Sportmedizin
ÜBERSICHT
ACHILLESSEHNENTENDINOPATHIE

Chronische Tendinopathie der Achillessehne- ein multifaktorielles Beschwerdebild

Chronic Achilles Tendinopathy – a Multifactorial Problem

Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie, Funktionsbereich Bewegungsanalytik, Universitätsklinikum Münster

ZUSAMMENFASSUNG

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Achillessehnentendinopathie auf eine Degeneration infolge einer Überlastung, die sowohl durch sportliche Aktivitäten verschiedener Art als auch durch die Folgen sitzender Tätigkeiten erfolgen kann, zurückzuführen ist. Bezogen auf Beschwerden der unteren Extremität liegt die Tendinose der Achillessehne z.B. bei Läufern in 23,7% und bei Läuferinnen in 16,5 % der Fälle vor. Die Behandlungsmaßnahmen sind vielfältig, jedoch zeigen die meisten dieser Interventionen kaum nachhaltige Erfolge. Bisher wurde die Überpronation des Sprunggelenkes als entscheidende Ursache der Beschwerden angesehen. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise, dass im Rahmen des multifaktoriellen Entwicklungsprozesses der Tendinopathie, v.a. kinetische und neuromuskuläre Parameter einen bedeutenden Einfluss haben. So zeigen Patienten deutliche Kraftdefizite sowohl im betroffenen als auch im nicht betroffenen Bein, was auf eine gestörte muskuläre Aktivierung und Kontrolle, sowie auf eine zunehmende Beteiligung des Zentralnervensystems hindeutet. Sensomotoriasche und neuromuskuläre Trainingsformen sollten künftig gezielt hinsichtlich Ihres Therapiepotentials untersucht werden. Für Praxis und Forschung reicht es demnach nicht aus, allein anhand von Schmerzskalen und Fragebögen Rückschlüsse auf Therapieerfolge zu ziehen. Eine verstärkte Einbeziehung quantitativer Messverfahren in die Entscheidungsfindung wäre hierbei wünschenswert.

Schlüsselwörter: Achillessehnentendinopathie, multifaktorieller Entwicklungsprozess, quantitative Messverfahren

SUMMARY

Achilles tendinopathy is a degenerative process which is caused by overuse in sports but also as a consequence of primary sedentary behaviour. Among disorders of the lower limb, achilles tendinopathy occurs to 23.7% in male and 16.5% in female runners. Interventions are diverse, and mostly have limited long-term success. So far, overpronation od the ankle joint was considered as a main cause of pathology. However, there are indications that predominantly kinetic and neuromuscular parameters have an influence on the multifactorial process of achilles tendinopathy. Patients with tendinosis show strength deficits in the injured leg as well as in the non-injured leg. That indicates disturbed muscular activation and control as well as involvement of the central nervous system. In the future, sensorimotor and neuromuscular exercise should be specifically investigated in order to determine its therapeutical potential. Practitioners and researchers should not only focus on scales and questionnaires to interpret success of therapy but should also rely on quantitative measurements in decision-making.

Key words: achilles tendinopathy, multifactorial process, quantitative measurements

EINLEITUNG

Die Tendinopathie, oder auch Tendinose, der Achillessehne betrifft bevorzugt Sportler (14). Besonders zahlreich tritt sie bei Läufern auf (15). Laut Mayer et al. (24) hat das Beschwerdebild, bezogen auf Beschwerden der unteren Extremität, einen Anteil von 23,7% bei Läufern und von 16,5% bei Läuferinnen. Darüber hinaus sind häufig Athleten betroffen, die eine Sportart ausüben, die Sprünge und Sprints beinhaltet (18, 29, 40, 41). Die Inzidenz unter Spitzensportlern beträgt 9% (32, 34). Aber auch Personen, die überwiegend sitzend tätig sind, können eine Pathologie der Achillessehne entwickeln (2, 36). Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers (14) und muss in den verschiedensten Alltags- und Freizeitsituationen sowie bei der Mehrzahl von Sportaktivitäten enorm widerstandsfähig sein. Im ungünstigsten Fall reicht die Widerstandsfähigkeit nicht mehr aus und es kommt zur Ruptur. Die Tendinose der Achillessehne ist im Verlauf eines Kontinuums nachgewiesenermaßen der Risikofaktor für eine Ruptur (13). Autoren zahlreicher Studien und Literaturübersichten sind sich einig, dass der Achillessehnentendinopathie keine Entzündung, sondern ein Degenerationsprozess aufgrund eines Überlastungssyndroms zugrunde liegt (21, 30). Schünke (37) schreibt in diesem Zusammenhang von einer durch Fehl- und Überlastung hervorgerufenen Degeneration der Sehne selbst oder ihres Gleitgewebes.

