Gesundheit und Bewegung
STELLUNGNAHME
Stellungnahme zum Gesetz Bekämpfung von Doping im Sport

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport.

Statement of the German Association for Sports Medicine and Prevention
on the Draft Bill of a Law on the Fight against Doping in Sports

ZUSAMMENFASSUNG

Die organisierte deutsche Sportmedizin hat sich seit jeher klar und eindeutig gegen jede Form von Doping ausgesprochen und sich in den letzten Jahrzehnten aktiv an der Definition, welche Maßnahmen ärztlich erlaubt und nicht erlaubt sind, beteiligt.
Im neuen Anti-Doping-gesetzwird der bisherige im Arzneimittelgesetz geregelte Tatbestand des Dopings durch nichtmedizinische Anwendung im Sport in einen strafrechtlichen Grundsatz des Verbotes des Selbstdopings erweitert und eine Strafbarkeit des Besitzes nur für Leistungssportler und einem hohen Strafrahmen analog zum Betäubungsmittelgesetz geschaffen.
Für die sportärztliche Tätigkeitergeben sich keine wesentlichen Veränderungen. Die DGSP befürchtet, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht die Bekämpfung des Dopings erfüllt, sondern zu einer Verwirrung der Begrifflichkeiten und der Rechtspraxis führt. Die grundlegenden Begriffe „Sport“ und „Doping“ sind im Gesetz nicht eindeutig definiert und unterscheiden sich von den international gültigen Regelungen des Welt-AntiDoping-Codes.
Der Staat verkenntdie erheblichen Anstrengungen und Erfolge im Kampf gegen Doping und greift mit dem Gesetz in die Selbstorganisation des Sports ein. Die Probleme des unkontrollierten Einsatzes von Dopingmitteln in der Bevölkerung werden nicht adressiert. Durch die durch das Gesetz induzierte Konkurrenz von Sport- und Strafrecht kann es zu vollkommen unterschiedlichen Bewertungen desselben Sachverhaltes kommen.
Die DGSP fordert in der Bundesrepublik Deutschland den Facharzt für Sportmedizin besonders unter dem Aspekt Doping-Prävention einzuführen, da dieser für die Weiterentwicklung des Faches „Sportmedizin“ und den verantwortlichen Umgang mit medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungsmethoden bei Sportlern unter dem Aspekt „AntiDoping“ essentiell ist.

SCHLÜSSELWÖRTER:
Sportarzt, Integrität des Sports, Selbstdoping

SUMMARY

Organized german Sports Medicine has always clearly and unmistakably spoken out against any form of doping and has been an active player in defining which provisions are is medically allowed and which aren’t.
The new anti-Doping law extends the current Drug-Law definition of doping, which regulates non-medical application in sports, to include a ban on self-doping and criminal liability of competitive athletes in a punitive framework analogous to that of the narcotics.
No substantial changes will apply to the position and functions of sports physicians. The DGSP, however, fears that the existing draft bill does not fight doping, but will lead instead to puzzling terminology and legal practice. The basic terms of “Sport” and “Doping” are not defined clearly within this law and differ from the internationally applied rules of the World Anti-Doping Code.
The State encroaches on the self-organization of sports and underestimates the massive efforts and successes in the fight against doping. The problems of uncontrolled application of doping substances in the population are not addressed by this law. The regulations of this draft bill induce an opposition of sport- and criminal justice which can lead to entirely different evaluations of the same facts.
Especially with regard to aspects of doping prevention, the DGSP demands much more efforts. Among these, the introduction of structured training for a “Medical Specialist in Sports Medicine” in the Germany is urgent and pending. This would enable further development of the discipline “Sports Medicine” as well as to promote the responsible dealing with medical and non-medical treatment modalities of athletes with regard to the essential aspects of “Anti-Doping”.

