Sportmedizin
FALLBERICHT
OSTITIS PUBIS

Die Ostitis pubis - MRT als diagnostischer Schlüssel eines klinisch unklaren, belastungsunabhängigen Leistenschmerzes

The Osteitis Pubis - MR Imaging may prove as a Diagnostic Tool in clinically Unexplained and Exertion-induced Groin Pain

ZUSAMMENFASSUNG

Belastungsinduzierte Leistenschmerzen stellen ein nicht seltenes, trainingslimitierendes und langwieriges Ereignis bei Sportlern und sportlich aktiven Menschen im jugendlichen und jungen Erwachsenenalter dar; betroffen sind v.a. fußballspielende junge Männern. Ein therapierefraktäre, langdauernde Schmerzanamnese scheint typisch zu sein. Neben einer Reihe von Differentialdiagnosen (Adduktorenzerrung, Leistenhernie, Hüftgelenksaffektionen) ist hierfür eine abakterielle knöcherne Streßreaktion, die die parasymphysealen Schambeinareale betrifft, verantwortlich: die Ostitis pubis. Die MRT kann dabei zur Klärung der Diagnose beitragen: hervorstechendes Merkmal ist das zumeist beidseitig anzutreffende Knochenmarködem der symphysennahen Schambeinregionen, was sich durch das helle Knochenmarksignal auf fettgesättigten Sequenzen manifestiert. Asymmetrien der Ödemausbreitung überwiegen und korrelieren mit der klinisch führenden Seite. In knapp der Hälfte der Fälle ließ sich eine asymmetrische Spaltbildung innerhalb der Symphyse nachweisen, das sog. secondary cleft sign. Die angrenzenden Weichteile (v.a. Adduktorenursprünge) können in unterschiedlichem Maße mit betroffen sein und ein Ödem zeigen. Sehnen- bzw. Muskelrisse haben wir nicht beobachtet. Obwohl die Ätiologie der Ödementstehung letztlich unklar ist, sehen wir als mögliche Ursachen Fehl- und Überlastungen der Symphyse durch intervallartige sportliche Aktivitäten (abrupte Geschwindigkeits- und Richtungswechsel) und eine begünstigende konstitutionelle Laxizität (Instabilität) der fibrokartilaginären Symphyse an.

Schlüsselwörter: Ostitis pubis, Streßreaktion, parasymphyseale Knochenmarködem, pubisches MRT, Differentialdiagnosen

SUMMARY

Exertion-induced groin pain turns out to be a sports-limiting and longstanding problem in adolescent and young adult sportsmen and sporting individuals. Young soccer players are involved in particular. A longstanding groin pain history, refractory to treatment, seems to be typical in this respect. Aside from some differential diagnoses (adductor muscle strain, groin hernia, affected hip joint), a non-bacterial osseous stress reaction of the para-symphyseal pubic bone is responsible for the so-called ostitis pubis. MR imaging proves to be helpful in establishing the diagnosis: bone marrow edema, located mostly bilateral, turns out to be the diagnostic imaging hallmark, which appears as a high-signal intensity bone marrow change on fat saturated sequences. In the majority, there is an asymmetric extension of pubic bone marrow edema, which fits quite well to the side preponderance found clinically. In almost half of the cases, there was evidence of a so-called secondary cleft sign (asymmetric symphyseal cleft). The surrounding soft tissue (i.e., origins of the adductor muscles) may be involved to some extent, showing soft tissue edema. We have not observed any muscle or tendon tears. Although the etiology of bone marrow edema development is still unclear, we suggest that symphyseal mis- and overstressing due to interval sporting exercise (sudden changes in running speed and direction) and an underlying constitutional laxity or instability of the fibrocartilagineous symphysis may be causative for this disease.

