Geschwindigkeitsverteilung und Wettkampferfolg auf der Sprintdistanz im Eisschnelllauf
Pacing and Success for the Sprint in Ice Speed Skating
ZUSAMMENFASSUNG
Handlungsempfehlungen im Eisschnelllauf propagieren, auf Sprintstrecken frühzeitig maximale Laufgeschwindigkeiten zu realisieren. Es wurde geprüft, ob Eisschnellläufer/innen im Wettkampf diese Anweisung befolgen und wie sich erfolgreiche gegenüber weniger erfolgreichen Athleten verhalten. Von 45 weiblichen und 53 männlichen internationalen Spitzeneisschnellläufern wurden während eines offiziellen Wettkampfes die Zwischen- und Endzeiten über die 1.000-m-Sprintdistanz analysiert. Die Unterteilung in erfolgreiche und weniger erfolgreiche Sportler wurde anhand der Platzierung unter Verwendung des Mediansplits vorgenommen. Die Prüfung von Unterschieden hinsichtlich der Häufigkeit einer Befolgung/Negierung der Handlungsempfehlung erfolgte mit Hilfe des Vorzeichentests. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern und unabhängig vom Leistungsniveau der Athleten zeigte sich, dass entgegen der Anweisung die ersten 600 m signifikant häufiger im Mittel langsamer absolviert wurden als die restlichen 400 m (Frauen: 76,3% vs. 23,7%, p=0.002; Männer: 90,2% vs. 9,8%, p<0.001). Dieser Befund lässt die Gültigkeit der Handlungsempfehlung für die untersuchte Wettkampfsituation bezweifeln und legt zugleich eine regulierende Verteilung der Laufgeschwindigkeit nahe. Gleichzeitig scheint die bloße Anwendung der Geschwindigkeitsgestaltung von erfolgreichen durch weniger erfolgreiche Eisschnellläufer/innen für den Wettkampferfolg allein nicht ausreichend zu sein, sodass der zusätzliche Einfluss physiologischer und technischer Aspekte verstärkt in den Fokus zukünftiger Forschung rücken sollte.
Schlüsselwörter: Laufstrategie, Spitzenathleten/innen, antizipative Geschwindigkeitskontrolle
SUMMARY
For sprint events in ice speed skating it is frequently recommended to perform maximal velocities early in the race. Observations have been made to find out whether or not top-level speed skaters use this pacing strategy during official competition, and how it can be observed comparing successful to less successful athletes. Split times and final times of 45 female and 53 male ice speed skaters in the 1,000-m sprint event were analysed. Skaters were devided into successful and less successful athletes based on their achieved rank using the median split technique. Sign test was used to determine differences in the frequency of adherence/non-adherence of the proposed strategy. Contrary to the strategy, male and female athletes, regardless of their calibre were significantly more likely to perform the first 600 m slower than the final 400 m (females: 76.3% vs. 23.7%, p=0.002; males: 90.2% vs. 9.8%, p<0.001). This finding calls into question the validity of the proposed pacing strategy for the investigated competition and suggests a regulatory distribution of skating velocities throughout sprint events. Additionally, using the pacing strategy adopted by successful skaters, it does not necessarily result in a good ranking during competition. Therefore, the additional effect of both physiological and technical aspects on speed skating performance should be addressed in further studies.
Key words: pacing strategy, elite female/male athletes, anticipatory speed control
EINLEITUNG
Das Ziel in der Sportart Eisschnelllauf besteht darin, eine vorgegebene Distanz in der kürzesten Zeit zu absolvieren. Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Maßgabe ist es notwendig, die energetischen Ressourcen über den Rennverlauf optimal zu verteilen. Dies kann bspw. dadurch geschehen, dass die Laufgeschwindigkeit in der Startphase sowie in den nachfolgenden Rennabschnitten variiert wird. In Handbüchern zum Eisschnelllauf finden sich daher, differenziert nach Kurz-, Mittel- und Langdistanzen, dezidierte Handlungsanweisungen für die Gestaltung der Laufgeschwindigkeit über den Rennverlauf. Fokussiert auf die Sprintstrecken, d.h. für Läufe über 500 m und 1000 m wird ein schneller Start, verbunden mit der Realisierung einer maximalen Laufgeschwindigkeit während der gesamten Wettkampfstrecke empfohlen (sog. „all-out effort“-Strategie), wobei ein Abfall in der Geschwindigkeit erst gegen Ende des Rennens erfolgen sollte (4, 8, 11). Aus energetischer Sicht wird diese Handlungsanweisung damit begründet, dass der zeitliche Gewinn durch die zu Beginn des Rennens aufgebrachte hohe Laufgeschwindigkeit eine größere Bedeutung besitzt als der zeitliche Verlust auf Grund der gegen Ende des Rennens geringer werdenden Geschwindigkeit (1, 15).