Auch metabolische Veränderungen und Störungen sind kennzeichnend für die Tendinopathie. Mikrorisse und eine pathologische Veränderung der Faserstruktur induzieren einen Ersatz von Kollagen Typ I durch den Typ III und eine Einsprossung schmerzmeldender Nervenendigungen (26). In schmerzhaften Sehnen ist der kapillare Blutfluss erhöht und steht im Zusammenhang mit einer Neovaskularisierung (17). Allerdings diskutieren Mayer et al. (26) auf Grundlage anderer Literaturergebnisse in ihrem Übersichtartikel die Bedeutung der Neovaskularisierung und schreiben, dass diese bisher scheinbar überbewertet wurde, da unter körperlicher Belastung ohnehin eine Durchblutungssteigerung in der Sehne erfolgt. Ferner wurde die Theorie aufgestellt, dass es während einer intensiven Belastung der Sehne zu einer Ischämie kommt und bei Entlastung der Sehne freie O2-Radikale freigesetzt werden (39). Alfredson & Lorentzon (1) fanden in chronisch schmerzhaften Sehnen außerdem deutlich höhere Glutamatkonzentrationen als in gesunden Sehnen.

Das Beschwerdebild tritt meist durch sportliche Aktivitäten in Erscheinung (15, 37), jedoch können bereits einfache Spaziergänge für überwiegend sitzend tätige Menschen Überlastungen bedeuten und somit zur Symptomentwicklung führen (2, 18). Zu unterscheiden sind im Alltag die proximale Tendinose, bei der die Beschwerden 2-6 cm proximal des Ansatzes auftreten und die insertionale Tendinose, bei der die Symptome direkt am Ansatz zu finden sind (7, 36).
Die Behandlungsmaßnahmen in der ärztlichen und physiotherapeutischen Praxis sind vielfältig. Hier kommen Interventionen wie Eis-, Ultraschall-, und Stoßwellentherapie, Friktionen, Mobilisationen, Orthesen und Medikamente zum Einsatz, jedoch konnte keine dieser Maßnahmen bisher eine nachhaltige Beseitigung der Beschwerden erwirken (28). In einigen Fällen kommt es schlussendlich bei einem Fehlschlag jeglicher Therapiemaßnahmen zur Operation. Eine viel versprechende und vor allem kostengünstige Intervention bietet, v.a. für die proximal lokalisierte Tendinopathie, das systematisch und regelmäßig durchgeführte exzentrische Training des M. triceps surae mit seinen beiden Anteilen (M. gastrocnemius und M. soleus). Eine Studie von Roos et al. (35) konnte zeigen, dass Patienten, die ein 6-wöchiges exzentrisches Trainingsprogramm absolvierten, langfristig von einer deutlichen Schmerzlinderung berichteten und größtenteils nach 12 Wochen mit ihrer Sportaktivität fortfahren konnten. Petersen et al. (33) legten in ihrer Untersuchung ebenfalls dar, dass ein exzentrisches Training allein große Erfolge zeigt.
Das menschliche Bewegungssystem ist jedoch komplex, so dass die Überlegung nahe liegt, dass die Achillessehnentendinopathie vielfältige Ursachen haben kann. Im Umkehrschluss bedeutet diese Möglichkeit, dass es im Verlauf einer Tendinopathie zu unerwünschten Adaptationen kommen kann, die sich für die weitere Entwicklung negativ auswirken können.
Ziel dieses Beitrags ist es, mögliche Einflussfaktoren auf die chronische Tendinopathie bzw. Folgeerscheinungen der chronischen Tendinopathie der Achillessehne zu identifizieren und zu diskutieren. Auf dieser Grundlage sollen zum einen Anregungen für die Behandlung gegeben werden, sowie zum anderen für die Wissenschaft weitere Forschungsansätze eröffnet werden.

