Sportwissenschaft
EDITORIAL

Olympia – keine Frage des Ob, sondern des Wann und Wie

Olympia – No Question of If but of When and How

Dr. Michael VesperDie Olympischen Ringe sind das bekannteste Markenzeichen überhaupt. Sie sind ein wunderbar einfaches Symbol, das jeder versteht. In fünf Farben stehen sie für weltweite Verbundenheit, für ein weltumspannendes, friedliches Fest der Verständigung.
Doch mancher schaut lieber darauf, dass diese Ringe zugleich auf sehr komplizierte Weise miteinander verschlungen sind. Das könnten wir natürlich auch als Zeichen dafür nehmen, wie fest dieses globale Netz der Olympischen Bewegung über die 120 Jahre ihrer Geschichte zusammengewachsen ist. Aber ihre Kritiker beziehen das ausschließlich auf angebliche Undurchsichtigkeit und Verflechtungen, die sie vor allem den Bewahrern der olympischen Idee vorwerfen.
Bewerber um Sportgroßveranstaltungen haben es allgemein schwer in diesen Zeiten, auch wenn es um Olympia geht. Das haben wir nicht nur in Deutschland erfahren, als die Menschen in München und Garmisch-Partenkirchen sowie den Landkreisen Berchtesgaden und Traunstein eine Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 mehrheitlich ablehnten, während die Stimmung im ganzen Land eher für Olympia einstellt war. Auch die Schweizer haben das schon erlebt.
Begleitet wird diese Entwicklung von einem Phänomen, das gerade vor Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften auftaucht. Vor allem in diesem Scheinwerferlicht scheinen manche Politiker und Journalisten ihr besonderes Interesse für Menschenrechte und Demokratie zu entdecken, für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. So erscheint die publizierte Ablehnung dieser Großveranstaltungen in bestimmten Leitmedien zu bestimmten Zeiten erdrückend.
Das ist ein seltsamer Widerspruch zu dem überwältigenden öffentlichen Interesse, das wir zuletzt während der Spiele 2012 in London und in diesem Jahr in Sotschi auch bei uns erlebt haben. Diese Begeisterung zeigt, dass die Idee des größten Sportfestes der Welt lebt. Und es hat uns überzeugt, dass auch der Gedanke, Olympia ins eigene Land zu holen, nach wie vor fasziniert.
Diesen Wunsch hat das Präsidium des DOSB gerade erst bekräftigt. Wir glauben, dass Olympische Spiele gut sind für Deutschland. Für jeden Ausrichter bedeuten sie einen Imagegewinn. Ein solches Ereignis setzt wirtschaftliche Impulse, es fließen Fördermittel in die Verbesserung der Infrastruktur, die Wertschöpfung ist enorm. London 2012 ist das jüngste Beispiel dafür: Der ökonomische Nutzen für das Vereinigte Königsreich hat umgerechnet insgesamt fast 16 Milliarden Euro erreicht. Wir sind ein Exportland. Welche Bühne könnte unsere Tugenden und Qualitäten besser präsentieren als ein solches Ereignis „Made in Germany“, das Milliarden Menschen in aller Welt verfolgen?
Wir nehmen die Kritik ernst. Das hat schon unser hochgelobtes Konzept für Winterspiele München 2022 gezeigt. Auch ein neues deutsches Olympiaprojekt wird ein Gegenentwurf zu dem, was zuletzt verständlicherweise Ablehnung und Widerstand ausgelöst hat. Wir können schon jetzt zeigen, dass auch Sommerspiele in Deutschland anders wären: Der Olympiapark von München 1972 ist gelebtes Beispiel für ein nachhaltiges, bodenständiges und von den Menschen getragenes olympisches Fest.
Das Internationale Olympische Komitee hat unter seinem neuen Präsidenten Thomas Bach angekündigt, den Bewerbungsprozess zu reformieren. Es geht um Kosten, Vereinfachung und vor allem um Transparenz. Erste Veränderungen soll es zum Jahresende geben.
Aber wir müssen jetzt schon beginnen, die breite Öffentlichkeit bei uns vom Sinn großer Sportereignisse zu überzeugen. Wir müssen den Nutzen im ständigen Dialog erläutern und begreifbar und erlebbar machen. Ohne die Unterstützung der Menschen wird es Olympia nicht geben können.
Dazu zählt auch, dass Spitzensport fast nur noch als das wahrgenommen wird, was Vermarkter und Medien daraus machen. Wir müssen wieder deutlich machen, dass Leistungssport in seiner ganzen Vielfalt nicht in erster Linie Profisport ist. Kaum ein Olympiateilnehmer ist Berufssportler mit hohem Einkommen. Aber die meisten Leistungssportler sind überdurchschnittlich starke Persönlichkeiten mit gutem Zeitmanagement und großer Selbstdisziplin, die sehr wohl als Vorbild taugen.
Deshalb müssen wir viel mehr darüber informieren, dass diese Athletinnen und Athleten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten. In den Vereinen haben sie gelernt, sich unter Einhaltung klarer Regeln an Leistung zu orientieren und sich durch persönliche Anstrengung zu verbessern. Das sind Erfolge, die wir herausstellen müssen und für die sich bessere finanzielle Förderung lohnt.
Der organisierte Sport bringt Millionen Menschen in Bewegung. Auch mit dem Beitrag der 8,5 Millionen Ehrenamtlichen und freiwillig Engagierten leistet er unschätzbare Dienste für unsere Gesellschaft. Kinder und Jugendliche nehmen sich Spitzensportler zum Vorbild. Und deren großes Ziel ist Olympia. Nichts befruchtet all das mehr als Spiele im eigenen Land. Auch deshalb ist diese Idee für uns nicht eine Frage des Ob, sondern nur des Wann und Wie.
Aber das ist es nicht allein. Das wunderbar einfache Symbol der Olympischen Ringe steht für ein Ideal, das universellen Grundsätzen folgt. „Olympische Prinzipien sind Prinzipien der Vereinten Nationen“ – dieses Wort des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon hat IOC-Präsident Thomas Bach jüngst noch einmal betont. Und: Sport diskriminiert niemanden; er steht für Verständnis, Respekt und Dialog; er baut Brücken und errichtet niemals Mauern.
Olympia, das wichtigste Sportfest der Welt, steht für eine bessere und friedliche Welt. Wir stehen in der Pflicht, seine Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Wir brauchen diese Spiele.