Wenn jedoch ab dem Start eine „all-out“-Anstrengung über die gesamte Sprintdistanz erbracht werden soll, dann ist bedingt durch ihren maximalen Charakter eine regulierende Verteilung der Laufgeschwindigkeit und damit der Energieressourcen nahezu unmöglich. Gleichzeitig besteht für die Athleten bei einer zu schnellen Ausschöpfung ihrer energetischen Reserven die Gefahr, auf Grund von Ermüdungsprozessen, bereits früher als gegen Rennende erhebliche Geschwindigkeitseinbußen zu erfahren (3, 5).
Die empirische Evidenz der Handlungsempfehlung, in Sprintwettbewerben einen schnellen Start sowie maximale Laufgeschwindigkeiten bereits in frühen Rennabschnitten zu zeigen, beruht jedoch bislang fast ausschließlich auf Simulationsstudien. Hierbei wurde an Hand von fahrradergometrischen Testdaten ein Modell erstellt, mit dessen Hilfe mögliche Leistungsabgaben simuliert sowie Laufzeiten für unterschiedliche Renndistanzen vorhergesagt wurden (1, 14). Im Ergebnis zeigte sich, dass auf den Sprintstrecken die schnellste Laufzeit erreicht wird, wenn die Leistungsabgabe zu Beginn des Rennens am größten ist. Die Aussagekraft dieses Befundes weist jedoch gewisse Limitationen auf, da Simulationen nur eine ungefähre, idealisierte und unvollständige Abbildung der tatsächlichen im Wettkampf erbrachten Laufzeiten sowie der realisierten Geschwindigkeitsverteilung erlauben. So macht eine detaillierte Betrachtung des methodischen Vorgehens deutlich, dass Einflussfaktoren nur in einem ausgewählten Maße und damit unvollständig berücksichtigt sowie einzelne Parameter (z.B. Eis- und Luftfriktion etc.) aus Gründen der Vereinfachung als konstant angenommen wurden, was letztendlich in Differenzen zwischen den geschätzten und den im Wettkampf erzielten Laufzeiten resultierte (3).
Die aus Sicht der Autoren einzige Untersuchung, welche sich bisher mit der Verteilung der Laufgeschwindigkeit im Wettkampf beschäftigte, wurde von Kuhlow (10) durchgeführt. Hierin erfolgte der Vergleich von Eisschnellläufern/innen mit unterschiedlichem Leistungsniveau bei den Sprintweltmeisterschaften in Inzell 1971. Hinsichtlich der Leistungsrelevanz einzelner Teilzeiten auf die Endzeit offenbaren die gewonnenen Ergebnisse jedoch ein gemischtes Bild, da sowohl die benötigte Zeit für den ersten Kurvenabschnitt als auch die für die Zielgerade genannt werden. Hinzu kommt, dass eine Konfundierung der Befunde nicht ausgeschlossen werden kann, da es sich in Inzell um eine Freiluftanlage handelt und somit wechselnde Wettereinflüsse, wie unterschiedliche Windverhältnisse, gewirkt haben könnten.
Resümierend herrscht zum gegenwärtigen Zeitpunkt Unklarheit darüber, ob Spitzenathleten/innen die Handlungsanweisung, in Sprintwettkämpfen frühzeitig maximale Laufgeschwindigkeiten zu realisieren, umsetzen und wie sich erfolgreiche im Gegensatz zu weniger erfolgreichen Eisschnellläufern/innen verhalten. Wenn die propagierte Empfehlung Leistungsrelevanz besitzt, dann sollte eine maximale Laufgeschwindigkeit bereits in den anfänglichen Rennabschnitten erreicht werden und ihre Realisierung mit vorderen Wettkampfplatzierungen einhergehen, d.h. vor allem bei den erfolgreichen Sportlern zu beobachten sein.
