Sportmedizin
ORIGINALIA
ERHOLUNGSVERHALTEN DER MUSKULATUR

Unterschiede im Erholungsverhalten von M. gastrocnemius und M. soleus - eine Untersuchung mittels peripherer Nervenstimulation

Differences in Regeneration Behavior of M. Gastrocnemius and M. Soleus –
an Investigation using Peripheral Nerve Stimulation

Institut für Sport und Sportwissenschaften, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

ZUSAMMENFASSUNG

Muskuläre Ermüdung ist ein leistungslimitierender Faktor und kann darüber hinaus das intermuskuläre Zusammenspiel negativ beeinflussen und somit ein Grund für auftretende Sportverletzungen sein. Bisher gibt es kaum Studien, die mögliche intermuskuläre Unterschiede im Ermüdungs- und Regenerationsverhalten bestimmt haben. Daher war es das Ziel der Studie, den Einfluss muskulärer Ermüdung auf die Erregbarkeit des Motoneuronenpools des M. soleus (SOL) und M. gastrocnemius (GAS) mittels peripherer Nervenstimulation bei 14 gesunden Probanden (23 ±6,5 J, 172 ±5,5 cm, 71 ±3,2 kg) zu untersuchen. Nach einer maximalen, isometrischen Ermüdung wurden die Reduktion der motorischen Aktivität und die Dauer der Regeneration in beiden Muskeln simultan eruiert. Die Bestimmung der Erregbarkeit des Motoneuronenpools beider Muskeln erfolgte anhand der H/M – Rekrutierungskurve des SOL. Ermüdungsspezifische Veränderungen wurden bei einer H-Reflexamplitude von 20% Mmax des SOL quantifiziert. In beiden Muskeln konnte eine signifikante Reduktion der H-Reflexamplitude nach der Ermüdung gemessen werden (SOL: 67±15%; GAS 61±21%). Im intermuskulären Vergleich zeigte sich kein signifikanter Unterschied (p =0.136). Im Gegensatz dazu fand sich für die Dauer der Regeneration eine signifikante Differenz zwischen beiden Muskeln. Während die Erregbarkeit des Motoneuronenpools des GAS bereits nach 129±22 Sek. wiederhergestellt war, erreichte der SOL erst nach 167±34 Sek. seinen Ausgangswert (p<0.01). Die vorliegenden Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass beide Muskeln des M. triceps surae ein unterschiedliches Erholungspotential besitzen. Möglicherweise ist diese Divergenz auf das differente Muskelfaserspektrum des aus einer Mehrzahl von Typ I Muskelfasern bestehenden SOL und des GAS mit überwiegenden Anteilen von Typ II Muskelfasern zurückzuführen.

Schlüsselwörter: H-Reflex, Muskelermüdung, Regeneration, M. soleus, M. gastrocnemius

SUMMARY

Muscle fatigue is a limiting factor for exercise performance which can adversely affect muscular interaction and may be a reason for sports injury. So far there is not sufficient knowledge about possible differences in fatigue resistance and regeneration behaviour between muscle groups. Therefore, the aim of the study was to compare the fatigue resistance and regeneration potential of different muscles using peripheral nerve stimulation. The effect of maximal isometric fatigue on the aforementioned parameters of the m. soleus (SOL) and m. gastrocnemius (GAS) was investigated in 14 subjects (23±6.5 yrs, 172±5.5 cm, 71±3.2 kg). H-reflex measurements were made before and after muscle fatigue by performing isometric plantar flexion of the feet. Stimulus intensity of 20% of Mmax of the SOL was applied before fatigue in order to get the mean H-reflex amplitude of both the SOL and GAS muscle as control value. After the maximum isometric fatigue procedure, H-reflexes were elicited for several minutes by the same stimulus intensity used prior to fatigue. Maximum isometric fatigue resulted in significant reduction of the excitability of both motoneuron pools (SOL: 67±15%; GAS 61±21%). A comparison between SOL and GAS showed no statistical significance (p=0.136). The comparison of regeneration time revealed highly-significant differences between the SOL and the GAS muscles. Whereas the SOL H-reflex was recovered after 167±34 sec., the excitability of the GAS motoneuron pool was already restored after 129±22 sec. compared to control level (p<0.01). The present results provide evidence that there are major differences in the regeneration potential between the SOL and the GAS muscles. It is likely that the muscle fiber composition in both muscles may be responsible for the different regeneration capacity due to fact that the SOL contains type I muscle fibers to a great extent whereas the GAS has more type II fibers than type I fibers.

