Deutscher Olympischer Sportärztekongress der DGSP & GOTS: Gemeinsam für einen gesunden Sport
EDITORIAL

Congress of German Olympic Sports Medicine of DGSP & GOTS: Together for a Healthy Sport

Deutscher Olympischer Sportärztekongress der DGSP & GOTS: Gemeinsam für einen gesunden Sport

Der nächste deutsche Sportärztekongress steht vor der Tür; er wird in diesem Jahr zusammen mit der GOTS als „Deutscher Olympischer Sportärztekongress“ vom 24. bis 26. Mai in Hamburg ausgetragen. Manche werden sich nach dem Grund der Namensgebung fragen.

Nach der im Sommer 2014 getroffenen Entscheidung beider Gesellschaften, einen gemeinsamen Kongress von DGSP und GOTS zu veranstalten, verständigte man sich als Austragungsort auf die Stadt, die im deutschlandinternen Wettstreit um die Bewerbung zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 gewinnen würde. Das war im Herbst 2014 Hamburg. Und um die Nähe zu Olympia zu dokumentieren, wurde die Bezeichnung „deutscher olympischer Sportärztekongress“ gewählt…

Zwischenzeitlich haben sich zwar die Voraussetzungen geändert, die Bevölkerung Hamburgs hat sich in einem Volksentscheid gegen eine Bewerbung um die Durchführung der Spiele entschieden – der Name ist geblieben.

Das wissenschaftliche Kongressprogramm

Die Teilnehmer erwartet ein umfassendes Programm, welches die Handschriften beider Gesellschaften zeigt: In zahlreichen Schwerpunktthemen wird das gesamte Spektrum der aktuellen sportmedizinischen Forschungsaktivitäten demonstriert.

Die Inhalte der Beiträge umfassen dabei molekulare und zellbiologische Ansätze der Dosiswirkungsfindung im Training, wodurch wichtige Informationen über das individuelle Belastungsmonitoring gewonnen werden können. Auch das Thema “Microbiome” hat mittlerweile Einzug in die Sportmedizin gehalten; in einer eigenen Session wird der Frage nachgegangen, ob und wie sich die Meneg und Zusammensetzung der Darmbakterien auch auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt.

In einer Sektion „Belastung und Metabolismus“ werden Untersuchungen über die Auswirkungen von Training auf verschiedene Stoffwechselprozesse dargestellt; auch über die Möglichkeit zum gezielten Training der Aktivität des Fettgewebes sowie Training unter besonderen Nährstoffangebot (z. B. unter kohlenhydratreduzierter Kost) wird berichtet.

Einen großen Teil werden naturgemäß Untersuchungen über die Effekte von Bewegungstherapie bei verschiedenen Erkrankungen einnehmen, in diesem Jahr mit besonderem Schwerpunkt auf Karzinomerkrankungen, insbesonders auch unter dem Aspekt der individuellen Dosis-Wirkungs-Findung.

In einem Block „Neurodegeneration“ werden u. a. auch die Ergebnisse neuer Untersuchungen zu den Auswirkungen des Kopfballspiels beim Fußball von erheblichem Interesse sein. Sollte man tatsächlich das Kopfballspiel im Fußball verbieten, wie es z. T. bereits in den USA – zumindest für Kinder - praktiziert wird?

Überlastungen des Muskel-Sehnenapparats stellen eine große Herausforderung für die praktische Sportmedizin dar; in den Beiträgen wird unter anderem auch der Frage nachgegangen, ob Sehnen durch bestimmte Trainingsmethoden spezifisch gekräftigt werden können und welche operativen Möglichkeiten es bei hartnäckigen Problemen gibt.

Im Abschnitt „Sitzen als Risikofaktor“ werden Möglichkeiten zur Dokumentation von Bewegungs- und Ruhephasen im Alltag vorgestellt, ebenso wie Ergebnisse von Versuchen, über Verhaltensbeeinflussung einen bewegteren Lebensstil zu induzieren.

In der Sektion „Personalisierte Sportmedizin“ erwarten die Teilnehmer u. a. Ergebnisse darüber, welche Marker für die Überprüfung der individuellen Trainingsreaktion am besten geeignet sind und wie dadurch eine Optimierung von Trainingsinterventionen erreicht werden kann.