KEY WORDS:
Sports Physician, Integrity of Sports, Self-Doping

EINLEITUNG

Die organisierte deutsche Sportmedizin hat sich seit jeher klar und eindeutig gegen jede Form von Doping ausgesprochen, und sich in den letzten Jahrzehnten aktiv an der Weiterentwicklung des Diskurses über die Werte und Inhalte von Sport und der Definition von ärztlich erlaubten und nicht erlaubten Maßnah­men aktiv beteiligt.
Sie hat sich 1977 und 1988 klar gegen die Abgabe leistungssteigernder Medikamenten mit Begrün­dungen wie „Substitution“ oder „Therapie“ gestellt und diese Position seither immer nachdrücklich vertreten.
Sie hat sich zuletzt mit der Erklärung der Hoch­schullehrer 2011 nochmals klar von Leistungsmani­pulationen und falscher medizinischer Begründung des Gebrauchs von Medikamenten und Methoden distanziert und Doping als unvereinbar mit den Zielen der Deutschen Gesell­schaft für Sportmedizin und Prävention bezeichnet.
Sportärzte stehen für eine fachgerechte medizinische Be­handlung gesundheitlicher Probleme von Sportlern und für medizinische Prävention von Erkrankungen, Überlastung und Verletzungen. Sie sind in bester medizinischer Tradition für ihre Patienten da.
Den Anspruch der Sportmedizin setzt der „Olympic Mo­vement Medical Code” vom 1. Oktober 2009, der vom IOC unter Einbeziehung des Weltsportärztebundes FIMS, der Internatio­nalen Spitzenfachverbände und führender Sportmediziner erarbeitet wurde. Darin heißt es im Abschnitt B.3:
„Athletes’ health care providers should act in accordance with the latest recognised medical knowledge and, when avai­lable, evidence­based medicine. They should refrain from per­forming any intervention that is not medically indicated, even at the request of the athletes, their entourage or another health care provider”.

AKTUELLE PROBLEME DES ANTI-DOPINGS AUS SICHT DER SPORTMEDIZIN

Für Ärzte in der sportmedizinischen Praxis an der Hochschu­le und in der Verbandsbetreuung haben die Regelungen des Arz­neimittelgesetzes (AMG) unmittelbare Auswirkung. Das AMG regelt den Gebrauch von Medikamenten und Blutprodukten. Da Ärzte das Arzneimittelgesetz als Teil des Berufsrechts be­achten müssen und kennen, ist kein unbedingter Vorteil daraus zu sehen, wenn Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes in ein Anti­Doping­Gesetz überführt werden. Dadurch ändern sich die tatsächliche Arbeits­und Rahmenbedingungen des Arztes nicht.
Im Falle schon des Verdachtes auf Handel mit Doping­substanzen stehen schon jetzt den Strafverfolgungsbehörden weitgehende Rechte bis hin zur Überwachung der Telekommu­nikation zur Verfügung. Insgesamt sind die Möglichkeiten der Strafverfolgung, insbesondere durch die Bildung von Schwer­punktstaatsanwaltschaften in einzelnen Ländern, wirkungs­voll, werden aber nicht immer vollständig angewendet („Voll­zugsdefizit“).