Key Words: Ostitis pubis, stress reaction, parasymphyseal bone marrow edema, pubic MR imaging, differential diagnoses

EINLEITUNG

Die sogenannte Ostitis pubis, „Symphysitis pubica“ oder Pubalgia stellt eine symphysennahe knöcherne Streßreaktion der angrenzenden Schambeinäste dar (parasymphyseale Streßreaktion), welche wir bevorzugt bei sportlich aktiven Menschen, insbesondere fußballspielenden jungen Männern, beobachteten. Klinisch steht dabei der belastungsabhängig auftretende, mit wechselnder Seitendominanz oft beidseitige Leistenschmerz im Vordergrund. Dieser beginnt schleichend; ein initiales erinnerliches Trauma liegt zumeist nicht vor. Der Verlauf ist prolongiert und zwingt zu längerdauernder Unterbrechung oder Herabsetzung der sportlichen Aktivitäten. Die Behandlung erfolgt zumeist unter der Annahme einer Leistenzerrung, eines Adduktorensyndroms oder anderer iliopectinaler Schmerzzustände, selten auch unter dem Verdacht einer Leisten- oder Schenkelhernie. Mitunter wird auch das Hüftgelenk als Schmerzursache angeschuldigt. Diagnostischen Aufschluß erbringt die Magnetresonanztomographie (MRT): sie zeigt ein (ein-, öfter beidseitiges) pubisches Knochenmarködem, welches mitunter mit einem ursprungsnahen myotendinösen Ödem der Adduktorengruppe (v.a. M adductor longus) vergesellschaftet ist. Auffällig zeigt sich auch die Symphysis pubica selbst: sie erscheint mit einer schmalen linearen Signalanhebung, welche parallel zur Facies symphysealis die Symphyse traverdiert. Hierbei handelt es sich um eine mehr oder weniger ausgeprägte symphyseale Rißbildung (sog. „secondary cleft sign“), die allerdings kaum je zu erkennbaren Dislokationen der beiden Schambeine gegeneinander führt. Des weiteren sind subchondrale Konturirregularitäten der Facies symphyseales hervorzuheben, welche resorptionszystischen Veränderungen oder subchondralen Einbrüchen der symphysealen Knochenlamelle entsprechen können. Seltener erkennt man auch intraossäre signalhypointense Linien, die spongiösen (Mikro-)Frakturen in den Schambeinästen entsprechen.
Im folgenden werden in einer retrospektiven Analyse 11 konsekutive Patienten vorgestellt und diskutiert, die sowohl klinisch als auch MR-bildmorphologisch dem Bild einer symphysennahen Streßreaktion zugeordnet wurden.

FALLVORSTELLUNGEN

Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die 11 konsekutiven Patienten, die sich innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren in unserer Ambulanz vorstellten. Es handelte sich dabei ausschließlich um Männer, die, mit einer Ausnahme, zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung unter 40 Jahre (Durchschnittsalter gesamt 32,2 Jahre, bei Exklusion des ältesten Patienten [66 J.]: 28,8 Jahre), aber nicht jünger als 20 Jahre alt waren. Alle betroffenen Individuen waren – in unterschiedlichem Ausmaße – sportlich aktiv gewesen, wobei zumeist Fußballspiel betrieben wurde. In allen Fällen zwangen die Schmerzen der vorderen Becken- und Leistenregion entweder zur vollständigen Sportaufgabe oder zumindest zu einer erheblichen Reduzierung sportlicher Aktivitäten. Die eruierbare Dauer der Schmerzen bis zum Zeitpunkt der Vorstellung in unserer Abteilung erstreckte sich von 0,5 bis 2,5 Jahren, in denen zumeist frustrane Therapieversuche unternommen wurden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass immerhin 2 Patienten einer Leistenoperation unter dem Verdacht auf Leistenhernie unterzogen wurden (bei einem der beiden Patienten sogar beidseitig), bei weiteren 3 Patienten war eine Leistenoperation bereits erwogen worden. Ein Patient erhielt wegen chronischer Unterbauchschmerzen unter der Annahme einer „chronischen Zystitis“ eine mehrmonatige Antibiotikatherapie. Bei 2 Patienten erfolgte die Überweisung dezidiert zum Ausschluß einer Hüftgelenkspathologie. In lediglich 4 Fällen führte die Verdachtsdiagnose (oder Differentialdiagnose) einer Adduktorenzerrung und / oder Symphysenverletzung zur MRTUntersuchung. Alle Patienten projizierten ihre Beschwerden in die Leistenregion, wobei die genaue klinische Untersuchung das punctum max. jeweils auf die mediale Leistenregion eingrenzte. Hier bestand ein Druckschmerz im Bereich der oberen Schambeinäste bei tiefer manueller Palpation. Unterschiedlich ausgeprägt war die angegebene Schmerzausstrahlung nach distal, zumeist entlang der Adduktoren: hierüber klagten 6 Patienten, wobei drei Patienten beidseitige Beschwerden angaben. Als typisch konnte bei fast allen Patienten ein „Anlaufschmerz“ eruiert werden, d.h. die Schmerzen waren am stärksten beim Aufstehen nach längerem Sitzen und ließen bei gleichförmigen Bewegungen (Gehen) wieder nach. Ruckartige Bewegungen und Richtungsänderungen wurden ebenfalls als schmerzhaft beschrieben. Patienten, die – reduziert und sporadisch - noch Sport treiben konnten, berichteten über Schmerzen, die erst nach Beendigung der körperlichen Belastung auftraten bzw. sich in den Abendstunden verstärkten.

