Sportmedizin
ORIGINALIA
HERZFREQUENZ UND IMMERSION

Herzfrequenzverhalten und Herzfrequenzvariabilität während der Immersion

Influence of the Immersion on the Heart Rate and Heart Rate Variability

Department Sportwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

ZUSAMMENFASSUNG

Die Immersion in Wasser (Head-Out Water Immersion) löst vor allem in physiologischer Hinsicht eine Vielzahl von Adaptationsprozessen aus. Diese Vorgänge werden in der Bewegungstherapie im Wasser bewusst genutzt und können Therapiekonzepte maßgeblich unterstützen. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen während dieser Immersion berücksichtigt werden, um eventuell auftretende Kontraindikationen vorzubeugen. Insbesondere die Anpassung der Herzfrequenz im Wasser verhielt sich in den vorgenommenen Untersuchungen nicht wie in der Literatur allgemein beschrieben. Es wird von einer Reduktion der Herzfrequenz um ca. 10 – 15 Schlägen pro Minute ausgegangen, welche bei selbst durchgeführten Versuchen nicht bestätigt wurde.
Das Ziel der Untersuchung bestand darin, die Auswirkungen des Mediums Wasser im thermoneutralen Bereich von 32 - 34°C auf die Herzfrequenz (Hf) und Herzfrequenzvariabilität (HRV) zu überprüfen.
Die Studie zeigte, dass der Einfluss der Immersion auf den Organismus von der Körperposition abhängig ist und sich die Herzfrequenzwerte im Vergleich zur Landsituation nicht signifikant veränderten.Im Rahmen der varianzanalytischen Auswertung ergab der Vergleich der Sitzposition eines Menschen an Land und im Wasser nur ein geringfügiges Absinken der Hf bzw. ein Ansteigen der HRV.
Die Gegenüberstellung von Rückenlage an Land und im Wasser zeigte keine signifikanten Veränderungen. In der Bauchlage konnte ein Anstieg der niedrigfrequenten Parameter (LF) und eine Veränderung des Verhältnisses von niedrigfrequenten und hochfrequenten Werten (LF/HF) ermittelt werden.

Schlüsselwörter: Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Immersion, Tauchreflex, Hypervolämie

SUMMARY

Head out Water Immersion induces a wide range of adaptation processes, above all with physiological regard. These processes are more and more used within exercise therapy in the water and can decisively support physiotherapy. To prevent contraindications, basic conditions have to be considered contemporaneously during immersion.
According to the analysis described here, the adaptation of the heart rate in the water in particular reacts differently than what is generally described in publications.
The basic assumption of heart rate reduced by around 10 – to 15 beats per minute has not been confirmed in our investigation.The purpose of the investigation was to examine the consequences of the medium water in the thermo-neutral range of 32 - 34°C for heart rate and heart rate variability.
The study showed that the influence of immersion on the organism depends on the body position and the heart rate values didn’t change significantly from values on land.
Variance-analytic evaluation of the comparison of persons seated on land and in the water revealed only a slight drop in heart rate or rise in heart rate variability. The comparison of supine position on land and in the water showed no significant changes. In the abdominal position, an increase of the low frequency parameters (LF) and a change of the relation from low frequency and high frequency values (LF/HF) could be determined.

Key words: Heart Rate, Heart Rate Variability, Immersion, Diving Reflex, Hypervolaemia

