Dopingprävention: Methoden, Analytik, Entwicklungstendenzen
Doping Prevention: Methods, Analysis, Trend of Development
ZUSAMMENFASSUNG
Präventive Dopingforschung beinhaltet verschiedene Aspekte, zu denen unter Anderem die Methodenentwicklung zum Nachweis bereits zugelassener sowie noch in der Entwicklung befindliche Medikamente gehört. Zudem hat sich die Notwendigkeit von Testverfahren bezüglich Substanzen, deren klinische Prüfung aufgrund inakzeptabler unerwünschter Wirkungen nicht fortgeführt wurde, mehrfach bestätigt. Beispielhaft sind in der vorliegenden Übersichtsarbeit neue Prozeduren zur Bestimmung von Peptidhormonen (z.B. Gonadorelin), anabolen Wirkstoffen wie Methyltrenbolon und selektive Androgenrezeptor Modulatoren (SARMs), sowie des Peroxisom Proliferator-aktivierter Rezeptor delta (PPARδ) Agonisten GW1516 dargestellt, welche zur Verbesserung des Antidoping Kampfs entwickelt wurden. Grundlage dieser Methoden ist in allen Fällen die FlüssigkeitsChromatographie / Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS), welche höchste Sensitivität und Spezifität bewiesen hat und therapeutische Mengen der gesuchten Verbindungen nachzuweisen ermöglicht. Eine Vielzahl positiver Befunde aufgrund von Methyltrenbolon-Applikationen ist in den letzten Jahren aufgetreten, insbesondere im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking 2008. Im Gegensatz dazu sind die bislang nicht zugelassenen Präparate der SARMs sowie das als Gendoping-Substanz klassifizierte GW1516 noch nicht im Rahmen der nationalen und internationalen Dopingkontrollen aufgefallen. Die nachweisliche Verfügbarkeit dieser Präparate über legale und illegale Bezugsquellen jedoch erfordert eine umgehende und umfassende Analytik dieser neuen Substanzen, um bereits vor deren Markteinführung einen Missbrauch im Sport einzuschränken.
Schlüsselwörter: Dopinganalytik, anabole Wirkstoffe, SARMs, Gonadorelin, GW1516.
SUMMARY
Preventive doping research comprises various aspects including, amongst others, development of test methods for approved drugs as well as those currently being investigated. Moreover, the necessity to establish detection assays for those compounds that did not complete clinical trials due to inadequate undesirable effects has been proved several times. In the present report, new procedures allowing the detection of peptide hormones (e.g., gonadorelin), anabolic agents such as methyltrenbolone and selective androgen receptor modulators (SARMs) as well as the peroxisome proliferator-activated receptor delta (PPARδ) agonist GW1516, are described, which have been developed to improve the anti-doping fight. These methods are all based on liquid chromatography – tandem mass spectrometry (LC-MS/MS), which has demonstrated utmost sensitivity and specificity and allowed the determination of therapeutic amounts of the target analytes. A considerable number of adverse analytical findings due to methyltrenbolone applications was reported during the last years, particularly before and during the Olympic Games in Beijing 2008. In contrast, the lead drug candidates of SARMs as well as GW1516 (which is classified as gene doping substance) that are currently undergoing advanced clinical trials have not been detected in national as well as international antidoping controls yet. The proved availability of those compounds via legal as well as illegal routes however necessitates the immediate and comprehensive analysis of these substances to limit the options of misuse in sports before the drugs are officially launched.
Key words: doping analysis, anabolic agents, SARMs, gonadorelin, GW1516.
EINLEITUNG
Dopingkontroll-Laboratorien sind kontinuierlich aufgefordert bestehende Nachweisverfahren zu verbessern, zu erweitern, und neue Testmöglichkeiten für bereits zugelassene oder in klinischen Erprobungsphasen befindliche Medikamente zu erstellen. Zudem sind in der Vergangenheit mehrfach Dopingsubstanzen aufgefunden worden, die entweder bereits in frühen klinischen Testphasen als unzureichend sicher eingestuft und daher nicht weiter verfolgt wurden, oder aber niemals für solche Testphasen vorgesehen waren. Diese im Besonderen stellen große Herausforderungen an Analyseverfahren, die im Allgemeinen eine Zielanalytik darstellen und somit lediglich bereits bekannte Substanzen erfassen.