Die Sanktionen, die Ärzte bei Verstoß gegen das AMG im Bereich Anti­Doping treffen, gehen weit über die unmittelba­ren Sanktionen des AMG hinaus. Unmittelbare berufsrechtli­che Folge ist unter Umständen das Ruhen oder der Verlust der Approbation.
Auch sehen die Arbeitsverträge öffentlicher Arbeitgeber in vielen Fällen bereits die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung bei Involvierung eines Mitarbeiters in Doping­aktivitäten vor, bei Beamten die Entlassung aus dem Dienst mit Verlust der Ruhebezüge.
Wenn auch das Risiko der Involvierung von Ärzten in Doping­aktivitäten unserer Ansicht als sehr gering eingeschätzt wird, können doch spezielle persönliche Situationen auch unter den jetzigen Bedingungen Ärzte verleiten, an Dopingaktivitäten teilzunehmen. Deshalb ist gerade hier die Prävention ganz be­sonders wichtig, um eine Anbahnung solcher Aktivitäten zu verhindern.
Das jetzige Doping-Kontrollsystem setzt die Athleten einem hohen Kontrolldruck aus mit Einschränkung der Persönlichkeitsrechte, die weit über das Übliche gegenüber der Normalbe­völkerung gehen. Forschungs- und Förderungsmaßnahmen des Anti­-Dopings sollten unbedingt auf intelligente Weise helfen, kritische Phasen des Trainingsprozesses von Doping­affinen Athleten zu überwachen. Daher sollen Anstrengungen darauf verwendet werden, kritische und vulnerable Gruppen von Athleten und Trainingsgruppen zu erkennen, die für Doping empfänglich sind und entsprechend die Maßnahmen auf diese Risikogruppen zu konzentrieren.
Nach Expertenmeinung würde eine weitere zahlenmäßige Vergrößerung der Dopingkontrollen nur den Aufwand, nicht aber die Anzahl der positiven Kontrollen vergrößern. Zum Beispiel ist in der USA eine Vielzahl von Doping­Vergehen im Radsport oder Baseball nicht über Doping­Kontrollen, sondern über Zeugenaussagen, Einsatz verdeckter Ermittler sowie über gezielte Fahndungs­und Überwachungsmaßnahmen sowie Zusammenarbeit zwischen staatlichen und sportlichen Behör­den aufgedeckt worden.
Entsprechend einer Mehrzahl der EU­Staaten fordert die DGSP in der Bundesrepublik Deutschland den Facharzt für Sportmedizin ganz besonders unter dem Aspekt Doping-Prävention einzuführen. Die Weiterbildung von Fachärzten wie Orthopäden, Internisten, Allgemeinmedi­zinern, u.a. mit der Zusatzbezeichnung Sportmedizin ist zwar wertvoll, ist aber nicht prägend genug für das Berufs­bild des Sportmediziners in Deutschland. Deshalb sind eine Professionalisierung der Betreuung im Leistungssport und die Facharztbezeichnung „Sportmedizin“ für die Weiterent­wicklung des Faches und den verantwortlichen Umfang mit medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungs­methoden bei Sportlern unter dem Aspekt „Anti­Doping“ sehr wichtig

