Sportmedizin
ORIGINALIA
VALGISIERUNG DER BEINACHSE BEI LÄUFERINNEN

Vermehrte Valgisierung der Beinachse bei gesunden Läuferinnen

Increased lower Extremity Valgus in Healthy Female Runners

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung/Zielsetzung: Der Laufsport wird vielfach mit Überlastungsbeschwerden in Verbindung gebracht, die durch biomechanische Phänomene hervorgerufen werden können. Beschwerdebilder im Bereich des patellofemoralen Gelenks sind bei weiblichen Läufern häufiger anzutreffen. Eine mögliche Ursache hierfür ist die Prädisposition der Frauen für eine Medialisierung der Beinachse, die auch mit der Entstehung des genannten Beschwerdebildes in Zusammenhang gebracht wird. Die Hypothesen der vorliegenden Studie waren demnach, dass gesunde Frauen im Vergleich zu Männern im Laufen eine vermehrte Hüftadduktion und Rückfußpronation aufweisen.
Methoden: Gelenkwinkelverläufe und diskrete Messgrößen in der Frontalebene des Hüftgelenks und dem unteren Sprunggelenk wurden bei 32 LäuferInnen (16 Frauen) in der Standphase des unbeschuhten Laufens mit einem 3-DBewegungsanalysesystem analysiert.
Ergebnisse: Läuferinnen zeigten im Mittel eine vermehrte Hüftadduktion in den ersten 87% des Abrollvorgangs (ROP). Punkt-für-Punkt Konfidenzbänder trennten sich hierbei zwischen 37% und 44% ROP (Mittelwertsdifferenzen MD: 3.7°-4.0°). Das Gesamtbewegungsausmaß und die maximale Hüftadduktion waren bei Frauen größer (MD: 2.8°/2.5°, Differenz der Mediane: 4.2°/5.0°, p<0.1). Trotz vorhandener Differenzen zeigten Messgrößen der Pronationsbewegung keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (MD: 0.2-1.5°, Differenz der Mediane: 0.1-1.5).
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen auf eine vermehrte Adduktion im Hüftgelenk bei Frauen während einzelner Phasen der Standphase hin. Diese kann zu einem medialen Kollaps führen. der mit Überlastungsbeschwerden wie dem PFPS assoziiert wird. Präventiv wirksame Trainingsprogramme zur Kräftigung der Hüftabduktoren und zur Stabilisierung der Beinachse bei Frauen sind als Ergänzung zum Standardtraining empfehlenswert.

Schlüsselwörter: Geschlechtsvergleich; Beinachse; Patellofemorales Schmerzsyndrom; 3-D-Kinematik; Joggen; Beinachsentraining.

SUMMARY

Introduction/Purpose: Running is frequently associated with overuse injuries which can be induced via biomechanical phenomena. Female runners are more prone to injuries at the patellofemoral articulation than their male counterparts. A reason for this may be the prevalence of a medial collapse of the lower extremity in women which is also described as a predisposing factor for Patello Femoral Pain Syndrome (PFPS). We hypothesized that female runners have greater hip adduction and rearfoot pronation than males while running.
Methods: Comparisons were made of hip frontal plane angular motions, and lower ankle joint kinematics during the stance phase (ROP) of barefoot running in 32 runners (16 women) with a 6-camera motion capture system.
Results: Female runners had increased mean hip adduction within the 1st 87% of stance. Point-by-point Gaussian theory intervals separated between 37% and 44% ROP (Mean difference MD 3.7°-4.0°). Range of motion for frontal plane motion at the hip and maximum adduction were greater in women (MD: 2.8°/2.5°, difference of medians: 4.2°/5.0°, p<0.1). Although mean values for pronation movement differed between groups, none of the differences was statistically significant (MD: 0.2-1.5°, difference of medians: 0.1-1.5).
Conclusion: Results of the current study indicate that women exhibit greater hip adduction during part of the ROP while running. This can lead to a medial collapse of the lower extremity which is associated with overuse injuries such as PFPS. Therefore, injury prevention programs for female runners focusing on the strengthening and alignment of the lower extremity are recommended.

