfehler und biologischer Schwankung zusammensetzt (20). Ein gängiges Maß zur Quantifizierung dieser Gesamtvariabilität ist der Variationskoeffizient für Messwiederholungen (18). Er drückt die Schwankungen über wiederholte Tests (den „typical error“ oder „standard error of measurement“) in Prozent des Gesamtmittelwerts aus. Da die Spontanvariabilität von Testkollektiv, Geräten, Bestimmungsmethode und Untersucher abhängt, wird sie idealerweise in jedem Untersuchungszentrum selbst erhoben. Zur Orientierung können jedoch auch Angaben aus der Literatur dienen, die in Tabelle 2 dargestellt sind.
Der Variationskoeffizient für Messwiederholungen ist ein Schätzwert und daher mit statistischer Unsicherheit behaftet. Als Entscheidungskriterium zwischen „echter“ Veränderung und Zufall schlagen verschiedene Autoren deshalb den Bereich vor, in dem die individuelle Spontanvariabilität mit 95%iger Sicherheit fällt. Um dieses Konfidenzintervall zu erhalten, wird der Variationskoeffizient für Messwiederholungen mit dem Faktor 2,8 (1,96∙√2) multipliziert (18). Bei dem resultierenden Grenzwert werden jedoch erst große Leistungssteigerungen signifikant, weshalb er nach Hopkins (18) als Kriterium für Einzelfallentscheidungen zu streng ist.
Insgesamt liefert die Literatur keine begründete praktikable Empfehlung, mit welcher statistischen Sicherheit Einzelfallentscheidungen getroffen werden sollten. Der einfache Variationskoeffizient für Messwiederholungen scheint ein praktikables Differenzierungskriterium zu sein, sofern knappe Entscheidungen vorsichtig interpretiert werden.
Individueller Trainingserfolg
Trainingsbedingte Leistungssteigerungen sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Abbildung 1 zeigt die Spanne von VO2max-Veränderungen in der HERITAGE Family Study, einer standardisierten Ausdauertrainingsstudie über eine Dauer von 20 Wochen Dauer (6). Diejenigen Teilnehmer, bei denen keine oder nur geringe VO2max-Veränderungen zu verzeichnen sind, werden in der Literatur als „Nonresponder“ oder „Low-Responder“ bezeichnet. Von fehlenden oder auffällig geringen Veränderungen durch Ausdauertraining ist allerdings nicht nur die VO2max betroffen. Individuelle Anpassungsmuster für verschiedene maximale, submaximale, primär metabolische und primär kardiozirkulatorische Parameter sind in Tabelle 3 für die Teilnehmer einer einjährigen gesundheitssportlichen Ausdauertrainingsstudie dargestellt (48). Bei horizontaler Betrachtung der Tabelle wird deutlich, dass alle Parameter bei einem Teil der Probanden unverändert blieben. Die vertikale Betrachtung zeigt allerdings, dass bei jedem Teilnehmer mindestens einer der vier Parameter auf das Training ansprach. Fehlende Veränderungen einer bestimmten Zielgröße bedeuten also nicht notwendigerweise fehlende Veränderungen anderer Zielgrößen (48, 57). Für die Ausdauerleistungsdiagnostik ergibt sich daraus, dass stets mehrere Parameter unterschiedlicher Adaptations- und Messebenen erfasst werden sollten, um im Einzelfall Trainingserfolge abzubilden.