VERBESSERUNGSVORSCHLÄGE ZUM ANTI-DOPING

1. Eine klare staatliche Anerkennung der sportlichen Schiedsgerichtsbarkeit;
2. Stärkere Professionalisierung der Ärzte im Leistungssport und Einführung des Facharztes Sportmedizin;
3. Stärkung der Prävention von Doping;
4. Stärkung  der Forschungüber die reine Dopinganalytik hinaus mehr zu präventiven Ansätzen, die ethische, psycho logische, soziale und ökonomische Ansätze einbeziehen;
5. Schnellerer Austausch von Informationenzwischen Strafverfolgungs­und Anti­Doping­Behörden;
6. Weitere Einrichtung von ausreichend ausgestatteten  Schwerpunktstaatsanwaltschaften durch die Länder;
7. Verbesserung der Finanzierung.

ZUM GESETZESENTWURF

Die DGSP erlaubt sich im Folgenden zum Inhalt des Referenten­entwurfs Stellung zu nehmen:

Allgemeines
Im neuen Anti­-Doping­-Gesetz wird der bisherige im Arznei­mittelgesetz geregelte Tatbestand des Dopings durch nicht medizinische Anwendung im Sport in einen strafrechtlichen Grundsatz des Verbotes des Selbstdopings erweitert und eine Strafbarkeit des Besitzes nur für Leistungssportler und einem Strafrahmen analog zum Betäubungsmittelgesetz geschaffen.
Die Ziele formuliert der § 1: „… um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler zu schützen, die Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben zu sichern und damit zur Erhaltung der Integrität des Sports beizutragen”.
Es verwundert auf den ersten Blick, dass ein Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport keinen dieser Begriffe defi­niert. Im vorliegenden Entwurf ist unklar, was unter „Doping” und was als „Sport” verstanden wird. Ein zweiter Blick zeigt allerdings, dass dieser Entwurf die beiden Begriffe nicht defi­nieren kann, weil er zwei unterschiedliche Regelungsbereiche aufweist.
§ 2 übernimmt im Wesentlichen die bis heute geltende Re­ge­lung des AMG und stellt auf einen „Sport” als „körperliche Bewegung” ab. Damit verzichtet diese Definition also auf jeden Wettbewerbsbezug, weshalb auch Fitness und Bodybuilding erfasst sind. Deshalb kann „Doping“ nach dieser Definition auch nicht auf einen Wettbewerbsvorteil bezogen werden, sondern nur etwas mit der Steigerung der natürlichen Leistungsfähig­keit zu tun haben.
§ 3 dagegen versteht unter „Sport“ den Wettbewerb des organisierten Sports (unter Einbeziehung des § 4 Abs.6 sogar nur des Spitzensports), weshalb „Doping“ auf unerlaubten Wett­bewerbsvorteil abstellen kann, dadurch aber in Abgrenzung zu (allgemeiner) Wettkampfmanipulation gerät, die aber definito­risch überhaupt nicht angegangen wird. Es wird nicht deutlich, warum von den möglichen Wettbewerbsmanipulationen nur das Doping strafrechtlich erfasst werden soll.
Völlig unterschieden sind auch die Schutzzwecke dieser Be­kämpfung. § 1 ist daher ungenau und irreführend.
Denn § 2 kann – wie das AMG bisher – nur die Volks­gesundheit meinen, was die Erläuterungen auf S.28 bestätigen: „Schutzgut der Verbotsnorm ist die Gesundheit der Allgemein­heit, die vor der Inverkehrgabe dieser Mittel zu Dopingzwecken schon im Vorfeld bewahrt werden soll“ ; dies zeigt auch die deutliche Anlehnung der Tathandlungen an das BtMG (vgl. Erläuterungen S.25). Deshalb wird (wie im geltenden Recht des AMG) der Besitz von Dopingmittel nur bei nicht geringer Menge sanktioniert, weil darin ein Indiz für Handelstreiben gesehen wird (Erläuterungen S.27). Der Hinweis § 1 und in den Erläuterungen auf S.24 (gemeint sei der „Gesundheitsschutz“) ist unhaltbar. Genauer sind auch hier die Erläuterungen (S.27 ff.), dass es sich bei den Dopingmitteln „häufig um Arzneimittel handelt“, was bedeutet, dass sie in erster Linie therapeutischen Zwecken dienen würden und darin nicht vom Verbot erfasst werden dürften (S.28).
Das geltende Recht (wie auch der Entwurf) versucht diese Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen Mitteln durch ein subjektives Merkmal durchzuführen (verboten daher nur, wenn [ausschließlich] gedacht zum Zweck des Dopings im Sport), was an sich schon sehr problematisch ist, aber offensichtlich heute (als geltende Regelung des AMG) hinge­nommen wird. Konsequent zur Zwecksetzung des § 2 kann daher aus dieser AMG­analogen­Definition heraus auch das Eigendoping als solches nicht (straf)rechtlich verboten wer­den.
§ 3 dagegen stellt auf den anderen Schutzbereich des § 1 ab: auf Sicherung der „Fairness und Chancengleichheit bei Sport­wettbewerben“ und damit auf den Beitrag „zur Erhaltung des Integrität des Sports“. Allerdings wird in § 4 Abs.6 die Strafbar­keit auf Sportler beschränkt, die ihren Wettkampf auf hohem Niveau betreiben bzw. erhebliche Einnahmen aus der sport­lichen Tätigkeit ziehen, weil sie für den organisierten Sport stehen, Vorbilder darstellen und das Vertrauen in Anspruch nehmen, ihre sportlichen Erfolge mit lauteren Mitteln erlangt zu haben (so Erläuterungen S.35). Zusätzlich wird hier ein wirtschaftliches Moment in den Regelungsbereich hineinge­nommen, was die Erläuterungen S.29 ansprechen: „Neben der Chancengleichheit geht es im sportlichen Wettkampf des orga­nisierten Sports nicht zuletzt vielfach auch um wirtschaftliche Faktoren“. In § 1 steht diesbezüglich nichts.