Keywords: gender comparisons; leg axis; patello femoral pain syndrome; 3-Dkinematics; jogging; alignment training.

EINLEITUNG

In den letzten Jahren hat die weibliche Beteiligung im Laufsport ständig zugenommen (27). Neben zahlreichen Vorteilen in Hinblick auf die physische und psychische Gesundheit in allen Lebensabschnitten (31) führt Joggen jedoch auch häufig zu Überlastungsbeschwerden der unteren Extremität (21). Obwohl das Geschlecht im Allgemeinen keinen bedeutenden Risikofaktor für die Entstehung von Überlastungsbeschwerden darstellt (36), leiden Frauen häufiger an Beschwerden im patellofemoralen Gelenk (PFPS) (3, 34).
Anatomische und biomechanische Faktoren die mit Beschwerden im patellofemoralen Gelenk assoziiert werden, können häufiger in der weiblichen Bevölkerung beobachtet werden. Frauen sind für dieses Beschwerdebild demnach aufgrund der Achsverhältnisse der unteren Extremität prädisponiert. So wird ein größerer statischer Quadrizeps-Sehnen-Winkel (Q-Winkel) bei Frauen beschrieben (16) und mit PFPS in Verbindung gebracht (6, 21, 25). Die unzureichende Verallgemeinerbarkeit des statischen Befundes auf dynamische Situationen (13, 12, 26) und die eingeschränkten Testgütekriterien der Quantifizierung des Q-Winkels (11, 15, 25, 29) wer den jedoch in der Literatur kritisch diskutiert. Betrachtet man die Achsverhältnisse in der Dynamik, so konnten zahlreiche Arbeiten bereits eine vermehrte Valgisierung der Beinachse bei Frauen in dynamischen, ballsportspezifischen Belastungsformen wie abrupter Richtungswechsel und Landemanöver nachweisen (8, 9, 22, 23). Eine vermehrte Valgisierung der Beinachse scheint ein wichtiger Faktor für den Verletzungsmechanismus der vorderen Kreuzbandruptur zu sein (32). Auch bei Patientinnen mit PFPS konnten eine vermehrte Adduktion im Hüftgelenk bei einbeinigen Sprüngen und beim Laufen im Vergleich zu einer weiblichen Kontrollgruppe nachgewiesen werden (37, 38). Dierks et al. konnten zeigen, dass während einer längeren Laufbelastung die Kraft der Hüftabduktoren bei LäuferInnen mit PFPS abnimmt und diese Abnahme wiederum in Zusammenhang mit einer vermehrten Hüftadduktion steht (4). Eine vermehrte Adduktion des Femurs ist eine mögliche Ursache für ein Genu Valgum und kann damit die Funktion des patellofemoralen Gelenks beeinflussen (30). Ein weiterer möglicher Mechanismus für ein Genu Valgum ist eine Abduktion der Tibia, die wiederum die Folge einer exzessiven Pronation im unteren Sprunggelenk sein kann (30). Die Pronation wird trotz zum Teil widersprüchlicher Ergebnisse vergangener Studien als Einflussfaktor bei der Entstehung des PFPS diskutiert (2, 5, 10, 20).
In der Sportwissenschaft und Trainingslehre ist die Kenntnis über mögliche Pathomechanismen von Überlastungsbeschwerden wichtig, um notwendige Präventionsmaßnahmen abzuleiten. So wurden bereits erfolgreich ergänzende Trainingsprogramme entwickelt, die die Inzidenz von Rupturen des vorderen Kreuzbandes bei Sportlerinnen verringern können (32). Die Programme wurden auf Basis der Kenntnis geschlechtsspezifischer Besonderheiten bei der Durchführung sportartspezifischer Bewegungen entwickelt. Nur wenige Studien haben jedoch bisher die Laufbewegungen von gesunden Männern und Frauen verglichen. Hennig untersuchte Rückfußbewegungen im Geschlechtsvergleich, Ferber et al. hingegen die Bewegungen in Knie- und Hüftgelenken. Malinzak et al. betrachteten die Bewegungen im Kniegelenk während des Sprintens und Barrett et al. verglich primär die Variabilität kinematischer Messgrößen (1, 7, 14, 22). Keine der genannten Studien berücksichtigt gleichzeitig proximale und distale Einflussgrößen auf das patellofemorale Gelenk beim Joggen. Zudem wurden die genannten Studien alle beim Laufen in Schuhen durchgeführt, deren Einfluss auf die Kinematik der unteren Extremität nicht auszuschließen ist und somit zu zufälligen Messabweichungen führen kann.
Die vorliegende Studie soll die bestehende Datenlage hinsichtlich Beinachsenabweichungen in Hüftgelenk und unterem Sprunggelenk verdichten und spezifische Aussagen über den Bewegungsablauf im Laufen ermöglichen. Das Ziel der vorliegenden Studie ist die geschlechtsspezifische Analyse der Beinachse im unbeschuhten Joggen unter der Annahme, dass die Adduktion im Hüftgelenk und die Pronation im unteren Sprunggelenk bei Läuferinnen größer sind, als bei Läufern.