ANATOMIE DER ACHILLESSEHNE

Der M. triceps surae besteht aus dem M. gastrocnemius und dem M. soleus, die sich im unteren Drittel des Unterschenkels zur Achillessehne (Tendo calcaneus) verbinden. Proximal, im Muskel-Sehnen-Übergang, ist die Sehne breit, auf Höhe des Knöchels wird sie schmaler und im Insertionsbereich, der die gesamte Rückfläche des Tuber calcanei des Calcaneus umfasst, breitet sich die Sehne wiederum aus (Abb. 1).
Die Hauptfunktionen des M. triceps surae bestehen in der Plantarflexion des oberen Sprunggelenks und der Supination des Fußes. Als zweigelenkiger Muskel unterstützt der M. gastrocnemius die Beugung im Kniegelenk. Gemeinsam sind die Muskeln fähig, die Ferse im aufrechten Stand abzuheben. Beim Gehen hebt der M. triceps surae in der Abrollphase die Ferse auf der Standbeinseite und verhindert zudem als Stabilisator im Stand das ventrale Überkippen des Körpers (23).
Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers (14). Sie ist im gesunden Zustand in der Lage, eine Belastung von 2500 – 3000 N, also etwa das 3-4fache des Körpergewichts, zu tolerieren (23). Manche Autoren sprechen sogar von Kräften, die dem 10fachen des Körpergewichtes entsprechen (5). Die durchschnittliche Sehnenquerschnittsfläche beträgt 70-80 mm2, die Reißfestigkeit entpricht etwa 60-125 N/mm2 (37).

SYMPTOME UND DIAGNOSTIK

Die Symptome der Achillessehnentendinopathie sind Schmerzen und/oder eine Steifigkeit, sowie eine evtl. eingeschränkte Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (5, 18, 8). Die Schmerzsymptomatik erklären Öhberg & Alfredson (31) mit einer Neovaskularisierung und erhöhter neuraler Invasion im Zuge der Strukturveränderung. Im Ultraschallbild ist häufig eine Verdickung der Sehne nachzuweisen, die evtl. auch palpierbar ist (4, 30). Öhberg et al. (30) beschreiben zudem Sehnengebiete mit einer Abschwächung des Ultraschallechos sowie eine abnorme Faserstruktur.

KINEMATISCHE EINFLUSSFAKTOREN

Fußdeformitäten, Instabilitäten und Dysbalancen wirken sich begünstigend auf die Entstehung akuter Verletzungen und chronischer Überlastungen, also auch auf Sehnenbeschwerden, aus. Die Ferse stellt die Basis der Beinachse dar, die physiologisch korrekt eingestellt und axial belastet werden sollte (22).
Der Zusammenhang zwischen Fußfehlstellungen und der Achillessehnentendinopathie ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nur wenig erforscht und die Meinungen divergieren. Kaufman et al. (16) zielten in ihrer prospektiven Studie mit 449 Probanden darauf ab, die Beziehung zwischen der Fußstruktur und dem Risiko von Überlastungsschäden zu untersuchen. Neben einigen Bewegungsmerkmalen der Fußgelenke wurde das Längsgewölbe sowohl statisch mit Hilfe des „Bony Arch Index“ als auch dynamisch mit einer plantaren Druckverteilungsmessung, zum einen Barfuss und zum anderen mit Militärstiefeln (jungle boots), gemessen. Es konnte gezeigt werden, dass ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Achillessehnentendinopathie und einer erhöhten Rückfußinversion existiert. Darüber hinaus sind wohl eine Einschränkung der Dorsalextension sowie eine verminderte Fähigkeit zur Kniestreckung eine Disposition zur Entwicklung einer Tendinopathie (16). Ebenso argumentieren Kvist et al. (19), die eine Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk bei der Entstehung einer Tendinopathie verantwortlich machen. Segesser et al. (38) hingegen sehen die Sprunggelenksinstabilität und eine Überpronation als verursachende Einflussgröße. Weist et al. (44) schlussfolgerten aus den Ergebnissen ihrer Studie, dass eine durch Ermüdung induzierte Hyperpronation des Fußes zu einer erhöhten Vorfußbelastung und Kraftproduktion beim Laufen führt. Auch Bisiaux & Moretto (3), sowie Willson & Kernozek (45) konnten aufzeigen, dass es durch eine Ermüdung zur Verlagerung der Belastung in die Vorfußregion kommt. Die Überpronation wird mit einer verminderten supinatorischen Aktivität des M. triceps surae und/oder einer Funktionsminderung des M. tibialis posterior, der zudem für die Aufrechterhaltung des Längsgewölbes verantwortlich ist, erklärt (44, 45).
Zusammenfassend kann also keine klare Aussage darüber gemacht werden, welche Abweichung(en) der Fußstellung zur Entwicklung oder Begünstigung des Beschwerdebildes ausschlaggebend ist/sind. Tatsache ist jedoch, dass jede Abweichung von der physiologisch günstigsten Fußstellung, der optimalen Beweglichkeit und Elastizität der Strukturen, sowie der axialen Belastung zur unerwünschten Problematik führen kann.