Eine grundlegende Technologie zum eindeutigen Nachweis dopingrelevanter Verbindungen ist die Flüssigkeits-Chromatographie – Tandem Massenspektrometrie (LC-MS/MS), mit deren Hilfe sowohl niedermolekulare Verbindungen wie anabole Wirkstoffe (z.B. anabol-androgene Steroide und selektive Androgenrezeptor Modulatoren (SARMs)) und Peroxisom Proliferator-aktivierter Rezeptor delta (PPARδ) Agonisten (z.B. GW1516) aber auch Peptidhormone wie beispielsweise Gonadorelin empfindlich in Blut- oder Urinproben bestimmt werden können. Anhand dieser Beispiele sollen im Folgenden neuere Methoden und Entwicklungstendenzen in der Dopinganalytik dargestellt werden.
Eine der grundlegenden Herausforderungen in diesem Zusammenhang stellt die Vielzahl und chemische sowie pharmakologische Variabilität neuer Therapeutika dar. Ein Nachweis aller potentiell missbräuchlich einzusetzenden Substanzen bedarf verschiedener komplementärer Analyseverfahren, von denen sich die LC-MS(/MS) insbesondere mit hochauflösender und akkurater Massenbestimmung als die Umfangreichste herausgestellt hat, die auch rückblickend durch erneute Evaluation bereits aufgenommener Daten den Missbrauch verbotener Präparate ermöglicht. Dennoch werden weitere, speziell auf einzelne Analyten fokussierte Verfahren nötig sein, um die erforderliche Spezifität und/oder Sensitivität zum Zwecke der Dopinganalytik erlauben.
GONADORELIN
Der Gebrauch des Peptidhormons Gonadorelin (auch luteinizing hormone releasing hormone (LHRH) genannt) ist laut Verbotsliste der Welt Anti-Doping Agentur (WADA) im Sport nicht zulässig. Wenn auch nicht namentlich erwähnt, fällt Gonadorelin unter die Bestimmung, dass die Releasing-Faktoren der aufgeführten Peptidhormone, zu denen das luteinisierende Hormon (LH) gehört, verboten sind. Gonadorelin ist als pharmazeutisches Präparat erhältlich und dessen Missbrauch im Leistungssport ist durch geständige Athleten bestätigt worden. Ein Nachweisverfahren basierend auf der Isolierung des intakten Decapeptids (Pyr-His-Trp-Ser-Tyr-GlyLeu-Arg-Pro-Gly-NH2) aus Urin ist 2008 beschrieben worden und erzielt durch die kombinierte Anwendung von immunchemischer Bindung an einen spezifischen primären Antikörper, gefolgt von Extraktion durch Nanopartikel-gebundene sekundäre Antikörper und anschließende Messung mit Nano-FlüssigkeitsChromatographie und hochakkurater/hochauflösender Tandem Massenspektrometrie die erforderliche Sensitivität und Spezifität (12). Patientenurine, die nach Behandlung mit Gonadorelin gesammelt und analysiert wurden, zeigten Konzentrationen zwischen 20 und 100 pg/mL auf, die mit der entwickelten Bestimmungsmethode (Nachweisgrenze 5 pg/mL) erfasst werden konnten und so die Einsetzbarkeit in der Dopinganalytik belegen.