METHODEN

Probanden: 40 Freizeitläufer (mindestens 20 Trainingskilometer/Woche) wurden rekrutiert, davon mussten 6 Probanden aufgrund ihres Laufstils ausgeschlossen werden (Mittel- bzw. Vorfußläufer), 1 Proband war akut verletzt und bei einem weiteren Teilnehmer kam es zu Fehlern während der Datenverarbeitung. Letztendlich wurden 32 LäuferInnen (16 Frauen und 16 Männer) zwischen 20 und 51 Jahren in die Studie aufgenommen. Die Durchschnittswerte für Körpergewicht und –größe betrugen 71 kg (StdAbw 8.7 kg) und 1.77 m (StdAbw 0.08 m) für die männliche Stichprobe sowie 58 kg (StdAbw 6.1 kg) und 1.67 m (StdAbw 0.06 m) für die weibliche Stichprobe. Zum Zeitpunkt der Studie waren alle Probanden beschwerdefrei. Alle Probanden gaben ihre schriftliche Einwilligung zur Studienteilnahme. Die Studie wurde von Seiten der Ethikkommission der Universität Tübingen genehmigt.
Datenaufnahme: Reflektierende Marker wurden auf spezifischen anatomischen Landmarken des Beckens, Ober- und Unterschenkels und des Fußes aufgeklebt (Tab. 1). Alle Probanden trugen während der Analyse einen Sprinteranzug mit Aussparungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Spina Iliaca Anterior Superior (SIAS), um die Marker direkt auf die Haut applizieren zu können. Die Marker wurden unter Verwendung eines Standardprotokolls bei allen Probanden von derselben Person aufgebracht. Die Teilnehmer liefen barfuss auf einer EVA-Schaumbahn (Shore 18) um ein angenehmes und natürliches Barfusslaufen zu ermöglichen. Zur Gewöhnung an die Beschaffenheit und Länge der Laufbahn wurden vor der Datenaufnahme mehrere Probedurchgänge durchgeführt. Der Laufstil wurde mit einer Druckmessplatte visuell kontrolliert (Emed-X, Novel, München, Deutschland). Nach einem statischen Versuch absolvierte jeder Proband 10 Laufversuche bei einer Standardgeschwindigkeit von 3.3 m/s (±5%). Die Laufgeschwindigkeit wurde mit Lichtschranken im Abstand von 1 m kontrolliert. Linke und rechte Seite wurde in zufälliger Reihenfolge jeweils separat getestet.
Die kinematischen Daten wurden mit einem 6-Kamera- Bewegungsanalysesystem erfasst (ViconPeak, MCAM M1, 250Hz, Oxford, UK) und anschließend mit dem Softwarepaket Vicon Workstation v4.6 (Oxford Metrics Ltd., Oxford, UK) gefiltert. Markerlücken bis zu 20 Bildern wurden interpoliert, darüber hinaus galt der Versuch als ungültig. Ein Bein wurde zufällig ausgewählt und für die weitere Analyse herangezogen. Die kinematischen Messgrößen wurden mit Matlab R14 berechnet. Alle Segmente der unteren Extremität wurden als rigide Körper betrachtet und für jedes Segment ein lokales Koordinatensystem definiert. Die Bestimmung der Gelenkachse des subtalaren Gelenks (USG) basierte auf den anatomischen Studien von Isman und Inman (17), welche die Gelenkachse in der Sagittalebene 42° inklinieren und in der Transversalebene 23° nach medial rotieren. Die berechneten Gelenkwinkel wurden mittels Eulerwinkeln zwischen zwei benachbarten Segmentkoordinatensystemen berechnet und relativ zum statischen Versuch ausgegeben. Anschließend wurden die Daten auf 100% Standphase (Roll over process ROP) normalisiert, Die Kurvenverläufe und die daraus extrahierten Messgrößen wurden dann über die Einzelversuche jedes Probanden gemittelt.