Zu § 2 Unerlaubter Umgang mit Dopingmitteln, unerlaubte Anwendung von Dopingmethoden
Übernommen wird im Wesentlichen die geltende Regelung des AMG. Noch deutlicher wird die Anlehnung an die Tathandlungen des BtMG (vgl. Erläuterungen S.25), mit der Begründung, die Strukturen des illegalen Marktes würden teilweise ähnliche Merkmale aufweisen. Nicht eingegangen wird auf die wesent­lichen Unterschiede zwischen Betäubungsmitteln und Doping­mitteln, auf die der Evaluationsbericht der Bundesregierung im September 2012 ausdrücklich hingewiesen hat (wie auch der Entwurf des Bundesrates 2014).
Problematisch ist die Übernahme der Substanzen aus der WADA­Verbotsliste in § 2 Abs.1 und Abs.2, auch wenn nun ausdrücklich auf die Anlage I des Internationalen Überein­kommens der UNESCO 2005 und damit auf die Verkündigung im BGBl II verwiesen wird (vgl. Erläuterungen S.26). Das Pro­blem besteht darin, dass die Liste der WADA sich nicht nach dem vom Entwurf in den Vordergrund gestellten Schutzzweck (Gesundheit der Sportler) richtet, sondern darin nur eines von drei möglichen Kriterien (neben Eignung zur Leistungs­steigerung und Verstoß gegen den Sportsgeist) sieht, wobei nur zwei dieser Kriterien vorliegen müssen. Das Ergebnis ist – wie im geltenden Recht – darüber hinaus eine unterschiedliche Liste für § 2 Abs.1 und § 2 Abs.3.
Trotz dieser Übernahme der wesentlichen Bestimmungen des AMG (und des Zugeständnisses, dass die meisten Doping­mittel Arzneimittel sind [Erläuterungen S.27 f.) verzichtet der Entwurf auf diese Kennzeichnung und spricht nur allgemein von „Dopingmittel“. Damit scheiden offensichtlich Blut(pro­dukte) aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs.3 aus. Denn diese sind zwar nach § 4 Abs.2 AMG ausdrücklich „Arzneimit­tel“, aber nach dem WADA­Code keine Dopingmittel, sondern gehören (als „Manipulation von Blut und Blutbestandteilen“) zu den verbotenen Methoden, die wieder nicht in § 2 Abs.3 des Entwurfs erfasst sind.
Für die eigentliche sportärztliche Tätigkeit ergeben sich keine Veränderungen des § 2 zu den bisherigen Regelungen im Arzneimittelgesetz. Die Problematik des Mitführens doping­relevanter Medikamente im Arzneimittelkoffer des Arztes zur Notfallversorgung gibt es auch im AMG schon. Da diese nicht „zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport“ laut § 2 Abs.3 mitgeführt wurden, ergeben sich keine Kollisionen zwi­schen Sportrecht, Arzneimittelgesetz und berufsrechtlichen Regelungen.