Ein weiteres, offenbar typisches klinisches Merkmal dieser Verletzung scheint der prolongierte Schmerzverlauf zu sein, der die Wiederaufnahme normaler sportlicher Aktivitäten für lange Zeit unmöglich macht. Wiederholte Versuche der Belastungsaufnahme wurden regelmäßig als frustran beschrieben.
Entzündungswerte, soweit sie vorlagen oder erfragt werden konnten, erwiesen sich als normal; bis auf einen Fall (Vd.a. chronische Zystitis) erfolgte keine Antibiotikatherapie. Bei allen 11 Patienten handelte es sich um ansonsten gesunde Individuen; chronische Leiden bestanden keine.

RADIOLOGISCHE DIAGNOSTIK (MRT)

Einen Überblick über die erhobenen magnetresonanztomographischen Auffälligkeiten gibt Tabelle 2 wider. Den Schlüsselbefund stellt das in den fettgesättigten Sequenzen erhöhte Knochenmarksignal in den juxta- oder parasymphysären Abschnitten der oberen, seltener auch der unteren Schambeinäste dar. (Abb. 1) In allen Fällen waren beide Seiten von dieser Pathologie betroffen, wobei die Ödemausprägung zumeist seitendifferent war. Dabei korrelierte die Seite mit der führenden Ödemausprägung stets mit der klinisch schmerzführenden Seite. Auf T1-gewichteten Bildern entsprach der ödemartigen Signalsteigerung eine korrespondierende Signalabsenkung des Knochenmarkfettsignals, wobei es nie vollständig ausgelöscht wurde. Kortikale Frakturen wurden nicht beobachtet. Sichere Zeichen spongiöser Frakturen (signalhypointense Linien im pubischen Spongiosaraum) waren ebenfalls nicht erkennbar.

Bei fast allen Patienten (10 von 11) zeigte sich eine – mitunter nur diskrete - periostale oder myotendinöse Signalanhebung an der oberen Schambeinunterseite, d.h. im Ursprungsbereich der vorderen Adduktorengruppe (M adductor longus et brevis, M gracilis, selten M pectineus), wobei das Ausmaß der Beteiligung der genannten Muskeln unterschiedlich war. (Abb. 2) Ein Sehnenabriß bzw. ein Muskelfaserriß konnte nicht festgestellt werden, ebenso wenig fand sich ein Weichteilhämatom.
T1 coronar. 34-jähriger Handballer, seit 1 Jahr Leistenschmerzen. Man erkennt schmale osteophytäre Ausziehungen der korrespondierenden symphysealen Gelenkflächen nach kranial und kaudal (Pfeile). Beachte, dass das (helle) pubische Fettmarksignal nicht ausgelöscht wird (Asterisci). Die Symphyse selbst war in allen Fällen magnetresonanztomographisch auffällig: in 8 Fällen zeigten T1-gewichtete Aufnahmen osteophytäre Ausziehungen an den Rändern der korrespondierenden Facies symphyseales (Abb. 3), in 5 Fällen erschien der symphyseale Gelenkspalt verschmälert (Abb. 4); in 3 Fällen fand sich eine Pseudoerweiterung. (Abb. 5) Kortikale Irregularitäten, Erosionen und subchondrale Zysten kamen in 8 Fällen zur Beobachtung, manchmal zusammen mit signalhypointensen subchondralen Arealen, die als fokale Sklerosezonen angesprochen wurden. Bedeutung wurde der Identifizierung einer (in T2-gewichteten Aufnahmen) signalhyperintensen intrasymphysealen Linie beigemessen, wenn diese vertikal und planparallel zu den symphysealen Gelenkflächen verlief, jedoch nicht im Symphysenzentrum (primary cleft): in Übereinstimmung zur Literatur [15] wurde diese Pathomorphologie als „secondary cleft sign“ angesprochen (Abb. 6). Dieses Zeichen war in 3 Fällen sicher zu identifizieren, bei weiteren 2 Fällen ließen entsprechende Signalveränderungen einen Verdacht zu.
Röntgenaufnahmen des Beckens, obgleich zur Beurteilung der knöchernen Strukturen sinnvoll [16], lagen uns nicht regelhaft vor, daher wird hier auf röntgenologische Symphysen- und symphysennahe Veränderungen nicht eingegangen.