Messgrößen und Statistik
In der Auswertung wurde der Gesamtverlauf der Gelenkwinkel der Frontalebene des Hüftgelenks und des unteren Sprunggelenks während der Standphase des Laufens dargestellt. Aus den Winkelverläufen wurden zudem der initiale (nur USG) und maximale Winkel, das Bewegungsausmaß vom initialen bis zum maximalen Winkel und das Gesamtbewegungsausmaß in den betrachteten Bewegungen ausgelesen. Neben dem deskriptiven Vergleich von Mittelwert und Median wurden geschlechtsspezifische Unterschiede für die diskreten Maße mit einem einseitigen Wilcoxon-Rangsummentest analysiert. Signifikante Befunde wurden bei p<0.05 festgesetzt. Der Vergleich der Gelenkwinkelverläufe erfolgte unter Berücksichtigung des Mittelwert +/- 95%-Konfidenzintervall (KI). Die Konfidenzbänder wurden hierbei auf einer Punkt-für-Punkt-Basis unter Berücksichtigung der Gauß-Verteilung berechnet. Zur besseren Übersicht wurde auf eine Darstellung der Konfidenzbänder innerhalb der Abbildungen verzichtet. Unterschiede im Kurvenverlauf wurden dann hervorgehoben, wenn sich die Konfidenzbänder nicht überlagern.


ERGEBNISSE

Abb. 1 illustriert den Gelenkwinkelverlauf in der Frontalebene des Hüftgelenks. Frauen zeigen bei Betrachtung der Mittelwerte eine vermehrte Adduktion vom Zeitpunkt des Fersenkontakts bis zu 87% der Standphase. Die Konfidenzintervalle trennen sich zwischen 37% und 44% der Standphase. Das Bewegungsausmaß von initialer zu maximaler Hüftadduktion zeigt keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Maximale Hüftadduktion und das Gesamtbewegungsausmaß in der Frontalebene der Hüfte sind bei den Frauen im Mittel und Median größer. Keine der genannten Differenzen ist statistisch signifikant, allerdings weisen die Messgrößen tendenzielle Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf (Tab. 2). Die vorliegenden Daten beinhalten einen Extremwert in der Stichprobe der Frauen, der sich von der Kurvencharakteristik deutlich von den anderen Probanden der Gruppe abhebt (Abb. 2). Dieser Wert beeinflusst die Ergebnisse entscheidend. Tab. 2 beinhaltet aus diesem Grund auch eine Berechnung der Teststatistik ohne den genannten Extremwert. Bei der Pronationsbewegung im subtalaren Gelenk zeigen die Läuferinnen im Mittel mehr Pronation als die Läufer (Abb. 3), die Konfidenzintervalle der beiden Mittelwertskurven überschneiden sich jedoch über den gesamten Verlauf des Abrollvorgangs. Initiale und maximale Pronation, Pronationsausmaß und das Gesamtbewegungsausmaß im unteren Sprunggelenk zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. (Tab. 2).