Key words: h-reflex, muscle fatigue, regeneration, m. soleus, m. gastrocnemius

EINLEITUNG

Körperliche Leistungsfähigkeit ist in hohem Maße von der Ermüdungsresistenz der arbeitenden Muskulatur abhängig und stellt damit einen leistungslimitierenden Faktor für den Sport treibenden Menschen dar (1, 44). Dabei scheinen die Ermüdungstoleranz und das Erholungspotential eines Muskels erheblich von der Muskelfaserzusammensetzung beeinflusst zu werden (17, 42). Diese spezifische Muskelfaserstruktur kann durch spezielle Trainingsinterventionen in ihrer Zusammensetzung verändert werden (3, 4). Ferner ruft die muskuläre Ermüdung eine Störung der Gelenkpropriozeption (41), eine Veränderung muskulärer Aktivitätsmuster bei komplexen Bewegungen (27) und ein Missverhältnis des Zusammenspiels zwischen Agonist und Antagonist (36) hervor, die im Wesentlichen für ligamentäre Verletzungen verantwortlich gemacht werden (24, 32). Abhängig von der Art und Dauer der sportartspezifischen Belastung (13, 30) werden zwei Arten der neuromuskulären Ermüdung genannt (13). Funktionsveränderungen an den motorischen Endplatten werden als periphere Ermüdung charakterisiert (43).

Die zentrale Ermüdung wird hingegen auf die verminderte, willkürliche Aktivierung des Motoneuronenpools durch modulierenden Zugriff spinaler und supraspinaler Zentren zurückgeführt (10, 13). Diese zweite Form der Muskelermüdung tritt vor allem bei isometrischen Kontraktionsformen auf (6, 9, 10, 12, 22, 35) und kann durch die verringerte Erregbarkeit des Motoneuronenpools eines Muskels bei willentlicher Aktivierung mittels der peripheren Nervenstimulation quantifiziert werden (46).
Die Bestimmung der Erregbarkeit des Motoneuronenpools als Ausdruck der willkürlichen muskulären Aktivierung erlaubt eine fundierte Betrachtung des einzelnen Muskels hinsichtlich seiner funktionellen Leistungsfähigkeit (30). Unterschiede in der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Ermüdungsresistenz und des Erholungspotenzials zwischen synergistisch und/oder antagonistisch arbeitenden Muskeln könnte einen Erklärungansatz für muskulär induzierte Leistungsdifferenzen bei Sportlern erbringen. Daher war es das Ziel der Studie, das Ermüdungsverhalten und das Erholungspotenzial des M. soleus (SOL) und des M. gastrocnemius (GAS) als zwei synergistisch arbeitenden Vortriebsmuskeln vor und nach muskulärer Ermüdung mit Hilfe der peripheren Nervenstimulation zu bestimmen. Wir vermuten, dass Unterschiede im Erholungsverhalten zwischen dem SOL und GAS bestehen.
 

STUDIENDESIGN

Probanden
Die Untersuchungsgruppe setzte sich aus 14 männlichen Probanden zusammen (23±6,5 J, 172±5,5 cm, 71±3,2 kg). Keiner der Probanden wies in der Vergangenheit orthopädische und/oder neurologische Erkrankungen auf. Zum Zeitpunkt der Messung waren alle Studienteilnehmer schmerzfrei, ausgeruht und standen unter keiner medikamentösen Therapie. Nach Aufklärung über die möglichen Risiken des Versuchs gaben alle Probanden ihre schriftliche Einverständniserklärung zum Versuchsprotokoll. Die Studie entsprach den Richtlinien der Deklaration von Helsinki und war von der Ethikkommission der Universität Freiburg genehmigt worden.

Versuchsaufbau
Zur Messung nahmen die Probanden eine aufrechte Sitzposition ein. Beide Füße wurden mit einer Snowboard-Bindung auf einer Wippe fixiert und der Messstuhl so positioniert, dass das Sprung-, Knie- und Hüftgelenk einen 90° Winkel aufwiesen. Axial zur Verlaufsrichtung des Unterschenkels wurde das Knie durch einen Stempel von proximal fixiert, um während und nach der maximalen, isometrischen Ermüdung identische Gelenkpositionen des Knies, des Sprung- und Hüftgelenks zu gewährleisten (Abb. 1). Gleichzeitig diente diese rigide Vorrichtung der Reliabilität der H-Reflexmessung, da hierdurch ein bewegungsinduzierter Einfluss auf die H-Reflexmessungen durch etwaiges Verrutschen der Reizelektrode minimiert werden konnte.