Zu § 3 Selbstdoping
Den „Kern der Neuausrichtung in der strafrechtlichen Doping­bekämpfung“ (so Erläuterungen S.29) stellt die Regelung des § 3 dar, die das „Selbstdoping“ verbietet, und sodann (vor allem) die Regelung des § 4 Abs.2 Nr.4, Abs.6, der die Strafbestimmung für dieses Selbstdoping vorsieht (diese freilich das Verbot auf ei­nen bestimmten Personenkreis beschränkt). Was hier versucht wird, kann mit den Erläuterungen wie folgt umschrieben wer­den: „erstmals“ wird „das unlautere Verhalten der dopenden Sportler selbst“ (S.28) als „Unrecht“ und als „sozialschäd­lich[es]“ Verhalten (S.29, 31) und damit als „strafwürdig“ (S.31) erfasst.
Allerdings wird dies auf S.35 zurückgenommen: „Unrecht, das auch strafwürdig ist“, wird nur von solchen Sportlern, die erhebliche Einnahmen aus der sportlichen Tätigkeit ziehen, begangen.
Begründet wird dies mit dem Hinweis auf das (andere, zweite) Schutzgut des Entwurfs: die Sicherung von „Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben“ und damit die Erbringung eines Beitrags zur „Erhaltung der Integrität des Sports“ (§ 1). Nun kann das Erstere nicht stimmen, wie im Folgenden erläutert.
Man denke nur an einen Stadtmarathon, an dem mehrere Tausend Menschen teilnehmen (Beispiel Erläuterungen S.30): dann begehen diejenigen, die gedopt antreten, strafwürdiges Unrecht, wenn sie zu dieser exklusiven Gruppe des § 4 Abs.6 gehören, während die anderen Gedopten dies nicht verwirkli­chen, sondern nur „unlauter“ handeln.
Das strafwürdige Unrecht liegt aber nicht nur in dieser Teil­nahme am Wettbewerb, sondern wird sogar noch erweitert: das strafwürdige Unrecht soll in der Anwendung, bzw. im Anwen­denlassen eines Dopingmittels oder einer Dopingmethode (§ 3 Abs.1 i.V.m. § 4 Abs.1 Nr.4) und im Besitz eines Dopingmittels (§ 3 Abs.3 i.V.m. § 4 Abs.2) während der Ruhe­oder Trainingspha­se liegen. So kann dieser Stadtmarathon zu dem Ergebnis füh­ren, dass von mehreren, durch die sportverbandliche Doping­kontrolle Überführten nur einige (nämlich die Sportler des § 4 Abs. 6) strafwürdiges Unrecht begehen, daher auch unter dem Druck der Strafdrohung stehen. Mit Chancengleichheit in einem Wettbewerb hat dies nichts zu tun!
Das Problem verschärft sich, wenn man diesen Stadtmarathon auch von ausländischen Sportlern (ebenfalls aus dem Täterkreis des § 4 Abs.6 [der ausdrücklich auch ausländische Testpools einbezieht, vgl. Erläuterungen S.36]) bestreiten lässt. Dann ist die Strafbestimmungen nach § 3 StGB nur für Taten, die im Inland begangen werden, anwendbar. Die Tathandlung ist aber nicht die Teilnahme an dem sportlichen Wettbewerb, sondern die Anwendung/das Anwendenlassen des Dopingmittelns/der Dopingmethode und der Besitz von Dopingmitteln, stellt also auch (und vor allem) auf die Vorbereitungszeit auf den Wett­kampf ab.
Ein ausländischer Teilnehmer, der in seinem Heimatland und sonst außerhalb Deutschlands während des Trainings gedopt hat und nun an dem Wettkampf in Deutschland teilnimmt, ist und bleibt straflos, selbst dann, wenn er wegen der Nachwirkun­gen des Trainingsdopings beim Wettkampf durch eine positive Dopingkontrolle überführt wird. Dasselbe gilt auch für einen deutschen Wettkämpfer, der seine Dopingaktivität in einem ausländischen Trainingslager durchgeführt hat.
Dabei muss zusätzlich noch berücksichtigt werden, dass es auf eine solche positive Dopingprobe im sportverbandli­chen Kontrollverfahren von vornherein überhaupt nicht an­kommt. Der staatliche Strafanspruch wird unabhängig von dem Sportverbandsverfahren verfolgt, richtet er sich doch ge­gen sozialschädliches Verhalten und strafwürdiges Unrecht (wie behauptet wird).
Liegt ein Verdacht auf die Tathandlung vor oder wird eine Anzeige erstattet, müssen die staatlichen Behörden eine Unter­suchung einleiten, auch wenn ein sportverbandsrechtliches Verfahren nicht stattgefunden, selbst wenn es zu einem solchen Verfahren mit negativem Ausgang gekommen ist. Deutlich ist diese völlige Unabhängigkeit vom Sportverbandsverfahren für die Tathandlung des Besitzens von Dopingmitteln, da hier begrifflich eine Dopingprobe ausscheidet.
Somit kann es zu vollkommen unterschiedlichen Bewertungen desselben Sachverhaltes im Sportrecht und im Strafrecht kommen: Ein positiver Befund führt bei dem/der Sportler, der/die im Ausland während des Trainings gedopt hat, zu einer sportrechtlichen Sperre, aber nicht zu einer Strafbarkeit.