DISKUSSION

Die vorliegende Studie untersuchte geschlechtsspezifische Besonderheiten der Achsverhältnisse der unteren Extremität während des Laufens, die mitverantwortlich für die Entstehung von Überlastungsbeschwerden bei Frauen gemacht werden. Es wurde angenommen, dass Läuferinnen im Vergleich zu Läufern eine vermehrte Hüftadduktion und Rückfußpronation im Sinne eines medialen Kollapses vorweisen.
Die vorliegende Studie bezieht sich ausschließlich auf dynamische Messgrößen, obwohl der Quadrizeps-Sehnen-Winkel (Q-Winkel) ein vielfach angewendetes klinisches Verfahren ist, um Aussagen über die Achsverhältnisse der unteren Extremität und die mechanischen Voraussetzungen des Streckapparates und des patellofemoralen Gleitlagers zu machen. Dieser statische Test wird jedoch häufig kritisch diskutiert (11, 15, 25, 29). In Anlehnung an unterschiedliche Studien ist die Reliabilität des Messintrumentes bei Anwendung durch unterschiedliche Untersucher lediglich moderat bzw. schlecht (11, 28, 35) und auch der Intraklassenkorrelationskoeffizient ICC (2,1) für die intrainviduelle Reliabilität des in Rückenlage gemessenen Winkels konnte nur moderate bis ausreichende Ergebnisse vorweisen (11, 28, 35). Der statisch gemessene Q-Winkel lässt sich nicht auf unterschiedliche dynamische Bewegungscharakteristika der unteren Extremität übertragen (12, 13, 26). Aus den genannten Gründen ist die praktische Relevanz des Q-Winkels in Frage zu stellen und die Anwendung der Methode insbesondere für die Beschreibung dynamischer Vorgänge begrenzt. In der vorliegenden Studie wurde deshalb auf die Darstellung des Q-Winkels verzichtet und bereits in der Statik vorhandene Gruppenunterschiede eliminiert, indem die betrachteten Gelenkwinkel relativ zum statischen Versuch berechnet wurden.

Eine Valgisierung der Beinachse kann durch eine Pronationsbewegung von distal nach proximal induziert werden (30). Die vorliegenden Daten zeigen unterschiedliche Mittelwerte zwischen Männern und Frauen, diese liegen jedoch im Bereich von 1° und weisen weder einen praktisch relevanten noch einen statistisch signifikanten Unterschied für maximale Pronation und das Bewegungsausmaß der Pronation auf. Tendenzen, die auf eine größere Pronation der weiblichen Population hinweisen, sollten hierbei nicht überschätzt werden. Die Berechnung der Gelenkwinkel für das untere Sprunggelenk ist anfällig für Messfehler, die insbesondere durch die Markerapplikation, die Modellierung der subtalaren Gelenkachse (17) und die geringen Bewegungsexkursionen in diesem Gelenk (33) hervorgerufen werden können.
Die vorliegenden Ergebnisse unterscheiden sich von denen, die von Hennig (14) und Kernozek et al. (18) vorgestellt wurden: sie beschreiben eine vermehrte Rückfußbewegung gesunder Sportlerinnen bei der Durchführung unterschiedlicher Bewegungsaufgaben. Die Ergebnisse sind jedoch nur begrenzt auf die vorliegende Studie übertragbar, da die genannten Untersuchungen die Rückfußbewegung unter beschuhten Bedingungen quantifiziert haben.Bewegungen im Hüftgelenk können eine Valgisierung der unteren Extremität von proximal nach distal beeinflussen (30). Die vorgestellten Ergebnisse zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede der Hüftadduktion für die ersten ~87% des Abrollvorgangs, wobei sich die Konfidenzintervalle zwischenzeitlich separieren. Dass gewählte Verfahren zur Berechnung der Konfidenzintervalle findet bei der Beurteilung von Gelenkwinkelverläufen häufig Anwendung. Dennoch ist es nicht optimal, da es auf einer Punkt-für-Punkt-Berechnung der KI unter Berücksichtigung der Gauß-Verteilung basiert. Es setzt unter anderem eine Unabhängigkeit der einzelnen Datenpunkte voneinander voraus, dies ist jedoch bei der Betrachtung des Abrollvorgangs nicht gegeben. Lenhoff et al. kritisieren, dass die so generierten Intervalle, in denen der wahre Mittelwert der Kurve erwartet werden kann, zu schmal berechnet werden (19). Die ausgewiesenen Differenzen zwischen den Kurven sollten aus diesem Grund formell nicht als signifikant unterschiedlich beschrieben werden. Dennoch geben die Intervalle relevante Informationen über die Variabilität der zugrundeliegenden Daten und erleichtern damit auch deren Interpretation.
Nach unserem Wissen haben in den vergangenen Jahren nur Ferber et al. (7) Ergebnisse veröffentlicht, die geschlechtsspezifische Unterschiede bei gesunden LäuferInnen vergleichbar untersucht haben. Die Forschungsgruppe untersuchte jeweils 20 weibliche und männliche Läufer und beschreibt eine vermehrte Hüftadduktion in der weiblichen Stichprobe über den gesamten Abrollvorgang hinweg. Die absoluten Werte der Gelenkwinkel unterscheiden sich zwischen den zwei Studien für beide Geschlechter erheblich (~8°). Dies kann an der Verwendung unterschiedlicher Messprotokolle liegen. Bei der relativen Betrachtung der Messwertdifferenzen der diskreten Messgrößen zeigen die Daten von Ferber et al. (7) eine signifikant größere maximale Hüftadduktion bei den Läuferinnen. Dieses Ergebnis wird durch die vorliegende Studie bestätigt, die Differenz ist hier im Mittel geringer (2.5° in den vorliegenden Daten versus 3.6° bei Ferber et al.), bei Betrachtung der Mediane fällt sie deutlicher aus (5°). Mittelwert und Median der Gesamtstichprobe für die maximale Hüftadduktion liegen bei 16°, demnach können geschlechtsspezifische Differenzen von 5° als klinisch relevant eingeordnet werden.