DER ZUSAMMENHANG ZWISCHEN MESSBAREN FITNESSEFFEKTEN UND PRÄVENTIVER TRAININGSWIRKUNG
Die meisten Studien, die sich mit den langfristigen Auswirkungen regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Mortalität, die Morbidität oder Surrogatparameter auseinandersetzen, wählen als unabhängige Variable eher die Aktivität als die Fitness (39, 59). Das hat methodisch-logistische Ursachen, denn eine objektive Messung der Fitness erfolgt in der Regel ergometrisch, was einen weitaus größeren Aufwand erfordert als die Erfassung der Aktivität per Fragebogen. Dieser Unterschied kommt besonders zur Geltung, wenn große n-Zahlen untersucht werden (59). Aber es existieren durchaus epidemiologische Arbeiten, die die prognostische Bedeutung einer dokumentierten guten Fitness erfassen und belegen, sowohl in der Primär- (43) als auch in der Sekundärprävention (35). In einer Metaanalyse vergleicht Williams Beobachtungsstudien mit Aktivität als unabhängiger Variable mit solchen, die die Fitness als Bezugsgröße erfasst haben, und weist nach, dass die prognostische Bedeutung einer guten Fitness besser ist als die einer hohen Aktivität (62). Bei der Bewertung dieser Befunde ist zu bedenken, dass es sich in der Regel um Punktaufnahmen der Fitness handelt, die dann in Beziehung gesetzt werden zum langfristigen „outcome“. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob sich die Fitness im Beobachtungszeitraum verändert, und damit auch, ob eine Fitnessverbesserung zu prognostischen Vorteilen führt.
In der Regel wird in derartigen Untersuchungen die Fitness in Kategorien, z.B. in Quartile, eingeteilt (27, 56), für die dann separat das Risiko zu versterben oder zu erkranken berechnet wird. Solche Risiken, mathematisch zueinander ins Verhältnis gesetzt, ergeben das relative Risiko für die Mitglieder einer Kategorie, gemessen an einer anderen. Gern werden bei derartigem Vorgehen die beiden extremen Kategorien verwendet - maximale vs. minimale Fitness. Dabei fallen die mittleren Kategorien heraus, und deren Daten bleiben unberücksichtigt. Der Einbezug sämtlicher eingeschlossener Probanden kann durch eine dichotome Teilung (an einem „cut off “-Wert oder präzise in der Mitte, um Teilgruppen gleicher Größe zu erhalten) realisiert werden. Dabei besteht das Problem, dass Studienteilnehmer, deren Fitness in der Nähe (knapp darüber oder knapp darunter) des Aufteilungswertes (im dichotomen Fall also um den Mittelwert) liegt, verschiedenen Gruppen zugeordnet werden, obwohl sie sich wenig unterscheiden. Bedenkt man die Tag-zu-Tag-Schwankung ergometrischer Messungen, so würden verschiedene dieser Individuen bei der Untersuchung an einem anderen Tag u.U. in die andere Kategorie (also auf die andere Seite des Mittelwertes) geraten. Da sich voraussichtlich die durchschnittliche Prognose dieser Menschen nicht wesentlich unterscheidet, wird natürlich durch die notwendige Zuordnung jedes einzelnen Individuums zu einer der beiden Kategorien das Ergebnis „verwischt“. Dies geschieht ohnehin bereits, weil sich die mittlere Fitness der beiden Hälften weniger deutlich unterscheidet als beispielsweise diejenige der beiden extremen Quartile.
Ein deutlich besserer Ansatz besteht natürlich darin, die Entwicklung der Fitness durch mehrfache Messungen zu dokumentieren und eventuelle Änderungen im Hinblick auf ihre prognostischen Auswirkungen zu untersuchen. Ein solches Vorgehen erhöht allerdings den messtechnischen Aufwand erheblich, denn es müssen zwei statt einer ergometrischen Messung pro Person durchgeführt werden. Daher stehen nur an wenigen Orten die logistischen und personellen Ressourcen zur Verfügung, um eine hinreichend große Zahl von Personen in eine solche Studie einzuschließen.
Es ist insofern kein Zufall, dass die größte Untersuchung dieser Art an der Cooper Clinic in Dallas, einer der weltweit größten präventivmedizinisch ausgerichteten Einrichtungen, durchgeführt wurde (5). An knapp 10.000 Männern wurde demonstriert, dass eine Verbesserung der (initial schlechten) Fitness im Zeitraum von durchschnittlich fünf Jahren zu einer Verringerung der Mortalität um 25- 59% führte. Allerdings wurde die niedrige Mortalitätsrate derjenigen Gruppe, die zu beiden Messzeitpunkten als „fit“ (Bewertung anhand der Laufzeit bei einem Laufband-Stufentest) klassifiziert wurde, nicht erreicht.