DISKUSSION

Leistenschmerzen stellen ein häufig anzutreffendes Symptom bei sporttreibenden Menschen dar. Neben den zumeist harmlosen und unkomplizierten Verläufen, die aus der täglichen Praxis bekannt sind, gibt es aber auch hartnäckige, rezidivierende und zur Chronifizierung neigende Leistenschmerzen, denen therapeutisch nicht oder nur ungenügend beizukommen ist. Solche Schmerzzustände stellen dann eine diagnostische Herausforderung dar.
Die MRT stellt eine geeignete diagnostische Methode dar, den pathomorphologischen Befund der Ostitis pubica darzustellen und sie gegen andere Differentialdiagnosen abzugrenzen. [1] Letzteres stellt ein besonderes Problem dar, da die klinische Symptomatik jener einer Leistenhernie ähnelt. [2] Tatsächlich wurden auch zwei der hier vorgestellten Patienten herniotomiert und bei mindestens 3 weiteren Patienten wurde eine Leistenoperation erwogen oder zumindest diskutiert. Dabei weist die Literatur tatsächlich auf die Existenz einer sog. „sports-hernia“ hin [3]: hierbei soll es sich um eine Laxität oder Ruptur der Fascia transversalis im oder in der Nähe des inneren Leistenringes handeln. Auf diese Entität, die bei sportlichen Belastungen entweder entsteht oder – falls präexistent – manifest wird, wurde bereits Anfang der 90er Jahre hingewiesen. [4, 5] Aktuelle Publikationen sehen als Ursache der „sports-hernia“ eine Tendinitis oder einen Riß der pubischen Insertion der M. rectus abdominis an und bezeichnen den Begriff „Hernie“ in diesem Zusammenhang eher als irreführend. [24] Davon abzugrenzen ist die sog. Gilmore-Hernie, bei der es sich um eine Ruptur und Dehiszenz der obliquen externen Aponeurose in der Nähe des äußeren Leistenringes handelt. [25] Bei unseren Fällen wurden allerdings weder Auffälligkeiten im Ansatzbereich des Rectus abdominis noch in der Umgebung des Leistenkanals beobachtet. Ob sich bei den operierten Patienten intraoperativ tatsächlich der Verdacht einer Leistenhernie oder „sports-hernia“ bestätigte, kann nicht beantwortet werden, allerdings legen sowohl die postoperativen (unveränderten) Beschwerden als auch der bildmorphologische Nachweis eines juxtasymphysären Knochenmarködems nahe, dass eine Hernie zumindest nicht die alleinige Ursache der Beschwerden sein konnte.