PROBLEMLAGE – HERZFREQUENZ UND AUFENTHALT IM WASSER

Die zunehmende Bedeutung von Bewegungsprogrammen im Wasser für präventive und rehabilitative Zielstellungen macht eine präzise Belastungssteuerung mittels der Herzfrequenz notwendig (6).Seit Jahrzehnten geht man davon aus, dass durch den sogenannten „Tauchreflex“ eine Verlangsamung (Bradycardie) der Herztätigkeit um 6 - 15% ausgelöst wird. Dieses Phänomen wurde erstmals 1870 bei Enten beschrieben und 1941 beim Menschen bestätigt (1, 8). Dieser Reflex wird vor allem mit dem Eintauchen des Gesichts in das Wasser unterhalb der Thermoneutralität in Verbindung gebracht und phylogenetisch begründet.
Die Herzfrequenzsenkung während des Aufenthaltes im Wasser wird zusätzlich zum Tauchreflex durch die immersionsbedingte Umverteilung des Blutes von der Peripherie in die thorakalen Gefäße (regionale Hypervolämie) erklärt (3). Diese Blutvolumenverschiebung wird durch den hydrostatischen Druck des Wassers hervorgerufen. Die folgende Erhöhung des Schlagvolumens führt bei einem identischen Herzzeitvolumen theoretisch zu einer Reduktion der Herzfrequenz, (vorausgesetzt, die Belastung verändert sich nicht).
Man gelangt dann zu der vermeintlich logischen Schlussfolgerung, dass die Herzfrequenzabsenkung ca. 10 – 15 Schläge pro Minute während der Immersion gegenüber vergleichbaren Frequenzen an Land beträgt (13). Unter Berücksichtigung dieses Aspektes werden die erforderlichen Trainingsfrequenzen (z.B. aerobes Training) abgeleitet. Für Trainingsprogramme im Wasser werden durchschnittlich um 5 -10% geringere individuelle Herzfrequenzwerte als an Land gefordert.
Es wird ergänzt, dass „das Ausmaß der Frequenzverschiebung sowohl in Ruhe als auch unter körperlicher Belastungen etwa gleich ist“ (13).
Interessant ist, wie differenziert diese Erkenntnisse in den unterschiedlichen Anwendungsfeldern berücksichtigt werden: In leistungssportlichen Publikationen zur Trainings- und Belastungsgestaltung im Sportschwimmen findet dieses Phänomen keine Berücksichtigung (15). Es wird das allgemeine trainingswissenschaftliche Konzept der Belastungsgestaltung mittels der Herzfrequenz auf das Sportschwimmen übertragen.
Im Bereich der Bewegungstherapie wird die Wirkung des hydrostatischen Druckes auf das venöse System mit einer Erhöhung des Schlagvolumens um 10 – 20 Prozent beschrieben. Durch die Senkung des Gefäßwiderstandes bleibt das Herzminutenvolumen unverändert (14). Der Tauchreflex wird ebenso erwähnt und dessen Wirkung mit einer Reduktion von 10 – 15 Herzschlägen/min definiert. „Die physiologische Reaktion besteht in einem erhöhten Schlagvolumen, und bei Senkung der Herzfrequenz bleibt das Herzminutenvolumen gleich“ (14, S. 4). Auch hier wird ein Vergleich mit der Frequenz an Land unter der Anmerkung, dass sich „die Herzfrequenz bei einer Wassertemperatur von 24 – 28°C in Ruhe um ca. 25% und bei Maximalbelastung um ca. 10% verringert“, beschrieben (14, S. 5).
Bezüglich der Belastungsgestaltung für die Aquafitness bezieht man sich primär auf traditionelle Studien (13) und empfiehlt, eine Reduktion der Herzfrequenz um ca. 10 bis 15 Schläge/min im Vergleich zu den Bedingungen an Land zu berücksichtigen (12).
Eine zumindest in Ansätzen kritische Position ist in der internationalen Literatur erkennbar. In verschiedenen Studien wird deutlich, dass die Adaptation der Herzfrequenz nicht immer eindeutig mit einer Reduktion während des Aufenthaltes im Wasser verbunden war (10). Diese Studie vergleicht das Laufen auf dem Band mit dem Laufen im Strömungskanal und weist eine Zunahme der Differenz der Herzfrequenz zwischen Wasser und Land bei steigender Belastung nach. Offen bleibt die Eindeutigkeit der Vergleichbarkeit des Laufens auf dem Band und im Wasser. „Approximately one-half the speed was required to walk at a similar level of self-exertion in water as compared on land (4, S.36). Zusätzlich wird eine Abhängigkeit von der Wassertemperatur diskutiert (2, 12).
Die bisher beschriebenen Ansätze in unterschiedlichen Sport- und Bewegungsfeldern im Medium Wasser decken sich einerseits in der Forderung, eine Reduktion der Herzfrequenz zu berücksichtigen. Andererseits wird dieses Phänomen unterschiedlich interpretiert bzw. teilweise widersprechen sich die Deutungen.
Die Autoren dieses Artikels hatten die Lehrauffassungen der Herzfrequenzreduktion ebenfalls viele Jahre vertreten. Selbst durchgeführte Analysen zum Verlauf der Herzfrequenz während des Aquatrainings wiesen eher zufällig auf den ausbleibenden Immersionseffekt hin und motivierten, diese vorliegende Studie durchzuführen.
In diesem Zusammenhang sollte die zusätzliche Messung der Herzfrequenzvariabilität die Aussagen dieser Untersuchungen ergänzen. Das Verhalten der Herzfrequenzvariabilität wird gegenwärtig in den unterschiedlichsten Bereichen (Innere Medizin, Neurologie, aber auch im Ausdauer- und Entspannungstraining) intensiv untersucht (7). Die Schwankungen der Herzfrequenz werden als Herzfrequenzvariabilität (HRV, englisch: Heart Rate Variability) bezeichnet. Dieser Parameter wird in der Medizin als diagnostische Größe genutzt und zunehmend auch zur Klärung von Belastungsfragen bei Bewegungsprogrammen bemüht (9). Die Bedeutung der einzelnen Parameter wird in der Tabelle 1 erläutert.Bezüglich der Anpassung der HRV im Wasser findet man in der Literatur keine Hinweise.
Der Einfluss des Mediums Wasser auf das physiologische Verhalten der Herzfrequenzvariabilität könnte aber die inhaltliche Gestaltung präventiver und bewegungstherapeutischer Programme unterstützen und deren Wirkungen präzisieren. Insofern ergaben sich für die Autoren folgende Aufgabenstellungen:

  1. Die Veränderung der Herzfrequenz während der aqualen Immersion bei unterschiedlichen Körperlagen,
  2. die Auswirkungen des Mediums Wasser auf die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und
  3. die Veränderung der Herzfrequenz während einer konstanten Belastung mittels AquaCycling bei unterschiedlichen Eintauchtiefen zu überprüfen (Abb. 2).

UNTERSUCHUNGSMETHODIK

Zur Aufzeichnung der kardialen elektrischen Impulse (Bestimmung der Herzfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität) wurde die Polaruhr S 810, welche über eine Aufzeichnungsdauer von ca. 30.000 Herzschlägen verfügt, eingesetzt.Die aufgezeichneten Daten wurden mittels dem Polar IR Interface in einen Personalcomputer eingelesen und mit der Software PolarPrecision-Perfomance 4.0 ausgewertet.

Deskriptive und prüfende Statistik
In jeder Körperposition wurden die Mittelwerte und Standardabweichungen der einzelnen Parameter für die statistische Aufbereitung bestimmt und mit Hilfe des Kolmogorov-Smirnov Tests die Normalverteilung überprüft. Normalverteilte Daten wurden mittels T-Test bei gepaarten Stichproben miteinander verglichen. Es wurden die Parameter der Bauchlage an Land den Parametern der Bauchlage im Wasser und die Parameter der Rückenlage an Land den Parametern der Rückenlage im Wasser gegenübergestellt. Der Vergleich der sitzenden Positionen an Land, in hüft- und schultertiefem Wasser wurde mittels multivariater Varianzanalyse durchgeführt. Das Signifikanzniveau ist definiert als p≤0,05. Die statistische Bearbeitung erfolgte mit dem Programm SPSS® 11.0.
An den Untersuchungen nahmen 26 Studentinnen und 40 Studenten teil. Die zusätzliche Einbindung von 11 gesunden Senioren sollte eine eventuelle Altersabhängigkeit aufdecken, erfüllte aber nicht die statistisch geforderte Mindestanzahl von Probanden. Bei den Senioren wurde die HRV nicht gemessen. Folgende Situationen wurden verglichen:
Die Untersuchung unterteilt sich in 7 Messungen der HRV und Hf, an einem Tag wurde nur eine Körperlage untersucht:

  1. 5 Minuten Liegen auf dem Rücken an Land 
  2. 5 Minuten Liegen auf dem Bauch an Land
  3. 5 Minuten Sitzen an Land
  4. 5 Minuten Sitzen in hüfttiefem Wasser
  5. 5 Minuten Sitzen in schultertiefem Wasser
  6. 5 Minuten Liegen auf dem Rücken im Wasser 
  7. 5 Minuten Liegen auf dem Bauch im Wasser

Ein wesentlicher Teil der Untersuchung war durch die Aufzeichnung der Herzfrequenz während des AquaCyclings („Radfahren im Wasser“) in hüft- und schultertiefer Position. Dadurch ergab sich ein Zugang zum Verhalten der Herzfrequenz während einer körperlichen Beanspruchung im Wasser.