ANABOLE WIRKSTOFFE – ANABOL-ANDROGENE STEROIDE
Anabol-androgene Steroide (AAS) repräsentieren seit Jahrzehnten eine der häufigsten Ursachen positiver Befunde in der Dopinganalytik. Um die verbesserten Testverfahren zu unterwandern, hat es in der Vergangenheit Entwicklungen von so genannten Designer Steroiden gegeben, die ausschließlich zu Dopingzwecken hergestellt wurden. Zudem wurden mehrere AAS, deren unerwünschte Wirkungen eine Zulassung im Human- oder Veterinärbereich nicht erlaubten, auf illegalen Wegen vertrieben und im Leistungssport eingesetzt. Eines dieser Präparate ist Methyltrenbolon (Abbildung 1a, auch Methyltrienolon genannt), welches bereits 1963 beschrieben wurde und seitdem als R1881 aufgrund seiner besonderen Androgenrezeptor-Bindungseigenschaften als Referenzsubstanz für Neuentwicklungen anabol-androgener Verbindungen in präklinischen Studien eingesetzt wird. Aufgrund schwerwiegender hepatotoxischer Wirkungen ist Methyltrenbolon selbst als mögliches Medikament jedoch nicht weiter verfolgt worden. Dennoch wurde diese Substanz 2008 vor den Olympischen Spielen in Peking unter anderem bei 11 Gewichthebern (9) und einer Leichtathletin mit Hilfe von LC-MS/MS festgestellt. Hierbei lieferten charakteristische Produkt-Ionen wie m/z 227, die im Besonderen bei Analyten mit struktureller Verwandtschaft zu Trenbolon vorgefunden werden, entscheidende Hinweise, und die Anwesenheit des nicht zulässigen Wirkstoffs wurde schließlich im Abgleich mit der Referenzverbindung des Methyltrenbolons bewiesen. Ein typisches Analyseergebnis ist in Abbildung 2 dargestellt.
ANABOLE WIRKSTOFFE – SELEKTIVE ANDROGENREZEPTOR MODULATOREN (SARMS)
SARMs stellen eine neue Generation anaboler Wirkstoffe dar, die strukturell nicht mit AAS verwandt sind aber die Eigenschaft besitzen, Androgenrezeptoren zu aktivieren oder zu inhibieren. Aufgrund beschriebener Gewebe- und Wirkungs-Selektivität sind diese Substanzen in klinischen Testphasen zur Anwendung bei verschiedenen Krankheitsbildern wie z.B. Kachexie oder Sarkopenie oder aber zur Kontrazeption bei Männern (1, 2, 4). Umfangreiche anabole Eigenschaften konnten erfolgreich von androgenen Wirkungen separiert werden und somit medizinisch vielversprechende Alternativen zu AAS bei Steroidersatztherapien entwickelt werden, die jedoch ebenfalls ein großes Missbrauchspotential besitzen. Aufgrund dessen sind SARMs seit Januar 2008 durch die WADA verboten worden und zahlreiche Nachweisverfahren bereits vor einer Markteinführung präsentiert worden. Die Notwendigkeit dieser präventiven Maßnahmen hat sich 2009 bestätigt als ein erstes Schwarzmarktprodukt mit dem Wirkstoff Andarine (Abbildung 1b, auch S-4 genannt) via Internet bestellt und erhalten wurde. Die Authentizität dieses Präparats wurde mit Hilfe der Massenspektrometrie und synthetisierter Referenzmaterialien bestätigt, so dass eine Verbreitung dieser Substanz im Sport nicht ausgeschlossen werden kann (8). Neben dem gewünschten Wirkstoff wurden Verunreinigungen identifiziert, die auf eine Herstellung unter nicht-pharmazeutischen Qualitätsrichtlinien hindeuten und nicht kalkulierbare gesundheitliche Risiken für den Sportler bedeuten. Basierend auf Studien, die den menschlichen Metabolismus von Andarine simulieren (3, 10), wurde bereits seit 2008 bei Dopingkontrollen in Deutschland auf die Anwesenheit dieses Produkts getestet, wobei bislang kein Fund der zu verabreichenden Substanz oder deren Metaboliten aufgetreten ist.