METHODIK
Athleten
Es wurden die Laufzeiten von N=98 Eisschnellläufern/innen (45 Frauen, 53 Männer) der internationalen Spitzenklasse analysiert. Die persönlichen Bestzeiten der Athleten lagen bei den Frauen 3% bis 25% und bei den Männern 3% bis 16% vom aktuellen Weltrekord entfernt. Die Laufzeiten wurden während einer Weltcupveranstaltung der International Skating Union in Berlin (17. bis 19. November 2006) realisiert. Der Wettkampf fand in einer Eissporthalle (400-m-Oval) statt, sodass eine Beeinflussung der erzielten Laufzeiten durch wechselnde Wettereinflüsse, wie unterschiedliche Windverhältnisse, ausgeschlossen werden kann.
Prozedur und Datenanalyse
Aus den offiziellen Wettkampfprotokollen, welche durch die Rennverantwortlichen bereitgestellt wurden, ließen sich die erzielten Zwischen- und Endzeiten über die 1.000-m-Distanz entnehmen. Insgesamt konnten drei Streckenabschnitte (erster Abschnitt: 0 bis 200 m, zweiter Abschnitt: 200 bis 600 m, dritter Abschnitt: 600 bis 1.000 m) unterschieden werden. Um die Rennverläufe der Athleten miteinander vergleichen zu können, erfolgte eine Normierung der Daten. Hierzu wurde für jeden Sportler die mittlere Laufgeschwindigkeit zu jedem der drei Streckenabschnitte berechnet und zum individuell erzielten mittleren Geschwindigkeitswert für die Gesamtstrecke in Beziehung gesetzt (6). Die resultierenden relativen Geschwindigkeiten wurden in Form von Mittelwerten und Standardabweichungen dargestellt. Zur Prüfung, ob maximale Laufgeschwindigkeiten bereits in den anfänglichen oder aber erst in späteren Rennabschnitten erzielt werden, wurde die Relation zwischen der an der persönlichen Bestzeit normierten 600-m- und 1.000-m-Laufzeit bestimmt (5). Hierbei reduzierte sich die Anzahl der analysierten Athleten auf 38 Frauen und 51 Männer, da nur von diesen eine persönliche Bestzeit dokumentiert war. Im Anschluss daran wurde eine Gerade mit der Funktion f(x) =1000/600x erstellt, die eine gleichmäßige Geschwindigkeitsverteilung repräsentiert. Nun konnten der Abstand sowie die Ausprägung der individuell erzielten Relation zu dieser Geraden bestimmt werden, wobei ein positives Vorzeichen eine langsamere und ein negatives Vorzeichen eine schnellere zweite Hälfte kennzeichnet. Aus den resultierenden Häufigkeiten konnte schlussendlich mit Hilfe des Vorzeichentests, für Frauen und Männer getrennt, beurteilt werden, ob eine Befolgung (positives Vorzeichen) oder Negierung (negatives Vorzeichen) der Handlungsanweisung vorlag. Des Weiteren wurde unter Verwendung des Mann-Whitney-U-Tests geprüft, inwieweit der Abstandswert in Abhängigkeit vom Leistungsniveau differiert. Im Rahmen der Datenanalyse konnte die Laufzeit von drei Eisschnellläuferinnen als Extremwert identifiziert werden, welche aus Gründen der Stichprobenhomogenisierung von allen Analysen ausgeschlossen wurden.
Zur Unterscheidung zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Eisschnellläufern wurden die Endzeiten der Sportler – für die Frauen und Männer getrennt – in zunehmender Reihenfolge aufgelistet. Danach wurden die Athleten mittels Mediansplit in erfolgreiche und weniger erfolgreiche Sportler unterteilt. Die statistische Datenanalyse erfolgte mit dem Programmpaket SPSS (Version 16.0). Das Signifikanzniveau war auf p<0,05 festgelegt.
ERGEBNISSE
Die Geschwindigkeitsprofile der erfolgreichen und der weniger erfolgreichen Eisschnellläufer über die 1.000-m-Distanz sind in Abbildung 1 für die Frauen und in Abbildung 2 für die Männer dargestellt. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern zeigt sich unabhängig vom Leistungsniveau der Athleten zunächst ein Geschwindigkeitsanstieg vom Streckenabschnitt 0- 200 m zum Abschnitt 200- 600 m, gefolgt von einem Geschwindigkeitsabfall im Abschnitt 600- 1.000 m. Im Mittel erreichen die erfolgreichen Sportler (Frauen: 77,70±0,72 Sekunden, Männer: 70,43±0,72 Sekunden) eine geringere Endzeit als die weniger erfolgreichen Athleten (Frauen: 81,92±2,50 Sekunden, Männer: 73,57±1,74 Sekunden).