KINETISCHE EINFLUSSFAKTOREN

Unklar ist, ob die Achillessehnentendinopathie aus kinetischen Defiziten hervorgeht oder ob kinetische Defizite erst durch die Tendinopathie entstehen.
Silbernagel et al. (42) evaluierten in einer Querschnittsstudie mit 42 Patienten die Funktion des Gastrocnemius-Soleus-Achillessehnenkomplexes bei Patienten mit einer Achillessehnentendinopathie anhand einer Testbatterie, die aus drei Sprungbedingungen (Countermovement Jump, Drop Jump und Hopping) und zwei Krafttests (konzentrische und exzentrische Dorsalextension sowie ausdauernde Dorsalextension) bestand. Im Seitenvergleich zwischen der betroffenen und der nicht betroffenen Sehne bestanden signifikante Unterschiede im Hopping und Drop Jump sowie in der konzentrischen und exzentrischen Dorsalextension. Es wurde geschlussfolgert, dass durch eine Achillessehnentendinopathie neben den allgemeinen Symptomen und Schmerzen auch Funktionsbeeinträchtigungen des Muskel-Sehnen-Komplexes hervorgerufen werden und es sinnvoll wäre, neben der Symptombekämpfung eine Wiederherstellung der Muskel-Sehnen-Funktion anzustreben (42). Bereits Hirschmüller et al. (10) konnten nachweisen, dass Patienten mit Achillessehnentendinopathie ein geringeres Kraftvermögen bei der Plantarflexion zeigten als nicht betroffene Probanden. So offenbarten die betroffenen Testpersonen, sowohl bei exzentrischer als auch bei konzentrischer Arbeitsweise, geringere Plantarflexionsmomente als die gesunden Kontrollen. Der Vergleich zwischen Läufern mit Achillessehnenproblemen und beschwerdefreien Läufern zeigte bereits in der Studie von Haglund-Akerling & Eriksson (9) bei den betroffenen Läufern geringere Drehmomente bei exzentrischer Muskelarbeit. In einer weiteren, prospektiven nicht-randomisierten Studie wurde mit 37 Patienten mit Achillessehnentendinopathie über 6 Monate ein Rehabilitationsprogramm durchgeführt (41). Mit Hilfe der schwedischen Version des „Victorian Institute of Sports Assessment-Achilles Questionnaire“ (VISA-A-S) und der Testbatterie zur Beurteilung der Muskel-Sehnen-Funktion des Unterschenkels konnte festgestellt werden, dass lediglich 25 % der nach der Intervention symptomfreien Patienten die volle Muskel-Sehnen-Funktion zeigten.
Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich für die Praxis schließen, dass der Parameter Schmerz als alleiniges Kriterium nicht ausreicht, um den Therapieerfolg zu definieren. Genauso wenig reicht es aus, Studien durchzuführen, in denen das Ergebnis auf Schmerzskalen und Fragebögen basiert, da diese Messinstrumente zu stark vom Patienten/Probanden abhängig sind. Eine nicht vollständig an individuelle Belastungsanforderungen hergestellte Kraftfähigkeit stellt einen erneuten Risikofaktor dar, wiederum Beschwerden zu entwickeln.