Über die Ursachen der hier vorgestellten parasymphysealen Streßreaktion ist viel und kontrovers diskutiert worden. In der älteren radiologischen Literatur der Vor-MRT-Ära wurde zwar bereits die Ostitis pubica beschrieben, jedoch bezog man diese Bezeichnung ausschließlich auf die infektiöse, d.h. osteomyelitische Form der symphysennahen Affektion, während man damals die chronische, belastungs- bzw. traumainduzierte Form der „Symphysitis“ als Osteonecrosis pubica (posttraumatica) bezeichnete. [6] Diese Einteilung war wesentlich dem röntgenologischen Erscheinungsbild dieser Entitäten geschuldet. Bereits wenig später trat, auch in der Nomenklatur, ein Paradigmenwechsel ein und man begann, auch sprachlich die infektiöse Form (Osteomyelitis) von der nicht-infektiösen (Osteitis) zu trennen. [7] Dabei stellt die symphysennahe Osteomyelitis eine wichtige Differentialdiagnose der hier zu besprechenden Ostitis pubica dar. Erstere tritt meist nach urogenitalen Infekten (z.B. Prostatitis), operativen urogenitalen Eingriffen einschließlich der suprapubischen Harnableitung und penetrierenden Verletzungen (z.B. Perineum, Urethra) auf und stellt eine ernste, behandlungspflichtige Komplikation dar. [8, 9] Anamnese, Lokalbefund und meist deutlich erhöhte Entzündungswerte sind wegweisend.
Schwieriger ist die ätiologische Zuordnung der Ostitis pubis, d.h. die belastungsinduzierte parasymphyseale Streßreaktion bei Sportlern. Die zumeist präferenzierte Ursache stellt die Annahme einer symphysealen (Mikro-)Instabilität dar. [10, 11] Nach Meinung der Autoren greift die alleinige Annahme einer Instabilität als Ursache der knöchernen Streßreaktion im Einzelfall zu kurz. Wir glauben, dass auch statische Fehlbelastungen (z.B. durch Beinlängendifferenzen), asymmetrische Belastungsformen (z.B. beim Hürdenlaufen) sowie eine dynamische muskuläre Imbalance im Zusammenspiel der perisymphyseal angreifenden Muskeln und Muskelketten ursächlich mit verantwortlich sein können. Hierfür spricht die strikte Belastungsabhängigkeit der Schmerzen, v.a. bei Sportarten bzw. Disziplinen, die mit ausgeprägten Standbein-/SpielbeinAbfolgen, forcierten Ab- und Adduktionsbewegungen der Beine sowie raschen Laufrichtungswechseln und Intervallbelastungen (Antritt, Abstoppen) einhergehen, wie sie insbesondere für die Spielsportarten typisch sind. Diese Auffassung wird auch von einer aktuellen Übersichtsarbeit unterstützt. [17] Für die Fehl- und Überbelastungssituation der osteomyotendinösen Einheit in der Symphysenregion spricht auch die in der MRT zwar nicht regelhaft anzutreffende, aber häufig erkennbare Ödem- oder fibrovaskuläre Reaktion an den pubischen Insertionen der Adduktoren. Das Ödem kann dabei unterschiedlich ausgeprägt sein und sich bis weit in die Muskulatur selbst fortsetzen, weshalb nach der Schmerzlokalisation oft auch vom Adductor-longus- bzw. Gracilis-Syndrom sowie auch vom Rectus-femoris- und Rectus-abdominis-Syndrom gesprochen wird. [12] Falls dezidierte Traumen dieser Muskeln nicht vorliegen (z.B. Adduktorenzerrung bei Sprintern), handelt es sich unseres Erachtens um sekundäre myotendinöse Phänomene der parasymphysealen Streßreaktion. [13] Muskelrisse, intramuskuläre Hämorrhagien oder Avulsionsfrakturen wurden bei unseren Fällen nicht beobachtet.