Eine acht Jahre später publizierte statistisch-methodische Kritik (61) griff allerdings den reinen Beobachtungscharakter der Untersuchung auf und wies nach, dass mindestens ein Großteil der Resultate allein durch Spontanschwankungen der ergometrischen Messung zu erklären ist. Dies betrifft erneut insbesondere jene Studienteilnehmer, deren Fitness sich nah an der Trennlinie zwischen „fit“ und „unfit“ bewegt und die insofern leichter als andere durch Messschwankungen neu klassifiziert werden.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma der epidemiologisch angelegten Beobachtungsstudien stellt an sich nur die prospektive, kontrollierte Trainingsstudie dar. Dies gilt sowohl für die Primär- (29, 30) als auch für die Sekundärprävention (31, 36, 37). Nur in einem solchen Setting kann mit hinreichender Sicherheit kausal auf Effekte einer definierten körperlichen Aktivität geschlossen werden. Durch den Vergleich einer Trainings- mit einer Kontrollgruppe, die beide vor und nach der Interventionsperiode ergometrisch untersucht werden, können mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Kontraste der Fitnessentwicklung induziert werden. Darüber hinaus können Trainingsreiz und weitere unabhängige Variablen gut kontrolliert oder gar zur Stratifikation (Sicherstellung, dass bei der Randomisierung hinsichtlich eines Merkmals Gleichheit zwischen den Interventionsgruppen besteht) genutzt werden. Allerdings erlaubt ein derartiger Aufwand pro Teilnehmer (mehrfache Testung, Trainingskontrolle) häufig nicht die Untersuchung großer Probandenzahlen, so dass Trainingsstudien selten mit über 100 Teilnehmern aufwarten. Dies schränkt jedoch die Auswahl der Zielparameter ein, und Aussagen über die Mortalität werden unmöglich. Stattdessen zielen die Untersucher oft auf Surrogatparameter, beispielsweise kardiovaskuläre Risikofaktoren (CVRF). Offensichtlich sind unter diesen Rahmenbedingungen die zahlenmäßigen Voraussetzungen schlecht, um (z.B. korrelative) Beziehungen zwischen Änderungen der Fitness und Änderungen aussagekräftiger Zielparameter nachzuweisen. Denn einem gut nachweisbaren und von der Größenordnung (Effektstärke) relevanten Fitnessgewinn durch Training stehen im Mittel eher geringe Wirkungen auf CVRF gegenüber, wie Meta-Analysen zeigen (9, 14, 15, 17, 21, 22, 60).
Trotz dieser methodischen Schwierigkeiten existieren einzelne Beispiele prospektiver Untersuchungen, die sich mit der Frage nach der Bedeutung von Fitnessgewinnen auseinandersetzen. So wurden bereits Anfang der 90er Jahre bei den „Adelaide 1000“ über vier Jahre Gesunde verfolgt, die ein Ausdauertrainingsprogramm erhielten (49). Eine Kontrollgruppe existierte nicht. Die Auswertung erfolgte mit 342 Probanden, die je nach Ausmaß der VO2max Veränderung in „Responder“ (mehr als 5% Verbesserung) und „Non- bzw. Low-Responder“ unterteilt wurden. Allerdings zeigten sich mit Blick auf die kardiovaskulären Risikofaktoren keine wesentlichen Gruppendifferenzen. Auch in einem Vergleich verschiedener Trainingsprotokolle über 24 Monate ergaben sich lediglich geringfügige Effekte auf Blutlipide, die statistisch nicht abzusichern waren (13). Erwähnenswert ist lediglich, dass jene Intervention mit dem intensivsten und häufigsten Trainingsreiz sowohl den größten durchschnittlichen Gewinn an maximaler Sauerstoffaufnahme als auch an HDL-Cholesterin-Konzentration hervorrief. Die wohl bekannteste - allerdings unkontrollierte - Längsschnittuntersuchung ist die HERITAGE Family Study, aus der diverse Publikationen hervorgegangen sind. Über 20 Wochen unterzogen sich 750 gesunde Probanden einem fahrradergometrischen Training. Beziehungen zur Größenordnung der Fitnessveränderungen wiesen im Wesentlichen anthropometrische Variablen auf (63), während HDL-Cholesterin (25), Insulinsensitivität (7), CRP (24) und ApoE-Polymorphismen keine relevanten Korrelationen zu Tendenzen der VO2max zeigten.