Muskuläre Ermüdung
Zur Ermittlung des Erholungspotentials des SOL und des GAS wurde ein maximales, isometrisches Ermüdungsprotokoll verwendet. Dazu saßen die Probanden in der Messvorrichtung und wurden aufgefordert, ihr individuelles, maximales Drehmoment über einen Zeitraum von 2 Minuten aufrecht zu erhalten. Zur besseren Belastungssteuerung wurde der Verlauf der Kraftkurve online aufgezeichnet und konnte somit den Probanden ein visuelles Feedback über die aufgebrachte Kraft geben. Die Kraft wurde mittels eines Drehmomentaufnehmers detektiert, der in der Fußwippe implantiert war. Um eine maximale, isometrische Ermüdung des M. triceps surae zu generieren, wurde die Fußwippe von extern fixiert. Die Entfernung dieser Wippenfixierung nach der durchgeführten muskulären Ermüdung nahm bei jedem Probanden 30 Sekunden in Anspruch.

Elektromyographie (EMG)
Die elektromyographischen Signale des SOL und des GAS wurden mit Hilfe einer bipolaren Elektrodenpositionierung (Interelektrodendistanz 2 cm; Ambu, Medicotest A/S, Dänemark) abgeleitet. Diese Anordnung war auf dem Muskelbauch im longitudinalen Verlauf der Muskelfasern aufgeklebt, während die Referenzelektrode mittig auf der ossären Struktur der Tibia platziert war. Vor der EMG-Messung wurden die betreffenden Hautstellen rasiert, aufgeraut und mit Alkohol entfettet. Eine resultierende Hautimpedanz von <5 kΩ wurde als ausreichend akzeptiert. Um mögliche Bewegungsartefakte zu verhindern, wurden zudem die EMG-Kabel mit Klebestreifen am Untersuchungsbein fixiert.

Periphere Nervenstimulation
Mit Hilfe eines elektrischen Stimulators (Digitimer DS7, Herfordshire, Großbritannien) wurden die H-Reflexe durch eine auf dem N. tibialis in der Fossa poplitea platzierte Kathode (Stimulationselektrode, 2 cm Durchmesser) evoziert. Um ein Verrutschen der Reizelektrode zu vermeiden, war die Reizelektrode in eine speziell für diese Reizapplikation gebaute Styroporhalterung eingepasst. Die Anode (10.5 cm Durchmesser) war unterhalb des distalen Patellarandes positioniert. Die Reizkonfiguration entsprach einem Rechteckimpuls mit einer Reizdauer von einer Millisekunde. Der Interstimulusabstand betrug 4 Sekunden, um den Einfluss einer möglichen „post activation depression“ (13, 46) auf die Messergebnisse zu verhindern. Die Dauer des Stimulationsprogramms erstreckte sich über einen Zeitraum von 6 Minuten und wurde vor und nach der muskulären Ermüdung durchgeführt.

Messablauf
Der Messablauf bestand aus drei Messungen und dem o. g. Ermüdungsprotokoll. In der ersten Messung wurde die individuelle H/M-Rekrutierungskurve für den SOL der Probanden ermittelt. Durch die mittels der elektrischen Stimulation hergestellte Depolarisation der Ia-Nervenfaser zeigte sich im EMG eine biphasische Reflexantwort, die aus der motorischen Antwort (M-Welle) und dem H-Reflex besteht. Dabei ist die M-Welle das neuromuskuläre Korrelat der direkten Stimulation des Muskels über sein Motoneuron und tritt 5- 10 ms nach der Stimulation auf (34). Dagegen zeigt sich der H-Reflex erst nach 30- 40 ms und repräsentiert somit den monosynaptischen (spinale) Reflexbogen. Mittels der H/M-Rekrutierungskurve wurde die individuelle Reizstärke von 20% von Mmax (46) des SOL für die sich anschließenden H-Reflexmessungen bestimmt. Danach folgte die zweite Messung, in der mit der festgelegten Reizstärke 20% von Mmax des SOL die H-Reflexgröße des SOL und des GAS vor der Ermüdung simultan eruiert wurde. Nach durchgeführter muskulärer Ermüdung wurde mit gleicher Reizstärke erneut die H-Reflexgröße des SOL und des GAS ermittelt (3. Messung).