NEUROMUSKULÄRE EINFLUSSFAKTOREN

Der Aspekt neuromuskulärer Kontrollmechanismen sportlicher Bewegung gewinnt, auch in Bezug auf Pathologien im Sport, immer mehr an Bedeutung. Vor dem Hintergrund des Pathomechanismus der Achillessehnentendinopathie rücken morphologisch-physiologische, koordinative und sensomotorische Komponenten immer mehr in den Vordergrund. Weineck (43) fasst unter morphologisch-physiologischen Bestandteilen die muskuläre Aktivierungsfähigkeit, die muskuläre Steifigkeit (Stiffness), die Muskelfaserzusammensetzung, etc. zusammen. Die Koordination umfasst die intra- und intermuskuläre Koordination (43). Die sensomotorische Komponente stellt die Umsetzung sensorischer Reize in adäquate motorische Aktionen dar. Wie bei den kinetischen Einflüssen ist es allerdings auch hier schwierig exakt zu bestimmen, ob die Achillessehnentendinopathie zu neuromuskulären Defiziten führt oder ob bereits bestehende neuromuskuläre Defizite für die Entstehung der Tendinopathie verantwortlich sind.
Kyröläinen et al. (20) beobachteten trotz geringer EMG-Aktivität hohe Kräfte der Achillessehne während des Abdrückens beim Laufen. Sprungaktionen sind von einer hohen Stiffness gekennzeichnet (20). Diese Beobachtungen zeigen, dass beim Laufen und Springen der Dehnungsverkürzungszyklus ausgenutzt wird, d.h. es wird in der exzentrischen Phase Energie in der Sehne gespeichert und in der konzentrischen Phase wieder abgegeben. Divert et al. (6) beobachteten, dass das Barfußlaufen im Vergleich zum Laufen in Schuhen von kürzeren Bodenkontakt- und Flugzeiten, höheren Impulsen und einer höheren Vorinnervation des M. triceps surae gekennzeichnet ist. Dadurch kommt es zu einer Verminderung des Aufpralls. Darüber hinaus folgt wohl eine neuromechanische Anpassung, die zu einer verbesserten Energiespeicherung und -abgabe führt (6). Die lokale Muskelfunktion wird durch eine Ermüdung beeinträchtigt, so dass es zu einer Veränderung der Reflexe und der muskulären Stiffness kommt und zentrale Steuerungsmechanismen einsetzen (11). Es wird infolgedessen deutlich, dass der Muskel-Sehnen-Komplex adäquat funktionieren muss, um verschiedene Bewegungsanforderungen ausführen und Belastungen standhalten zu können.

