Doping - Prävention
EDITORIAL

Die ärztliche Sportbetreuung im Kontext der Dopingproblematik

Medical Support of Athletes in Context of Doping

Prof. Dr. Heiko Striegel Medizinische Universitätsklinik, Eberhard Karls Universität TübingenDie Betreuung von Sportlern setzt nicht nur im Leistungs- und Hochleistungssport, sondern auch im Freizeit- und insbesondere im Fitnesssport die Kenntnis dopingrelevanter Fragestellungen voraus. In der Versorgung letztgenannter Personen sind besonderes Fachwissen in Bezug auf Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen durch den Konsum von Dopingsubstanzen, aber auch Erfahrungen in der Dopingprävention notwendig. In der Betreuung von Spitzensportlern ist es zudem die Kenntnis der einschlägigen Anti-Doping Regularien, wie sie im World Anti-Doping Code und der jährlich überarbeiteten Verbotsliste erforderlich.
Während im Fitnesssport der Gebrauch von anabolen Substanzen, insbesondere Anabol-Androgener-Stroide, häufig in der Kombination mit der Einnahme leistungssteigernder illegaler Drogen, vor allem Kokain, dominiert (4), scheint sich im übrigen Freizeitsport ein buntes Bild an Substanzen zu ergeben, die zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Der Gebrauch von Dopingsubstanzen ist im letztgenannten Bereich von der Art des ausgeübten Sports, der jeweiligen Verfügbarkeit der Substanzen und den finanziellen Ressourcen des Athleten abhängig. Verlässliche Daten hierzu existieren in der wissenschaftlichen Literatur nicht. In gleicher Weise finden sich keine zuverlässigen Daten zur Art der Dopingsubstanzen, die im Leistungs- und Hochleistungssport gebraucht werden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass im Ausdauersport vor allem der Konsum des Peptidhormons Erythropoietin dominiert, während in Kraft- und Schnellkraftsportsportarten Wachstumshormone und schwer nachweisbare anabole Substanzen, unter anderem Designer Steroide gebraucht werden.
Sollte der Sportarzt bei einem Sportler den Verdacht des Gebrauchs von Dopingsubstanzen haben, so ist es seine Aufgabe, dies im Arzt-Patienten-Gespräch konkret anzusprechen, um durch entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einen künftigen Dopingsubstanzkonsum des Sportlers abzuwenden. Hierbei ist die ärztliche Schweigepflicht zu wahren (5). Auf keinen Fall darf der Mediziner den Sportler beim Doping unterstützen, sei es durch Überwachung des Dopings oder sogar die Verabreichung von Dopingsubstanzen. Gerade letzteres stellt einen Verstoß gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) dar. In §6a AMG ist das Verbot, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden, gesetzlich normiert und wird je nach Schwere des Delikts mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft (3). Die Unterstützung des Dopings kann zudem berufsrechtliche Sanktionen bis hin zum Entzug der Approbation nach sich ziehen und bei angestellten Ärzten in Krankenhäusern, Universitäten oder Olympiastützpunkten arbeitsrechtliche Folgen mit der Möglichkeit zur fristlosen Kündigung haben. Überdies sieht sich der betreffende Mediziner weiteren zivilrechtlichen Folgen, wie beispielsweise Schadensersatzforderungen ausgesetzt. Letzteres kann den Fall betreffen, dass der Arzt einem Spitzensportler Medikamente verordnet die auf der Verbotsliste stehen und diesen nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die Einnahme des Medikaments bei der Dopingkontrolle angegeben bzw. eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt werden muss. Kommt es in diesem Fall zu einem positiven Befund bei einer Dopingkontrolle, so hat der Arzt insoweit seine Aufklärungspflicht gegenüber dem Sportler verletzt.
Im Kontext der Dopingproblematik ist es eine wesentliche Aufgabe des Sportmediziners, bereits vor dem Erstkontakt mit Dopingsubstanzen präventiv auf Sportler einzuwirken. Aufgrund des spezifischen Fachwissens werden Sportmediziner von Athleten nicht nur im Falle von Erkrankungen oder Verletzungen, sondern gerade in Bezug auf dopingrelevante Fragestellungen als wichtige Informationsquelle angesehen (4). Dies kann sich der Arzt in der primären Dopingprävention zu nutze machen, sei es als Anti-Doping Beauftragter in Sportverbänden, in der Betreuung von Sportvereinen oder in der täglichen ärztlichen Praxis. Denn oberstes Ziel der Prävention sowohl im Leistungs- und Hochleistungsport, als auch im Freizeit- und FitnessSport muss es sein, Jugendliche und junge Erwachsene bereits vor dem Erstkontakt mit Dopingsubtanzen zu sensibilisieren, um die Gefahr eines nachfolgenden Konsums zu reduzieren (1).
