Leserbrief „Monitoring des Flüssigkeitshaushalts im Sport“
Letter to the Editor "Monitoring of Fluid Balance in Sports"
An die Schriftleitung,
ich habe mit großem Interesse den Standard der Sportmedizin: Monitoring des Flüssigkeitshaushaltes im Sport in der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin gelesen. Es ist wichtig, ein so komplexes und wichtiges Thema aufgearbeitet zu haben.
Leider vermisste ich eine differenzierte Darstellung über ¨drink to thirst, ad libitum drinking, overhydration und exercise associated hyponatraemia (EAH)¨, welches meines Erachtens in einem aktuellen Standard der Sportmedizin diskutiert werden sollte. Vor allem auch dem Anspruch auf praxisrelevante, kostengünstige und in Feldsituationen einfache zu benutzende Methodik, gerecht zu werden. Ad libitum Trinken ist hierzu ideal geeignet und Evidenzbasiert.
Auch eine pauschale Aussage, dass Flüssigkeitsmangel häufig durch unfreiwillige Dehydratation aufgrund von verspätetem Durstempfinden entsteht, ist meines Erachtens auf Grund neuster Evidenz zweifelhaft und verleitet zu Hyperhydratation mit allen ihren gesundheitlichen Schäden. Es ist bekannt, dass eine korrekte Flüssigkeit und Nahrungsaufnahme für das erfolgreiche Absolvieren, speziell von Ausdauerleistungen, unabdingbar ist (4).
Der Artikel beschreibt, dass Hypohydratation mit verminderter Leistungsfähigkeit assoziiert ist, vor allem im Ausdauerbereich. Flüssigkeitsverluste ≥ 2% werden regelmäßig bei gut trainierten Sportlern beobachtet und gehen gewöhnlicherweise nicht mit einer verminderten Leistungsfähigkeit einher (1, 6). Selbst Flüssigkeitsverluste bis zu 8% bei schnelleren Ultramarathonläufern gehen nicht mit einer signifikanten Symptomatik einher, deshalb wird davon ausgegangen, dass Flüssigkeitsverluste von ein paar Prozent kein Anlass zur Beunruhigung sind (3, 4, 10).
Vielmehr sollte auf die Gefahr der Hyperhydratation und exercise associated hyponatraemia (EAH) aufmerksam gemacht werden, speziell bei Ausdauersportlern. Aufgrund der über Jahre hinweg propagierten Gefahr von Dehydratation besteht vor allem in Läuferkreisen das Dogma, während des Training oder Wettkampfes so viel wie möglich zu trinken (am besten mit Sodium Supplementation) nach einem starren Flüssigkeitsschema, um die negativen Auswirkung der Dehydratation zu vermeiden. Dies mag partiell mit der starken Lobby der SportdrinkIndustrie und aggressiven Marketing zusammenhängen (7, 9, 11).
Allerdings wissen wir heute, dass dieses Trinkverhalten die Gefahr der Hyperhydratation fördert und ein wichtiger Faktor in der Entstehung einerexercise associated hyponatraemia (EAH) ist. EAH ist definiert als eine Blutserumkonzentration von < 135 mEq/L während oder bis zu 24 h nach Ausdauerbelastungen. Es ist eine Dilutionshyponatriämie und stellt ein lebensbedrohliches Krankheitsbild dar. Anfänglich sind Symptome recht unspezifisch mit Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, und bei weiterem Fortschreiten werden Symptome wie Benommenheit, respiratorischem Distress, zerebrale und pulmonale Ödeme und Krampfanfälle beobachtet, die bis zum Tode führen können (2, 5, 7, 9, 11).
Die Inzidenz von EAH bei einer 161 km UltramarathonVeranstaltung ist mit bis zu 51% beziffert worden (3, 4) und bei einem 5tägigen Ultramarathon in Spanien (Al Andalus Ultmate Trail) bis zu 42% (1). Glücklicherweise sind die meisten Fälle von EAH asymptomatisch, allerdings sind mehrere Todesfälle in der Literatur beschrieben (1, 6, 7, 8, 9, 12). Ad libitum Trinken (drink to thirstTrinken nach Durstgefühl) reduziert die Inzidenz von EAH und wird daher empfohlen (2, 4, 7, 9, 11).
Des Weiteren empfiehlt eine Expertengruppe in einer kürzlich erschienen Consensus Guideline, dass ad libitumTrinken. Es wird geraten, dass Läufer bei Ausdauerveranstaltungen nicht mehr aufgefordert werden sollten, nach starren Trinkschemata oder ohne Durstgefühl Flüssigkeit aufzunehmen, sondern vielmehr nach Durst zu trinken (drink to thirst) (4).
Dies ist eine einfache, praxisrelevante und kostengünstige Methode um sicherzustellen, dass ein adäquater Flüssigkeitshaushalt aufrechterhalten wird. Um den Ansprüchen eines aktuellen, evidenzbasierten Standards der Sportmedizin gerecht zu werden, würde ich mir wünschen, dass diese Kenntnisse dort reflektiert sein sollten.
LITERATUR
- Water and sodium intake habits and status of ultra-endurance runners during a multi-stage ultra-marathon conducted in a hot ambient environment: an observational field based study. Nutrition Journal 2013, 12:13
- Statement of the second international exercise-associated hyponatremia consensus development conference, New Zealand, 2007. Clin J Sport Med. 2008; 18: 111-121.
- Exercise-associated hyponatremia and hydration status in 161-km ultramarathons. Med Sci Sports Exerc. 2013; 45: 784-791.
- Medical services at ultra-endurance foot races in remote environments: medical issues and consensus guidelines. Sports Med. 2014; 44: 1055-1069.
- Prevalence of exercise-associated hyponatremia in male ultraendurance athletes. Clin J Sport Med. 2011; 21: 226-232.
- Drinking guidelines for exercise: what evidence is there that athletes should drink “as much as tolerable”, “to replace the weight lost during exercise” or “ad libitum”? J Sports Sci. 2007; 25: 781-796. doi:10.1080/02640410600875036
- Water intoxication: a possible complication during endurance exercise. Med Sci Sports Exerc. 1985; 17: 370-375.
- Waterlogged: the serious problem of overhydration in endurance sports. Champaign: Human Kinetics; 2012.
- The dipsomania of great distance: water intoxication in an Ironman triathlete. Br J Sports Med. 2004; 38: e16.
- Three independent biological mechanisms cause exercise-associated hyponatremia: evidence from 2,135 weighed competitive athletic performances. Proc Natl Acad Sci USA. 2005; 102: 18550-18555.
- Endurance & Adventure Sports Injuries: Ultra-Marathon Running Injuries. In: Doral M., Karlsson J. (Ed.) Sports Injuries: Prevention, Diagnosis, Treatment and Rehabilitation: SpringerReference. Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2013.
- Monitoring des Flüssigkeitshaushalts im Sport. Dtsch Z Sportmed. 2014; 65: 342-346.
Kastanienweg 27/1
73732 Esslingen
volkerscheer@yahoo.com