Bei Patienten mit Achillessehnentendinopathie stellten Hirschmüller et al. (10) trotz eines geringeren Kraftvermögens bei der Plantarflexion des betroffenen Fußes, eine stärkere muskuläre Aktivierung bei einer maximalen willkürlichen Kontraktion des M. triceps surae fest. Zur Begründung der höheren Ansteuerung wurde eine stärkere Beanspruchung der neuromuskulären Bewegungskontrolle in Erwägung gezogen. Außerdem wurde im Vergleich zu nicht betroffenen Probanden eine geringere neuromuskuläre Effizienz in allen Plantarflexoren nachgewiesen. Erstaunlicherweise passte sich das nicht betroffene Bein der Patienten an das verminderte Kraftniveau an, was eine stärkere Beteiligung des Zentralnervensystems vermuten ließ (10). Bereits McCrory (27) machte solche Beobachtungen. Kaufman et al. (16) fanden eine signifikant positive Korrelation zwischen einem hypertonen M. gastrocnemius und der Achillessehnentendinopathie. Dementsprechend scheint eine permanent fehlgesteuerte Zugeinwirkung überlastend auf die Sehne einzuwirken.
In einer randomisierten kontrollierten Interventionsstudie wurde die Wirkung eines standardisierten Physiotherapieprogramms, bestehend aus Friktionsmassage, Ultraschall, Eis, sensomotorischen und exzentrischen Übungen, mit der Wirkung von Einlagen verglichen (25). Bestimmt wurden das Schmerzempfinden sowie das konzentrische und exzentrische Kraftniveau der Plantarflexoren. Die beste Wirkung bezüglich des Schmerzempfindens zeigte sich bei den Einlagenträgern mit einer Schmerzlinderung von über 50% bei 89% der Probanden. In der Physiotherapiegruppe war ein Schmerzrückgang bei 73% der Probanden zu beobachten. Das maximale exzentrische Plantarflexionsmoment verbesserte sich in der Einlagen- und in der Physiotherapiegruppe mehr als 10%, woraus geschlossen wurde, dass ein sensomotorischer Effekt durch die Behandlung erzielt wurde, der mit einer Veränderung der Nozizeption und einer Reduktion der spinalen Hemmung erklärt werden könnte. Insgesamt spielt wohl die muskulär gesteuerte Gelenkstabilität eine bedeutende Rolle. So werden afferente Informationen entweder durch die Unterstützung des Längsgewölbes und des Rückfußes, oder durch die Anregung der Propriozeptoren durch wechselnde Gelenkstellungen, verändert (25).
Es wird vermutet, dass das Bewegungsausmaß im Sprunggelenk durch eine Tendinopathie der Achillessehne eingeschränkt ist und der monosynaptische Dehnungsreflex aufgrund seiner Erhöhung hierbei eine besondere Bedeutung hat (12). Vor dem Hintergrund dieser Annahme führten Howell et al. (12) eine Studie durch, in der sie die Wirkung einer osteopathisch manipulativen Behandlung auf den Stretchreflex und den H-Reflex (Hoffman-Reflex) bei Patienten mit einer Achillessehnentendinopathie untersuchten. Die Befunde offenbarten im M. soleus eine Reduktion der Reflexamplitude von 23,1%. Die Ergebnisse für beide Gastrocnemiusköpfe ähnelten denen des M. soleus. Beim H-Reflex konnten keine signifikanten Veränderungen festgestellt werden. Der Schmerz nahm nach der Behandlung ebenfalls ab, so dass auf eine geringere Nozizeptorenaktivität geschlossen wurde, die wiederum den StretchReflex beeinflussen könnte (12).

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

Die Achillessehnentendinopathie ist ein multifaktorielles Störungsbild. Defizite auf kinematischer, kinetischer und neuromuskulärer Ebene haben Einfluss auf die Entstehung einer Tendinopathie, können allerdings auch Folge sein (Abb. 2). Um diesbezüglich genaue Angaben machen zu können, ist eine umfangreiche quantitative Messung der kinematischen, kinetischen und neuromuskulären Merkmale wichtig. Fest steht, dass mit Eintritt des Pathomechanismus einer Tendinopathie der Achillessehne negative Wechselwirkungen folgen können. Intrinsische (Kraft- und Koordinationsdefizite) und extrinsische Faktoren (z.B. unpassendes Schuhwerk, extreme Bodenbeschaffenheit), sowie Über- und Fehlbelastung resultieren häufig u.a. in Sehnenpathologien. Verletzungen des Fußes enthalten ein großes Risikopotential zur Bildung von Arthrosen, Deformitäten und Funktionseinschränkungen. Deformitäten, Instabilitäten und Dysbalancen führen andererseits häufig zu Verletzungen (22).
Noch unklar ist die Wirkung einzelner, in Bezug auf die Achillessehnentendinopathie nur oberflächlich untersuchter Trainingsformen, wie z.B. sensomotorisches oder plyometrisches Training. Nach wie vor sind Synergieeffekte von Behandlungsmaßnahmen, wie z.B. von Mayer et al. (25) vorgestellt, nicht genügend überprüft. Insgesamt mangelt es an Studien, die die Wirkung eines kurzen und trotzdem vielseitigen Trainingsprogramms untersuchen und anhand quantitativer Messmethoden versuchen, für die Achillessehnenproblematik relevante Veränderungen motorischer Auffälligkeiten zu ermitteln. Dementsprechend wäre es sinnvoll, für die Praxis ein standardisiertes, quantitatives Testprofil bereitzustellen, mit denen die relevanten kinematischen, kinetischen und neuromuskulären Parameter des Unterschenkels ökonomisch gemessen werden können. Besonders für die Praktiker sollte einerseits ein übergeordnetes Ziel sein, möglichst früh Defizite zu erkennen, um eine Achillessehnentendinopathie vermeiden zu können, andererseits sollten die Defizite, die sich im Rahmen einer Tendinose entwickelt haben, schnellstmöglich durch effektive und kostengünstige Interventionen beseitigt werden können.

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