Die Relationen zwischen der 600-m- und der 1.000-m-Laufzeit für die erfolgreichen und die weniger erfolgreichen Eisschnellläufer sind in Abbildung 3 für die Frauen und in Abbildung 4 für die Männer repräsentiert. Die gepunktete horizontal verlaufende Linie repräsentiert das Erreichen der persönlichen 1.000-m-Bestzeit, sodass Sportler mit einem Relationswert auf dieser Linie ihre Bestzeit im analysierten Rennen egalisierten. Athleten mit einem Wert unterhalb der Linie konnten eine neue Bestzeit aufstellen und Läufer oberhalb der Linie liefen im Vergleich zu ihrer Bestzeit langsamer. Die ebenfalls dargestellte durchgezogene Gerade errechnet sich aus der Funktion f(x) =1000/600x, was einer gleichmäßigen Geschwindigkeitsverteilung über den gesamten Rennverlauf entspricht. Mit anderen Worten, die Laufzeit auf den anfänglichen 600 m entspricht im Mittel derjenigen auf den restlichen 400 m. Eisschnellläufer mit einem Wert, welcher links von dieser Geraden liegt, sind somit die ersten 600 m im Durchschnitt schneller gelaufen als die nachfolgenden 400 m. Umgekehrt haben Athleten mit einem Wert, welcher sich rechts von der Geraden befindet, die ersten 600 m im Mittel langsamer absolviert als die abschließenden 400 m. Die Analyse der prozentualen Häufigkeiten ergibt, dass lediglich 23,7% der Eisschnellläuferinnen (10,5% der erfolgreichen und 36,8% der weniger erfolgreichen Athletinnen) und nur 9,8% der Eisschnellläufer (8,0% der erfolgreichen und 11,5% der weniger erfolgreichen Athleten) die ersten 600 m im Vergleich zu den restlichen 400 m schneller absolvierten als umgekehrt. Dieser Unterschied wird unter Verwendung des Vorzeichentests sowohl für die Frauen (Z=-3.082, p=0.002) als auch für die Männer (Z=-5.601, p<0.001) statistisch signifikant, wobei der Mann-Whitney-U-Test, in Abhängigkeit vom Leistungsniveau, weder für die Frauen (Z=-0.715, p=0.488) noch für die Männer (Z=-0.245, p=0.806) eine signifikante Differenz deklariert.
DISKUSSION
In der vorliegenden Studie wurde während eines offiziellen Wettkampfes die realisierte Verteilung der Laufgeschwindigkeit von erfolgreichen und weniger erfolgreichen internationalen Spitzeneisschnellläufern/innen auf der 1.000-m-Sprintdistanz untersucht. Ausgehend von der Handlungsempfehlung, in Sprintwettbewerben frühzeitig maximale Laufgeschwindigkeiten zu realisieren, wurde die prozentuale Häufigkeit bzgl. des Auftretens kurzer Laufzeiten in anfänglichen Rennabschnitten ermittelt.
Für den Rennverlauf konnte sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern und unabhängig vom Leistungsniveau der Athleten zunächst ein Geschwindigkeitsanstieg auf den ersten 600 m, gefolgt von einem Abfall in der Laufgeschwindigkeit auf den restlichen 400 m beobachtet werden. Dieses Muster ist typisch für die Absolvierung von Sprintdistanzen im Eisschnelllauf (1, 10, 14), wird aber auch für andere Sportarten, wie Radsport (15) und leichtathletischer Lauf (13) berichtet. Als Ursache hierfür lassen sich eintretende Ermüdungsprozesse verantwortlich machen. So konnten bspw. Kindermann und Keul (9) zeigen, dass Eisschnellläufer/innen nach Absolvierung der 1.000-m-Sprintdistanz im Mittel Werte von ca. 16 mmol/l Laktat im arteriellen Kapillarblut erreichen.