Interessant ist sicher auch der Block „Kinder- und Jugendliche“. Hier geht es um Themen wie das Barfußlaufen im frühkindlichen Alter, um Energiestoffwechsel, Ausdauer, Leistungsdiagnostik bis hin zur EBV-Serologie bei den jüngsten Sportlern.

Im Abschnitt „Neue Wege in der Leistungsdiagnostik“ werden in diesem Jahr neben den Beschreibung neuer Verfahren zur Testung der motorischen Grundfertigkeiten auch mehrere Verfahren zur Leistungseinschätzung in Spielsportarten vorgestellt, insbesonders auch auf dem Gebiet der kognitiven Fähigkeiten, deren Bedeutung in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus des Interesses gerückt ist. In dieser Sektion ist sicherlich auch die Vorstellung von Tests zur Einschätzung des Rehabilitationsverlaufs nach schweren Sportverletzungen für die „return to praxis“ oder „return to play“ Entscheidung von besonderem Interesse.

Interest Groups

Bei den Treffen der „Interest-Groups“ (s. u.) sollen die Themen „Sportkardiologie“, „Rückenschmerz“, „Leistungssport“ und „aktivitätsbezogene Prävention“ diskutiert und weitere Forschungsaktivitäten geplant werden.

Eine wichtige Aufgabe dieses Kongresses wird darin liegen, bei der Betrachtung sportmedizinischer Probleme vermehrt einen holistischen Ansatz zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit hierfür zeigt sich z. B. deutlich bei der Betreuung von Mannschaftssportarten, wo sich die in der Regel exzellent ausgewiesenen orthopädisch-traumatologischen Mannschaftsärzte in bemerkenswerter Weise zurückhalten, wenn in bestimmten Phasen der Saison im Training von Spielerinnen und Spielern hohe und höchste Belastungsintensitäten oft ohne adäquate Regenerationsphasen gefordert werden. Da die körperliche Erschöpfung ein immens hohes Verletzungsrisiko darstellt, sollte schon darauf geachtet werden, dass Mannschaftsärzte die Grundlagen der biologischen Anpassungsprozesse an Training, der Leistungsdiagnostik sowie der Belastbarkeitssteuerung kennen, um gelegentlich etwas mäßigend eingreifen zu können.

Aber auch die allgemeinmedizinisch/internistisch tätigen Sportmediziner sind gut beraten, sich zumindest einige orthopädische Grundkenntnisse anzueignen: sie sind bei der Verordnung von Bewegungstherapie z.B. für Patienten mit Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen zwar in der Lage, gute Empfehlungen über Häufigkeit und Intensität einer notwendigen Bewegungstherapie zu geben, häufig aber ratlos und überfordert, wenn diese Patienten aufgrund von chronischen Gelenkproblemen oder Rückenschmerzen dieses empfohlene Training gar nicht umsetzen können.

Die Kongresse als Kommunikationsplattform

Die jährlichen Kongresse der medizinischen Fachgesellschaften haben neben der Vermittlung aktueller neuer Erkenntnisse innerhalb des Faches auch eine wichtige Funktion als Plattform zum Austausch der Mitglieder untereinander sowie zur Knüpfung und Aufrechterhaltung bestehender sozialer Kontakte. Leider haben die Kongresse der DGSP in den letzten Jahren diesen familiären Charakter weitgehend eingebüßt.

Eine wichtige Ursache hierfür dürfte die zunehmende Diskrepanz zwischen einem sehr stark wissenschaftlich ausgerichteten Anspruch der Kongress-Organisatoren sowie den immer wieder eingeforderten Bedarfen großer Teile unserer Mitglieder sein, denen die Vermittlung konkreter Handlungsanweisen in bestimmten Alltagsproblemen, die diagnostischen Zugangswege bei alltäglichen sportbedingten Überlastungs- und Verletzungsschäden sowie vielleicht auch die richtige Ansprache von Patienten, bei der Motivierung zu einer dringend notwendigen Lebensstilmodifikation sehr viel wichtiger zu sein scheinen, als die Vermittlung neuester wissenschaftlicher „high end“-Ergebnisse molekularbiologischer Zusammenhänge oder auch die Präsentation von Ergebnissen besonderer Operationstechniken (ein ähnliches Problem begleitet uns im übrigen seit vielen Jahren bei der Gestaltung unserer „Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin“, die manchen wissenschaftlich tätigen Mitgliedern zu populärwissenschaftlich ist, dass sie ihre Forschungsergebnisse lieber in anderen Zeitschriften publizieren, vielen anderen Mitgliedern dagegen zu wissenschaftlich abgehoben ist, dass sie sich mit diesen Inhalten nicht auseinander setzen wollen). Hier zeigt die GOTS jedes Jahr, wie es möglich ist, hochwertige wissenschaftliche Qualität mit praxisrelevanten Beiträgen zu verknüpfen.