Datenanalyse
Die H-Reflexe des SOL und GAS wurden mittels einer selbstentwickelten Analysesoftware (IMAGO, Labview basiert) aufgezeichnet und analysiert. Vor der Datenanalyse wurden die Muskelsignale bei einer Aufnahmefrequenz von 4 kHz vorverstärkt (SOL: 100fach; GAS: 200fach). Zur Bestimmung der Reduktion des Motoneuronenpools und des anschließenden zeitlichen Verlaufs der Regeneration wurde die H-Reflexamplitude beider Muskeln (peak to peak Abstand) als Kriterium für die Erregbarkeit des jeweiligen Motoneuronenpools analysiert.

Statistische Analyse
Alle Daten sind als Mittelwert und Standardabweichung von 14 Probanden dargestellt. Für die Testung auf statistische Signifikanz hinsichtlich der H-Reflexveränderung wurde eine multivariate Varianzanalyse (MANOVA; 2 Muskeln x 3 Messzeitpunkte) durchgeführt. Die Messzeitpunkte waren wie folgt definiert: vor Ermüdung (t0), nach Ermüdung (t1, nach 30 Sekunden) und Erholung nach 2 Minuten (t2). Mittelwerte hinsichtlich der Veränderungen der Reflexamplitude sind auf das Ausgangsniveau normiert. Der Zeitpunkt der vollständigen Erholung war erreicht, wenn sich die Größe der Reflexamplitude nicht mehr signifikant von der Reflexamplitude des Ausgangsniveaus unterschied. Dieser Zeitpunkt wurde aus 4 Messzeitpunkten als gleitender Mittelwert berechnet. Der Vergleich der zeitlichen Erholung wurde mittels gepaartem t - Test eruiert. Das Signifikanzniveau wurde auf p<0,05 festgelegt.

ERGEBNISSE

Im SOL sowie im GAS (Abb. 2) wurden ähnliche Verläufe (vor Ermüdung (t0) – Ermüdung (t1) – Erholung nach 2 Minuten (t2)) für die H-Reflexamplitude innerhalb des Messablaufs gefunden. In den Absolutwerten zeigten sich für alle getesteten Parameter signifikante Unterschiede (p<0,001). Bei der relativen Betrachtung zeigte sich im Zeitraum 30 Sekunden nach der maximalen isometrischen Ermüdung (t1) in beiden Muskeln eine signifikante Reduktion in der H-Reflexamplitude. Der SOL war um 67±15% (p<0,01) und der GAS um 61±21% (p<0,01) im Vergleich zum Ausgangsniveau (t0) reduziert. Im intermuskulären Vergleich fand sich jedoch keine statistische Differenz (p=0.136). Im Gegensatz dazu war jedoch die vollständige Wiederherstellung in beiden Muskeln unterschiedlich schnell ausgeprägt. Der SOL erreichte seinen Ausgangswert nach 167±4 Sek. während die Erregbarkeit des Motoneuronenpools vom GAS bereits nach 129±22 Sek. wiederhergestellt war. Damit zeigte der GAS eine signifikant schnellere Regeneration nach maximaler, isometrischer Ermüdung als der SOL (p<0,01).

DISKUSSION

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen auf einen signifikanten Unterschied im Erholungsverlauf zwischen dem SOL und GAS hin. Während der SOL erst nach 167 Sekunden seinen Ausgangswert erreicht, ist die Regeneration des GAS um 38 Sekunden kürzer. Dagegen ist das Ausmaß der Reduktion nach der Ermüdung im intermuskulären Vergleich nicht divergent.