Zum Gesetzeszweck Erhaltung der „Integrität des Sports“ und der ethisch-moralischen Grundlagen des Sports
Der Entwurf zielt auf die Sicherung von „Fairness und Chancen­gleichheit“ ab. Gemeint kann daher nur die zuletzt genannte Erhaltung der „Integrität des Sports“ sein. Deutlich wird dies in den Erläuterungen S.29, wo auf die „Grundvoraussetzung für die Anerkennung und die Zukunft des organisierten Sports“ abgestellt wird: nämlich auf dieses Vertrauen darauf, dass die sportlichen Wettbewerbe fair durchgeführt werden und die teil­nehmenden Sportlern gleiche Chancen haben (was im Übrigen nicht begründen kann, warum von den vielen möglichen Wett­bewerbsmanipulationen gerade das Doping herausgegriffen wird).
Nun liegt auf der Hand, dass es die spezifische Aufgabe der Sportverbände ist, für Integrität, Fairness und Chancengleich­heit im Sport zu sorgen. Der Staat kann diese Aufgabe nicht abnehmen, ganz im Gegenteil: dadurch wird die Aufgabe der Sportverbände sogar belastet. Einschlägig ist deshalb (nur) die weitere Feststellung auf S.29: „Nur wenn der Sport dopingfrei ist, […] lässt es sich rechtfertigen, dass der Staat den Spitzen­sport fördert“. Doch lässt sich umgekehrt auch sagen: wenn der Sport nicht dopingfrei ist, dann kann ihn der Staat eben auch nicht fördern.
Dabei soll nicht bestritten werden, dass der Schutz (und die Förderung) des sportlichen Wettkampfs ein legitimer Zweck des staatlichen Rechts sein kann. Deshalb ist es auch durch­aus legitim, diesen Wettbewerb vor Angriffen von außen zu schützen, auch mit Mitteln des Strafrechts: man denke an das Problem der Sportwetten.
Doping aber greift den Sport von innen an, ist ein sportinternes Problem, und dies auch dann, wenn es um die gesellschaftliche (und politische) Bedeutung des Sports für die Gesellschaft geht. Deshalb sind die beiden weiteren Kriterien des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die seit BVerfGE 120, 224 das Abstellen auf ein „Rechtsgut“ ersetzen sollen, nicht gegeben. Denn eine Strafbestimmung ist nicht geeignet, die Fairness – eine sittliche Haltung, die von den Sportlern verlangt wird, in einem Maß, das weit über alle anderen Bereiche gesellschaftlichen Lebens hinausgeht – zu sichern.
Durch Zwangsdrohungen lässt sich keine Sittlichkeit lebendig halten. Ein Sport, der die Zwangsdrohungen des Staates braucht, um „fair“ zu handeln, ist kein fairer Sport und verdient daher auch keine Förderung. Der Staat kann und soll nur dafür sorgen, dass die Sportverbände ihrer Aufgabe in der Doping­bekämpfung finanziell leichter durchführen können. Ein Sport, der in sich, von innen her, das Dopingproblem bearbeitet, ver­dient die Förderung.
In diesem Zusammenhang ist sogar zu fragen, ob nicht die staatliche Strafverfolgung die Dopingkontrollen der Sportver­bände behindern, jedenfalls erschweren kann oder muss.
Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Sportler zwar die Doping­probe verweigern darf, um sich nicht selbst strafrechtlich belas­ten zu müssen, er für diese Verweigerung aber von den Sportver­bänden als gedopt angesehen und behandelt wird. Auf die vielen Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Maßstäben der Beweisführung im Straf­und im Sportverbandsverfahren und aus dem höchst unterschiedlichen Zeitbedarf der Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung ergeben, ist ebenfalls nur hinzuweisen.