Etwas günstiger stellen sich einige Befunde in der Sekundärprävention dar. So konnte eine Leipziger Arbeitsgruppe in einer hochrangig publizierten Arbeit nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen Fitnessveränderungen und Progression der koronaren Herzkrankheit (KHK) im Rahmen eines 6-jährigen Trainingsprogramms besteht (38). Zwar blieb die Zahl untersuchter Patienten für diese Fragestellung mit 53 moderat, aber die invasive Quantifizierung des KHK-Ausmaßes sowie der gewählte kontrollierte Ansatz geben der Studie besonderes Gewicht. Möglicherweise deutet die hohe Gesamtdauer des Programms darauf hin, dass entsprechende Ansätze nicht zu kurzfristig angelegt sein dürfen, weil gesundheitlich wertvolle Veränderungen in kleineren Zeiträumen nicht zu erzielen sind. Dies würde allerdings wissenschaftliche Untersuchungen auf diesem Sektor weiter erschweren. Außerdem weist es darauf hin, dass es neben der Fitness weitere Faktoren geben muss, die als Prädiktoren für gesundheitsförderliche Effekte verantwortlich sind, denn die ergometrisch messbaren Fitnessverbesserungen stellen sich in der Regel vergleichsweise schnell ein (47). Dagegen weisen erste Befunde an chronisch herzinsuffizienten Patienten darauf hin, dass die „Training-Responsiveness“, das Ansprechen auf einen gegebenen Trainingsreiz, bereits nach einem nur 4- 8-wöchigen Training prognostische Bedeutung besitzt (55). Zielparameter in dieser Studie an 155 Patienten war zwar nicht die Mortalität, aber mit dem „ereignisfreien Überleben“ durchaus ein patientenrelevanter Aspekt.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Bei fahrrad- oder laufbandergometrischen Leistungsdiagnostiken sollten mehrere Zielparameter unterschiedlicher Adaptations- und Messebenen erhoben werden, um auch bei fehlenden Veränderungen einzelner Variablen Trainingserfolge nachweisen zu können. Zudem sollte bei der Auswahl der Zielgrößen die Art des Trainingsreizes berücksichtigt werden. Während extensives Training eher submaximale Parameter anspricht, reagieren auf intensives Training insbesondere maximale Parameter. Als Differenzierungskriterium zwischen Leistungssteigerung und Spontanvariabilität kann der Variationskoeffizient für Messwiederholungen dienen. Knappe Entscheidungen müssen wegen der geringen statistischen Sicherheit jedoch mit Vorsicht interpretiert werden.
Zwar weisen Beobachtungsstudien darauf hin, dass der prognostische Benefit einer guten Fitness höher ist als der einer umfangreichen Aktivität. Allerdings sind fast alle beobachtenden Untersuchungen durch ihre Beschränkung auf nur einen Messzeitpunkt limitiert. Interventionelle Studien blieben bislang ohne überzeugenden Nachweis für die Bedeutung von Fitnessverbesserungen. Allerdings hatten sie oft für harte Endpunkte eine zu kleine Probandenzahl oder wiesen eine zu kurze Trainingsdauer auf. Einzelne Ergebnisse deuten an, dass es in der Sekundärprävention besonders wichtig sein könnte, Trainingsprogramme auf objektivierbare Fitnesseffekte abzustellen.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine
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Dr. phil. Friederike Scharhag-Rosenberger
Deutsche Hochschule für Prävention und
Gesundheitsmanagement
Hermann-Neuberger-Sportschule 3
66123 Saarbrücken
E-Mail: fsr@exercise-science.de