Die Analyse der Relationen zwischen der 600-m- und der 1.000-m-Laufzeit offenbarte für die Frauen wie für die Männer sowie unabhängig vom Leistungsniveau der Sportler, dass die ersten 600 m signifikant häufiger langsamer absolviert wurden als die restlichen 400 m. Mit anderen Worten, die Mehrzahl der Athleten sind die zweite und damit abschließende Runde im Vergleich zu den ersten anderthalb Runden im Durchschnitt schneller gelaufen. Dieses Resultat steht in Kontrast zu der in Handbüchern transportieren Anweisung, eine maximale Laufgeschwindigkeit bereits in frühen Rennabschnitten zu erzielen (4, 8, 11). Des Weiteren werden hierdurch die Befunde von de Koning et al. (1) und van Ingen Schenau et al. (14) konterkariert, die in ihren Simulationsstudien zeigen konnten, dass auf den Sprintstrecken die schnellste Laufzeit erreicht wird, wenn die Leistungsabgabe zu Beginn des Rennens am größten ist. Als mögliche Ursache für die gegenteilige Befundlage lässt sich anführen, dass die Sportler in den Arbeiten aus der Arbeitsgruppe um van Ingen Schenau Ergometertests unterzogen wurden, in denen sie angehalten waren, eine „all-out“-Anstrengung zu zeigen. In der vorliegenden Studie erhielten die Athleten jedoch keine explizite Anweisung, sondern verfolgten lediglich ihre selbst gewählte Laufstrategie.
Erste Zweifel an der generellen Gültigkeit der Handlungsanweisung sowie der Simulationsbefunde für die Wettkampfsituation lassen sich bereits den Ergebnissen von Kuhlow (10) entnehmen, wonach für die 1.000-m-Sprintsrecke neben der Zeitdauer für frühe Streckenabschnitte auch die Dauer für abschließende Abschnitte als leistungsrelevant bestimmt werden konnte. Die eigenen Befunde deuten darauf hin, dass die Laufgeschwindigkeit und damit verbunden die energetischen Reserven regulierend anstatt i.S. einer „all-out“-Anstrengung nahezu unkontrolliert (da von Beginn an maximale Leistungen erbracht werden sollen) über den Rennverlauf verteilt werden. Ein derartiges Verhalten weist auf eine antizipative und somit bewusste Kontrolle der individuellen Energieressourcen hin, was vor allem in neueren Studien als zusätzliche Erklärung neben der vorherrschenden traditionellen Auffassung unwillkürlich stattfindender Ermüdungsvorgänge angeführt wird (7, 12). Eine antizipative Regulation der Laufgeschwindigkeit bietet des Weiteren den Vorteil einer energetischen Reserve, welche vor der anfänglich angeführten Gefahr einer frühzeitigen Ermüdung schützt sowie das Auftreten erheblicher Geschwindigkeitseinbußen vermeiden lässt (2, 13).
Das Ausbleiben von signifikanten Unterschieden zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Eisschnellläufer/innen hinsichtlich der realisierten Geschwindigkeitsverteilung macht weiterhin deutlich, dass die bloße Anwendung der Renngestaltung von erfolgreichen Sportlern durch weniger erfolgreiche Sportler für eine gute Platzierung allein nicht ausreicht, sondern dass es sich vielmehr um ein komplexes Zusammenspiel aus taktischen sowie energetischen und koordinativen Einflussgrößen handelt.
PRAKTISCHE UND THEORETISCHE IMPLIKATION
Die gefundene signifikant häufigere Realisierung von kurzen Laufzeiten auf abschließenden anstatt auf anfänglichen Rennabschnitten in Sprintwettbewerben liefert einen ersten Hinweis darauf, dass die Verteilung der Laufgeschwindigkeit und damit der Energieressourcen einer antizipativen Kontrolle unterliegt. Daher sollte aus trainingspraktischer Sicht geprüft werden, inwieweit die Schulung einer regulierenden Verteilung der Laufgeschwindigkeit (z.B. durch bewusstes Variieren der Laufgeschwindigkeit in den einzelnen Rennabschnitten) in das Training integriert werden könnte. Aus theoretischer Perspektive sollte in nachfolgenden Studien versucht werden, die Vermutung einer antizipativ regulierten Verteilung der Laufgeschwindigkeit zu erhärten. Dies könnte bspw. durch die Analyse der Geschwindigkeitsverteilung von erfolgreichen internationalen Spitzenathleten/innen im Längsschnitt, d.h. über eine gesamte Wettkampfsaison erfolgen.
Dieses Projekt (IIA1-07070308) wurde durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanziell unterstützt.
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Dr. Thomas Mühlbauer
Universität Basel
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Brüglingen 33
4052 Basel
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