Athleten dürfen darüber hinaus beim Sportarzt neben einer spezifischen Fachkenntnis hinsichtlich zulässiger oder verbotener Medikamente und Nahrungsergänzungsmitteln (2) auch zu medizinischen Ausnahmegenehmigungen besondere Kenntnisse erwarten. Die Aufgabe des der Arztes ist es somit, den unbeabsichtigten Verstoß der Athleten gegen die Anti-Doping-Bestimmungen vorzubeugen. Die Statistiken der positiven Trainings- und Wettkampfkontrollen der letzten Jahre zeigen, dass es bei jugendlichen Spitzensportlern und im Seniorenwettkampfsport in dieser Hinsicht erhebliche Wissensdefizite gibt. Vor dem Hintergrund, dass sich das Verfahren der medizinischen Ausnahmegenehmigungen in den vergangenen Jahren mehrfach geändert hat, benötigen Sportler hier eine professionelle Unterstützung.
Ein ganz anderes Problem stellt sich für die Sportmediziner, die gleichzeitig in unterschiedlichen Funktionen des Sports tätig sind. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Spannungsfelder Leistungssportbetreuung versus Anti-Doping Forschung und Leistungssportbetreuung versus administrative AntiDoping Tätigkeiten.
Die Leistungssportbetreuung einerseits und die Forschungstätigkeit im Bereich von Verfahren zum Nachweis von Dopingsubstanzen andererseits, schließen sich sicherlich gegenseitig aus. Gleiches gilt für die Spitzensportbetreuung und die Erforschung von Nebenwirkungen unter gleichzeitiger Gabe von Dopingsubstanzen. Werden bei der Erforschung von Nebenwirkungen jedoch keine Dopingsubstanzen verabreicht, so können beide zuvor genannten Tätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen durchaus miteinander in Einklang gebracht werden. Als unproblematisch ist die Tätigkeit in der Leistungssportbetreuung und gleichzeitige Forschungstätigkeit im Bereich der Dopingepidemiologie anzusehen.
Interessenskonflikte können entstehen, wenn der Spitzensportler betreuende Mediziner gleichzeitig administrative AntiDoping Tätigkeiten ausübt, beispielsweise als Mitglied in einer Anti-Doping Kommission, einer TUE-Kommission, oder als Mitglied eines List-Komitees. Insoweit kann es einerseits wünschenswert sein, wenn in den genannten Gremien die spezifischen Belange des Leistungs- und Hochleistungssports bei der Entscheidung Berücksichtigung finden, andererseits benötigen die Gremien für eine sachgerechte Entscheidung einen neutralen Experten. Dieser muss, auf der Basis der rechtlichen Vorgaben, seine Entscheidungen unabhängig treffen und darf nicht von verbandspolitischen Interessen beeinflusst sein oder gar als Interessensvertreter des Sportlers auftreten.
Es ist die Aufgabe der nationalen und internationalen sportmedizinischen Dachorganisationen für ihre Mitglieder entsprechende Leitlinien, sogenannte „conflict of interest policies“, zu erarbeiten, die das Handeln und den Entscheidungsprozess des einzelnen Arztes bzw. der jeweiligen Kommissionen transparenter, nachvollziehbarer und sicherer machen.
Die „conflict of interest policies“ sollten zunächst die Voraussetzungen, d.h. das Anforderungsprofil definieren, die der Experte erbringen muss, um Mitglied der jeweiligen Kommission zu werden. In einem zweiten Schritt sollten diese Leitlinien vorgeben, welche Betreuungsaufgaben im Spitzensport grundsätzlich mit der Tätigkeit in der entsprechenden Kommission vereinbar sind. Abschließend kann auf der Basis der Vorgaben der „conflict of interest policies“ geprüft werden, ob die entsprechenden Tätigkeiten eines Arztes im Spitzensport einerseits und in der Anti-Doping Administration andererseits im konkreten Fall miteinander vereinbar sind oder nicht.
Die nationalen und internationalen sportmedizinischen Dachorganisationen sollten sich bei der Erstellung von „conflict of interest policies“ bewusst sein, dass der Sportmediziner schützenswert ist. Ergibt die Abwägung von Nutzen und Schaden durch den Sportmediziner, dass sich beide Tätigkeiten miteinander vereinbaren lassen, kann er sich bei Problemen auf die Vorgaben seiner Fachgesellschaft berufen. Wenn sich der Interessenskonflikt nicht lösen lässt, muss dem betreffenden Sportmediziner dazu geraten werden, eine der potentiell konfliktträchtigen Tätigkeiten aufgeben.

Literatur

  1. Goldberg L, Elliot D, Clarke GN, MacKinnon DP, Moe E, Zoref L, Green C, Wolf SL, Greffrath E, Miller DJ, Lapin A Effects of a multidimensional anabolic steroid prevention intervention. The Adolescents Training and Learning to Avoid Steroids (ATLAS) Program. JAMA 276 (1996) 1555- 1562.
  2. Lun V, Erdman KA, Fung TS, Reimer RA Dietary supplementation practices in Canadian high-performance athletes. Int J Sport Nutr Exerc Metab 22 (2012) 31- 37.
  3. Rehmann WA Arzneimittelgesetz (AMG). C.H. Beck Verlag, München, 2013.
  4. Striegel H, Simon P, Frisch S, Roecker K, Dietz K, Dickhuth HH, Ulrich R Anabolic ergogenic substance users in fitness-sports: A distinct group supported by the health care system. Drug Alcohol Depend 81 (2006) 11- 19.
  5. Wiesing U Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer – Doping und ärztliche Ethik. Deutsches Ärzteblatt 106 (2009) A360- A364.