Zu § 4 Strafvorschriften
Am meisten problematisch ist die Strafbestimmung des § 4 Abs. 2 (i.V.m. § 3 Abs.2). Das strafwürdige Verhalten wird hier in das Vorfeld des Vorfelds verschoben. Es soll ausreichen, dass jemand aus dem Täterkreis des § 4 Abs.6 zeitlich unabhängig von einem Wettbewerb ein Dopingmittel besitzt, um es irgend­wann einmal für irgendeinen Wettkampf des organisierten Sports anzuwenden und sich so einen – nicht näher bestimm­ten (außer in Erläuterungen S.30) – Vorteil zu verschaffen. Wie die Erläuterungen hier eine „erhebliche Schutzgutgefährdung“ sehen kann (S.31, 33), bleibt unerfindlich. Die Behauptung, dass deshalb der Eingriff verhältnismäßig und deshalb „von den missbräuchlich agierenden Sportlerinnen und Sportlern auch hinzunehmen“ sei (ebenda), ist zurückzuweisen. Dies gilt umso mehr, als sogar nach § 4 Abs.3 der Versuch des Besitzens strafbar sein soll. Wie dies allein begrifflich möglich sein soll, da es nicht um ein In­Besitz­Nehmen (also um ein Handeln), sondern um das bloße Innehaben der Sachherrschaft geht, bleibt im Dunkeln.
Auf zwei Probleme sei noch hingewiesen. Zunächst zur Täter“bestimmung“: Strafwürdiges Unrecht begehen nur die Sportler des § 4 Abs.6.
Dabei werden die in den Testpool Aufgenommenen wissen (können), dass sie dazu gehören. Anders wird es denen gehen, die sich fragen müssen, ob sie aus ihrer sportlichen Betäti­gung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichen Umfang erzielen; oder soll es heißen: erzielt haben (und zwar im laufenden Jahr oder im vergangenen Jahr oder früher)?
Es ist rechtsstaatlich unerträglich, so strafwürdiges Un­recht zu „bestimmen“. Das daraus folgende (zweite) Problem betrifft die Sportler, die diesen Status nach § 4 Abs.6 verlo­ren haben, daher nicht mehr strafwürdiges Unrecht begehen können; ja die vielleicht sogar ihren Sport aufgegeben haben. Sie sollen aber strafbar bleiben, wenn sie in der Zeit ihrer er­folgreichen Tätigkeit irgendwann einmal ein Dopingmittel in Besitz gehabt haben; dies selbst dann, wenn sie durch die Auf­gabe ihrer Sportausübung dazu gebracht worden sind, diese Dopingmittel wegzuwerfen.
Wenn Sportler sich durch Doping auf Wettkämpfe vorbe­reiten und zu diesem Zeitpunkt nicht zum Kreis des § 4 Abs.6 gehören, würden sie kein Unrecht begehen, erst wenn der sport­liche oder finanzielle Erfolg eintritt, würde erst das künftige Verhalten zur Strafbarkeit führen.

Fehlendes Bekenntnis zur Dopingprävention als staatliche Zielsetzung
Es ist aus ärztlicher Sicht sehr verwunderlich, dass sich der Gedanke der Prävention nicht in dem vorliegenden Entwurf findet.
Es ist aber allgemein anerkannt, dass ohne den Resonanz­boden der innersportlichen Haltung und Kontrolle eine effek­tive Prävention gegen Doping nicht möglich ist. Das Recht hat, wie die Erfahrungen mit der Gesetzgebung zur Bekämpfung illegaler Drogen zeigen, stets eine nur begrenzte Wirksamkeit. Wichtiger für die Normeinhaltung sind die Prozesse des Norm­lernens und insbesondere der Norminternalisierung im Sport und in der Gesellschaft. Letztlich geht es daher um die Erzie­hung zu den sportlichen Werten der Fairness und Chancen­gleichheit in der gesamten Sportgemeinschaft, ja sogar der gesamten Gesellschaft. Diese Zusammenhänge sollten auch wegen ihrer großen Bedeutung in einem Anti­Doping Gesetz zu Ausdruck kommen.
Die ständige Aufklärung über die Gefahren des Dopings für die Gesundheit und für die Fairness im Sport sollte Aufgabe der zuständigen staatlichen Behörden in enger Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen sein.
Dabei sollte die ausreichende Finanzierung der Natio­nalen Anti­Doping Agentur für Deutschland (NADA) und den Anti­Doping Organisationen der Sportverbände wichtig sein.
Staatliche Sportförderung sollte darüber hinaus vom Nach­weis ernsthafter Bemühungen um Dopingbekämpfung abhän­gig gemacht werden.

Erarbeitung und Beschlussfassung
Die Stellungnahme wurde durch die federführenden Auto­ren erarbeitet. Nach ausführlicher Diskussion und Revision stimmte das Präsidium der DGSP der Stellungnahme im Um­laufverfahren am 14.04.2015 zu.
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entspre­chende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.

LITERATUR

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    https://wada-main-prod.s3.amazonaws.com/resources/files/wada-2015-prohibited-listen.pdf
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    https://wada-mainprod.s3.amazonaws.com/resources/files/wada-2015-world-antidoping-code.pdf
Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und
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