Selbstverständlich sind wir als eine wissenschaftliche Fachgesellschaft auf qualitativ hochwertige Forschungsleistungen unserer sportmedizinischen Institute angewiesen, um uns im inneruniversitären Ranking, aber auch in der scientific community zu behaupten; wir dürfen andererseits aber nicht aus den Augen verlieren, dass das Interesse der weitaus größten Zahl unserer Mitglieder ganz andere Schwerpunkte von deutlich größerer Praxisrelevanz fordert. Hier muss es uns gelingen, künftig noch besser beide Bedarfe in adäquater Weise zu befrieden und zu decken; das wird eine Herausforderung für die Organisatoren künftiger Kongresse sein.

Vielleicht ist das von unserem Wissenschaftsrat initiierte und von Prof. Frank Mayer und seinem Team in Potsdam exzellent organisierte erste Nachwuchssymposium der DGSP ein erster Schritt gewesen, die etwas verloren gegangene familiäre Atmosphäre sportmedizinischer Tagungen wieder zu beleben. Am letzten Septemberwochenende 2017 trafen sich fast 200 junge Kolleginnen und Kollegen aus fast allen universitären sportmedizinischen Einrichtungen Deutschlands zur Präsentation wissenschaftlicher Ergebnisse, aber auch zum Austausch über verschiedene Karrierewege in der Sportmedizin oder die Feinheiten bei der Beantragung von Drittmitteln zur Forschungsförderung in den Räumen des sportwissenschaftlichen Instituts der Universität Potsdam.

Ein Ergebnis dieser Veranstaltung war die Gründung von vier „Interest groups“ mit den Themenschwerpunkten „aktivitätsbezogene Prävention“, „Leistungssport“, „Low back pain” und “Sportkardiologie“ die sich als Ausgangspunkte für weitere wissenschaftlichen Aktivtäten, vor allem aber auch als Plattform für künftige Netzwerkaktivitäten verstehen und die auch im Rahmen dieses Kongresses zusammenkommen werden.

Sportmedizin als ein Fach, das sich aus unterschiedlichen Disziplinen zusammensetzt hat in der Vergangenheit immer den holistischen Ansatz vertreten. Insofern sind Vorstöße von etablierten Fachgesellschaften zwar zu begrüßen, die die präventive und therapeutische Bedeutung von Bedeutung für ihre Fächer erkennen und sportmedizinische Zusatzqualifikationen entwickeln. Es gibt inzwischen „Sportdiabetologen“, „Sportkardiologen“, „Sportpädiater“, „Sportpulmologen“ etc. Das ist aus Sicht der Sportmedizin zunächst sehr erfreulich. Problematisch kann es aber dann werden, wenn der holistische Ansatz in diesen Subspezialisierungen aus den Augen verloren wird. Die verschiedenen Fachgesellschaften sollten deshalb die Zusatzbezeichnung „Sportmedizin“ als Mindest-Basisqualifikation als Voraussetzung für diese Subspezialisierung fordern.

Wir wollen auf dieser Tagung die neuen Entwicklungen der Sportmedizin vorstellen, die sehr häufig durch interdisziplinäre Forschungsaktivitäten mit verschiedenen klinischen Fächern begünstigt werden. Wir wollen Daten präsentieren, die uns auf dem Weg, Bewegung bei der Behandlung zahlreicher chronischer Krankheiten als echte therapeutische Alternative zu etablieren, weiter voranbringen und uns dabei helfen, die Bewegungstherapie zu einem von den Kostenträgern akzeptierten Therapiekonzept bei der Behandlung chronischer Erkrankungen zu machen.

Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann
Universität Hamburg, Arbeitsbereich
Sport- und Bewegungsmedizin
Institut für Bewegungswissenschaft
Turmweg 2, 20148 Hamburg
braumann@uni-hamburg.de
zantop@sporthopaedicum.de