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG

Auf Basis der vorgestellten Daten ist keine finale Aussage hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede der Pronation im subtalaren Gelenk während dem Barfußlaufen möglich. Die vorliegenden Daten zeigen hohe interindividuelle Variabilitäten der Rückfußbewegung, die gegenüber den Differenzen der zwei Gruppen sehr groß sind und auf keinen relevanten Unterschied zwischen den Gruppen hinweisen. Um diese Frage abschließend klären zu können, sollten zukünftige Studien die Anzahl der Probanden erhöhen, um damit den bekannten Schwierigkeiten bei der Erfassung der Pronations- und Supinationsbewegung entgegenzutreten. Demgegenüber lassen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung und die Angaben der Literatur darauf schließen, dass Frauen im Vergleich zu Männern beim Joggen ein vermehrtes Genu Valgum mit einer vermehrten Hüftadduktion aufweisen. Dieser Befund war in der vorliegenden Untersuchung nicht statistisch signifikant, allerdings zeigte sich bei einer differenzierten Betrachtung der Daten, dass hierfür ein einzelner Proband mit einer deutlich abweichenden Kurvencharakteristik ausschlaggebend war. Praktisch relevante geschlechtsspezifische Differenzen für maximale Hüftadduktion und ROM sowie die Betrachtung der Kurvenverläufe über den Abrollvorgang weisen einheitlich in dieselbe Richtung und rechtfertigen aus unserer Sicht die Aussage, dass Frauen eine vermehrte Adduktion während der Standphase des Abrollvorgangs vorweisen. Eine vermehrte Adduktion im Hüftgelenk wird mit einer Medialisierung der Beinachse im Sinne eines vergrößerten dynamischen Q-Winkels sowie einer Schwäche der Hüftabduktoren assoziiert und als Einflussfaktor für die Entstehung des PFPS angesehen (4, 30, 37, 38). Aus diesem Grund sollten Läuferinnen ein gezieltes Training der Hüftabduktoren und der Beinachse in ihr Trainingsregime integrieren, um die Entstehung von Überlastungsbeschwerden vorzubeugen.

DANKSAGUNG

Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Detlef Axmann für seinen Rat in biometrischen Fragen und Frau Lisa Neumann für Ihre Mithilfe bei der Erstellung des Manuskriptes.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Die Studie wurde von der Firma Nike (Beaverton, USA) unterstützt.

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Korrespondenzadresse:
Dr. Inga Krauss
Medizinische Universitätsklinik Tübingen
Abt. Sportmedizin
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E-Mail: inga.krauss@med.uni-tuebingen.de