Ermüdungsinduzierte Veränderungen
Die Höhe der signifikanten Reduktion der Erregbarkeit des SOL korrespondiert mit den Ergebnissen früherer Studien. So zeigten Kato et al. (22) eine 70-%ige Reduktion im Soleusmuskel nach einem maximalen Ermüdungsprotokoll. Ferner fanden Duchateau et al. (9) und Walton et al. (45) für den SOL eine um die Hälfte verkleinerte H-Reflexamplitude nach einer submaximalen isometrischen Belastung. Während der H-Reflex des SOL aufgrund seiner Funktion für das aufrechte Stehen und für die Lokomotion zu dem meist untersuchten Muskel zählt, finden sich sehr wenige Hinweise auf das Ermüdungsverhalten des GAS als weiteren Muskel des M. triceps surae in der Literatur.
Nur Moritani et al. (25) verglichen bisher gleichzeitig die Ermüdungsresistenz des GAS und des SOL. Sie wiesen eine größere Abnahme im GAS als im SOL nach maximalen Willküraktionen nach. Als Erklärung der Autoren (25) für diese Unterschiede wurde die unterschiedliche Muskelfaserzusammensetzung mit einer höheren Anzahl von Typ II Fasern im GAS als im SOL als Ausdruck der unterschiedlichen Muskelmorphologie (33) und des damit divergenten Metabolismus (19) genannt.
Unsere Ergebnisse können die Befunde von Moritani et al. (25) mit dem Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Muskelfaserzusammensetzung und Ermüdungstoleranz nicht bestätigen. Neben einem differenten Ermüdungsprogramm könnte als ein weiterer möglicher Grund die Positionierung des Sprunggelenks angeführt werden (15, 16), da in 90°-Stellung der GAS weniger ermüdet werden kann als der SOL (39). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass aus methodischen Gründen der Ermüdungsgrad beider Muskeln in unserer Studie erst nach 30 Sekunden gemessen werden konnte und somit keine exakte Aussage über den tatsächlichen Grad der Ermüdung gegeben werden kann. Dagegen kann der Einfluss einer trainingsinduzierten Veränderung des Muskelfaserspektrums (3, 4) auf die ermüdungsbedingte Reduktion der HReflexamplitude weitgehend ausgeschlossen werden, da keiner der Probanden sportartspezifischen Leistungssport betrieb.

Erholungszeit
Hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs der Regeneration legen die vorliegenden Ergebnisse den Schluss nahe, dass sich der SOL signifikant langsamer erholt als der GAS. Dieser zeitliche Unterschied ist bisher ungeschrieben. Während für die Erholungszeit für den GAS keine Hinweise existieren, bewegt sich die Erholungsdauer des SOL im Bereich der bisherigen Literatur. Während Kato et al. (22) von einem Zeitfenster von 90- 110 Sekunden berichten, fanden Duchateau et al. (9) und Abbruzzesse et al. (2) eine Erholungszeit von fünf Minuten. Diese Unterschiede in Hinblick auf den zeitlichen Verlauf der Regeneration sind möglicherweise auf die unterschiedliche Qualität des Ermüdungsprotokolls zurückzuführen, wobei wahrscheinlich nicht die Intensität (% von MVC), sondern eher die Dauer der induzierten Ermüdung eine entscheidende Rolle spielt (10). Die schnellere Erholung des GAS gegenüber dem SOL war nicht zu erwarten. Basierend auf den Hinweisen bisheriger Studien, die im GAS einen signifikant höheren Gehalt an Typ II Muskelfasern als im SOL nachweisen konnten (8, 12, 33), wurde aufgrund der physiologischen Eigenschaften der Typ II Muskelfasern (1, 7, 42) eine längere Erholungszeit angenommen.
Eine dezidierte Erklärung für die schnellere Erholung des GAS gegenüber dem SOL kann aufgrund der in dieser Studie gewählten methodischen Zugangsweise nicht erbracht werden. Insbesondere die Beantwortung der Frage, ob die Ursache für die beobachteten differenten Erholungsprofile auf der neuronalen (6, 10, 13) oder eher auf der metabolischen Ebene (12, 17, 26, 36, 38) vor allem im Hinblick auf das unterschiedliche Muskelfaserspektrum zu finden ist, kann nicht beantwortet werden. Dieses Forschungsdefizit sollte in zukünftigen Studien bearbeitet werden.

ZUSAMMENFASSUNG

Die vorliegenden Ergebnisse belegen, dass intermuskuläre Unterschiede hinsichtlich der Regenerationsfähigkeit nach einer muskulären Ermüdung bestehen. Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen sind die intermuskulären Unterschiede möglicherweise auf eine differente Muskelfaserzusammensetzung zurückzuführen.
Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die periphere Nervenstimulation eine wirkungsvolle Untersuchungsmethode für die Beurteilung von ermüdungsinduzierten Veränderungen des Motoneuronenpools darstellt. Dabei sollte jedoch nicht nur der metabolische Aspekt, sondern auch der Einfluss neuronaler Mechanismen wie die präsynaptische Inhibition (8, 9, 12, 36, 42, 45), die reflektorische Hemmung der Motoneurone (6, 14, 13) sowie Einflüsse von höher gelegenen motorischen Zentren auf die Erregbarkeit des jeweiligen Motoneuronenpools berücksichtigt werden (5, 18, 23, 28). Aufgrund der geringen Anzahl an Probanden und der Betrachtung von ausschließlich zweier Muskeln der unteren Extremität ist es jedoch nicht möglich eine allgemeine Betrachtung zu unterschiedlichen Erholungspotentialen von Muskeln abzuleiten.

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