ERGEBNISSE

Es wurden die Herzfrequenzwerte der Probanden bei unterschiedlicher Eintauchtiefe und verschiedenen Körperlagen mit den Frequenzwerten an Land verglichen.
Zusätzlich wurden einzelne Parameter der Herzfrequenzvariabilität ermittelt. In der ersten Untersuchung ergab sich folgendes Bild:

Vergleich der Herzfrequenz während der Sitzposition an Land (SL) und im Wasser (schultertiefes Sitzen, SSW), Wassertemperatur: 34°C
Senioren: N=11; Die Herzfrequenz im Wasser veränderte sich nur geringfügig: Mittelwert - 2.0 (Irrtumswahrscheinlichkeit 22%). Es ist kein signifikanter Stichprobenunterschied nachweisbar.
Studenten: N= 29; Auch hier veränderte sich die Herzfrequenz im Wasser nur geringfügig: Mittelwert - 2.7. Der Stichprobenunterschied kann mit 1% Irrtumswahrscheinlichkeit als signifikant ausgewiesen werden.
Die Abbildung 1 zeigt, dass sich bei allen Probanden die Frequenzwerte an Land und im Wasser nur geringfügig unterscheiden.
Die Tabellen 2 - 5 lassen folgende Interpretationen zu: In der Sitzposition wird die Herzfrequenz mit zunehmender Eintauchtiefe geringfügig reduziert. Der High Frequency (HF) Wert nimmt zu. (Tab. 2 - 4).
In der Bauchlage ergeben sich für die durchschnittliche Hf (61,2±11,4) im Wasser verglichen mit der durchschnittlichen Hf (62,5±10,0) an Land keine nachweislichen Veränderungen. Allerdings steigt der Parameter LF signifikant an, woraus ein Anstieg des Parameters LF/ HF resultiert (Tab. 5).
In der Rückenlage an Land betrug die durchschnittliche Hf 61,5±9,9 Schläge pro Minute. Die durchschnittliche Hf in der Rückenlage im Wasser liegt mit 59,6±9,9 Schlägen pro Minute nur um 1,9 unter der Hf an Land. Ein signifikanter Unterschied ist nicht feststellbar. Ebenso verändert sich keiner der HRV-Parameter.
Ausgesprochen wichtig ist, dass sich die Herzfrequenz der Probanden auf dem Aquabike in hüfttiefer und schultertiefer Position bei konstanter Tretfrequenz nicht verändert hat (Abb. 2). In Abb. 2 sind zusätzlich die Werte für die Ruheposition auf dem Bike und unter Belastung an Land aufgeführt. Ein Vergleich zwischen Land- und Wasserbedingungen konnte aber nicht erstellt werden, da zusätzlich zum Tretwiderstand der Wasserwiderstand durch die unteren Extremitäten zu überwinden ist.

INTERPRETATION UND ERGEBNISSE

Die Untersuchungsergebnisse dokumentieren, dass die Herzfrequenzanpassung individuell determiniert ist und von der Körperlage abhängt. Die in der Literatur jahrzehntelange beschriebene automatische Reduktion der Herzfrequenz konnte nicht bestätigt werden!
Die detaillierte, vergleichende Analyse weist eine überwiegend individuelle Herzfrequenzadaptation nach. Diese Anpassung im Wasser drückt sich in Form der Reduktion, Erhaltung aber auch Steigerung der Herzfrequenz aus, die weder vom Alter oder Geschlecht abhängig war (Abb. 1).
Mit der Gelenkentlastung und Muskelentspannung gehen eine zunehmende parasympathische und eine abnehmende sympathische Aktivität einher. Der Anstieg der Parameter HF, sowie der Abfall des Parameters LF lassen auf diese Annahme schließen.
Der Parameter VLF ist signifikant gefallen. Das bedeutet, dass das Renin Angiotensin-System einen geringeren Einfluss auf das barorezeptorische System ausübt, woraufhin die Barorezeptoren ihre Wirkung ohne Einschränkungen entfalten können (7). Das Verhalten der Barorezeptoren kann am Parameter LF abgelesen werden. Die Position im schultertiefen Wasser scheint die Aktivität der Barorezeptoren nicht zu beeinflussen, da der Parameter LF nicht nachweislich variiert. Daraus erschließt sich, dass der Blutdruck vermutlich im Bereich des Soll-Werts liegt. Für die Erhöhung der HRV sind die Wirkfaktoren des Wassers verantwortlich.
Die Steuerung der Herzfrequenz ist ein komplexer Prozess, wird aber überwiegend im eindimensionalen Zusammenhang, d.h. als Kausalitätsprinzip interpretiert. Der komplexe Charakter der Herzfrequenzsteuerung ergibt sich u. a. aus der Beeinflussung durch:

  • das Lebensalter. Der Regulationsbereich Ruhe-Maximalwert nimmt im Altersgang ab.
  • das Geschlecht. Die Ruhe-Hf der Frau liegt deutlich höher. Im submaximalen Leistungsbereich erreichen Frauen höhere Frequenzen bei identischer, äußerer Arbeit.
  • die anlagebedingte interindividuelle Variabilität. Die interindividuellen Schwankungen betragen bei identischen Bedingungen 10- 20 % des Mittelwertes.
    - den circadianen Rhythmus
    - den Trainingszustand
    - den Gesundheitszustand
    - physikalische Umgebungseinflüsse (5).