GENDOPINGSUBSTANZEN
Die Klasse M3 der WADA Verbotsliste betrifft die Kategorie „Gendoping“ und beinhaltet sowohl den Transfer fremden genetischen Materials als auch die Beeinflussung der Genexpression. Letztere ist im Zusammenhang mit Substanzen wie dem PPARδ Agonisten GW1516 erwähnt (Abbildung 1c), welcher in Tiermodellen zu signifikanten Leistungssteigerungen geführt hat (5). Diese vollsynthetische Verbindung wird bezüglich Ihres Einsatzes zur Behandlung des metabolischen Syndroms und damit zusammenhängende gesundheitliche Folgekomplikationen erforscht und hat bereits fortgeschrittene klinische Testphasen durchlaufen. Aufgrund eines möglichen illegalen Einsatzes im Sport sind solche Präparate seit Januar 2009 namentlich verboten und erste Nachweisverfahren basierend wiederum auf LC-MS/MS sind vorgestellt worden. Zunächst wurde aufgrund fehlender Informationen zu urinären Metaboliten die Zielsubstanz in Blutproben analysiert (7), da hierzu detaillierte Daten aus pharmakologischen Studien vorlagen, welche die zu erwartende Plasmakonzentrationen des intakten Analyten beschreiben (6). Nachfolgend konnten zwei wesentliche urinäre Stoffwechselprodukte identifiziert werden (11), die als die entsprechenden Sulfoxide und Sulfone des GW1516 beschrieben wurden und gegenwärtig die Zielsubstanzen in Routinedopingkontrollen für diesen PPARδ Agonisten darstellen. Auch wenn bislang kein Hinweis oder Beweis für einen Einsatz solcher Präparate im Sport vorliegt, ist die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs gegeben und die Verfügbarkeit als Chemikalie und eventuell auch als Schwarzmarktprodukt nicht ausgeschlossen. Auch hier wird die Idee der Dopingprävention durch frühzeitige Implementierung neuer, noch nicht vollständig zugelassener Medikamente verfolgt, mit dem Ziel einen möglichen unzulässigen Einsatz unmittelbar zu verhindern.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Erweiterung und Ergänzung dopinganalytischer Methoden zum Nachweis zugelassener aber auch in Testphasen befindlicher Medikamente ist ein wesentlicher Bestandteil der präventiven Dopingforschung. Einen Schwerpunkt stellt dabei die FlüssigkeitsChromatographie / Tandem Massenspektrometrie dar, welche die Bestimmung sowohl höhermolekularer Peptidhormone als auch niedermolekularer neuer Verbindungen mit der notwendigen Sensitivität und Spezifität erlaubt. Beispielhaft sind in der vorliegenden Arbeit repräsentative Verbindungen der Substanz- und Methodenklassen S1 (anabole Wirkstoffe), S2 (Peptidhormone, Wachstumsfaktoren und verwandte Verbindungen) und M3 (Gendoping) sowie deren Nachweismöglichkeiten präsentiert worden, welche die Möglichkeiten moderner und zukünftiger Analyseverfahren aufzeigten sollen. Neben diesen so genannten direkten Testmethoden werden vermehrt indirekte Ansätze in Zukunft die Dopinganalytik ergänzen. Diese indirekten Verfahren werden nicht die verbotene Substanz oder Dopingmethode als solche identifizieren, sondern mit Hilfe veränderter, durch die eingesetzten Maßnahmen manipulierte, Parameter als unnatürlich klassifizieren lassen und somit einen Verstoß gegen die Anti-Dopingrichtlinien aufzeigen.
Danksagung
Die Autoren danken dem Manfred-Donike-Institut für Dopinganalytik für die Unterstützung des vorgestellten Projekts.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
LITERATUR
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- Doping control analysis oftrenbolone and related compounds using liquid chromatographytandem mass spectrometry. Steroids 74 (2009) 315-321.
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- Characterization of twomajor urinary metabolites of the PPARdelta-agonist GW1516 andimplementation of the drug in routine doping controls. Anal BioanalChem 396 (2009) 2479-2491.
- Massspectrometric determination of gonadotrophin-releasing hormone(GnRH) in human urine for doping control purposes by means of LCESI-MS/MS. J Mass Spectrom 43 (2008) 908-915.
Prof. Dr. Mario Thevis
Deutsche Sporthochschule Köln
Zentrum für Präventive Dopingforschung
Institut für Biochemie
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
E-Mail: thevis@dshs-koeln.de