Zu letzterem gehört natürlich auch die Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen (Immersion). Neben mechanischen, chemischen, thermischen und elektrischen Reizen wird die autonome Tätigkeit des Herzens unabhängig von der Immersionsproblematik reflektorisch und zentral beeinflusst.
Mechanische Reize im Sinne einer Dehnung des Herzmuskels durch das einströmende Blut bewirken besonders bei der Immersion bis zum Hals eine Umverteilung einer bis zu 1000 ml umfassenden Blutmenge aus den Venen der unteren Extremitäten in thorakale Gefäße („blood shift“). Bereits unter „Land“bedingungen existiert ein Druckgradient zwischen oberer und unterer Körperhälfte von > 13 kPa (100 mmHG) mit Einspeicherung einer größeren Menge Blutes in den venösen Kapazitätsgefäßen der Beine.
Thermische Reize sind natürlich unter Immersionsbedingungen relevant. Niedrige Wassertemperaturen erhöhen den individuellen Wärmeverlust und infolge der thermoregulatorisch sinnvollen Reduzierung der Hautdurchblutung kommt es zu einer Ruheherzfrequenzabsenkung.
Hier scheint des Rätsels Lösung gefunden zu sein. Moderne Bewegungsbäder verfügen durchschnittlich über eine Wassertemperatur von 32 - 34°C. Dieser thermoneutrale Temperaturbereich im Wasser könnte die ausgebliebene Reduktion der Herzfrequenz erklären. Der Widerspruch entsteht, wenn man sich auf Untersuchungen bezieht, welche im so genannten kühlen bis kalten Wasser vorgenommen worden sind.
Typischerweise bewirkt eine CO2-Erhöhung im Blut besonders im Bereich der Medulla oblongata eine Verstärkung des hemmenden Einflusses des Vagus und damit eine Herzfrequenzsenkung.
Sowohl die Reizung des Atemapparates (mechanischer bzw. chemischer Reiz der Nase) als auch des Verdauungsapparates (z. B. mechanisch) führen zu einer Pulsverlangsamung.
Unter Immersionsbedingungen können die mechanischen Reizungen von Auge (Bulbusdruckversuch) und Carotis (Carotisdruckversuch) als auch Schmerzreize trotz entsprechender Herzfrequenzabsenkung vernachlässigt werden.
Die Komplexität ergibt sich demzufolge aus dem Einfluss des Mediums Wasser sowohl auf den elektrischen Bereich (Erregung) und als auch den mechanischen Bereich (Pumptätigkeit, Systole, Diastole) der Herztätigkeit.
Die bei dieser Problematik interessierenden physiologischen Mechanismen (Bainbridge-Reflex, Bezold-Jarisch-Reflex, FrankStarling Mechanismus u.a.) können nur im Zusammenhang mit „blood shift“ und der vertikalen Immersion unter Ruhebedingungen in Betracht gezogen werden.
Zusammenfassend ergeben sich aus unserer Sicht folgende Ableitungen: Bewegungsaktivitäten in der vertikalen Körperposition (Bewegungstherapie, Aquatraining) aber auch in der Rücken- bzw. Brustlage während des Schwimmens mit nur kurzzeitigem Wasserkontaktes des Gesichtes während der Ausatmung erfordern keine Berücksichtigung einer eventuellen Herzfrequenzreduktion. Dies gilt aber ausschließlich für den thermoneutralen Bereich (32- 34°C)! Vielfältige Publikationen und daraus folgende Ableitungen bis in die Gegenwart hinein beziehen sich häufig auf frühere Untersuchungen im kühlen bis kalten Wasser, in dem eine Bradycardie nachweisbar ist. Dieser Aspekt ist für die Bewegungstherapie im Wasser nicht relevant, da spätestens seit 10 Jahren Bewegungsbäder ausschließlich im thermoneutralen Wasser eingestellt sind.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.

LITERATUR

  1. Bert P Lecons sur la Physiologie. in: J.B. Bailli`re et fils. Lecons sur la Physiologie Comparee, 1st ed. Paris (1870) 544.
  2. Boussuges A Immersion in thermoneutral water: effects on arterial compliance. Aviat Space Environ Med 11 (2006) 1183-1187.
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  15. Wilke K, Madsen O Das Training des jugendlichen Schwimmers, Hofmann, Schorndorf, 1997, 364.
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Dr. Andreas Hahn
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