Das magnetresonanztomographisch hervorstechende Merkmal der Ostitis pubis stellt die stets nachweisbare intraossäre Signalanhebung des parasymphysealen Knochenmarkes der oberen, geringer und seltener auch der unteren Schambeinäste in den fettgesättigten Sequenzen dar. Diese Knochenmarkspathologie fand sich immer beidseitig, wobei meist eine leichte seitendifferente Signalasymmetrie bestand. Auch wenn der histologische Beweis bislang noch nicht geführt wurde, sprechen diese Knochenmarkssignalveränderungen für ein fokales Knochenmarködem. Die Ursache dieses Ödems ist unseres Erachtens eine subkortikale Streßreaktion, die sich im Spongiosaraum abspielt. Es besteht hierzu die Hypothese, dass es unter Einwirkung unphysiologischer Belastungen zu spongiösen Frakturen kommt. [18] Dies unterscheidet die Streßfraktur von der Insuffizienzfraktur, bei welcher normale, d.h. physiologisch auftretende Kräfte Frakturen verursachen (z.B. bei Patienten mit Osteoporose). In allen hier vorgestellten Fällen ließ sich keine manifeste Schambeinfraktur, d.h. eine kortikale Konturunterbrechung, nachweisen. Diese Beobachtung steht im Einklang zur jüngsten Differenzierung und Einteilung, wie sie Stoller et al. vorschlugen [14]: sie unterscheiden zwischen Schambeinastfrakturen (streß- oder insuffizienzbedingt) und der Ostitis pubis als sport-induzierte Belastungsfolge mit juxtasymphysealen subchondralen Signalveränderungen, vorzugsweise in den oberen Schambeinästen. Diese Befundkonstellation in der MRT scheint typisch, möglicherweise sogar spezifisch für die belastungsinduzierte Ostitis pubis zu sein.
Das Vorliegen spongiöser Frakturen erklärt wahrscheinlich auch die lange Schmerzanamnese der betroffenen Patienten. Da die Symphysenregion nicht entlastet oder ruhiggestellt werden kann, führen fortgesetzte Alltagsbelastungen zu kontinuierlichem und dauerhaftem Streß, was jeder Frakturheilung zunächst entgegensteht. Die klinische Implikation besteht darin, dass es zu einer verzögerten Frakturheilung mit konsekutiv prolongierter Belastungsinsuffizienz kommt. Wegen der fehlenden Kortikalisbeteiligung kommen Pseudarthrosen praktisch nicht vor. Röntgenologisch werden juxtasymphyseale bandartige Sklerosen sichtbar, die wegen ihrer subchondralen Lage früher als Osteonecrosis pubica bezeichnet wurden. Osteonekrosen haben wir in der MRT nicht beobachtet, dafür aber subchondrale Zystenbildungen (seltener) und juxtachondrale Resorptionen an den Rändern der eigentlichen symphysealen Gelenkflächen (häufiger). Letzteres scheint uns ein typischer Befund der parasymphysealen Streßreaktion zu sein. Wir erklären es mit einer – durch Sport und/oder symphyseale Laxizität – vermehrten Traktionsbeanspruchungen der symphysealen Bänder (Lig. pubicum superius am oberen Schambeinrand und Lig. arcuatum pubis am Schambeinwinkel). Diese liegen dem symphysealen Perichondrium auf und inserieren tief im pubischen Periost. [6] Diese anatomische Gegebenheit erklärt auch das fast regelmäßig anzutreffende symmetrische Muster der knöchernen Resorptionen. (Abb. 7) Es liegt also eine Form der streß- bzw. überlastungsbedingten rarefizierenden Enthesiopathie vor.
Daneben werden osteophytäre Randausziehungen an den Facies symphyseales beobachtet, die als adaptive Prozesse auf eine Störung der Symphyse selbst hinweisen. Die Symphysenbreite selbst kann dabei sowohl verschmälert als auch verbreitert sein: während wir letzteres als Phänomen der „Pseudoerweiterung“ als Folge der resorptiven Enthesiopathie ansehen, führen wir die Symphysenverschmälerung - in Anbetracht des jugendlichen Alters der Patienten – auf eine Knorpelschädigung der jugendlichen Symphyse zurück. Damit ergibt sich rein formal folgender Pathomechanismus: fortgesetzte Fehl- und Überbelastung (Sport, körperlicher Beruf) mit oder ohne begünstigende konstitutionelle Faktoren führen zu einer repetitiven atypischen Zug-, Druck- und Scherbelastung des Symphysenknorpels, was zur hyalinen Knorpeldegradation (Symphysenspaltverschmälerung) und zum vorzeitigen faserknorpeligen Umbau führt mit der Folge, dass die subchondrale Knochenlamelle einer vermehrten Druckbelastung exponiert werden, wodurch diese wiederum mit Sklerose, geröllzystischer Umwandlung und Osteophytenbildung reagieren (prämature Symphysendegeneration). [19, 20] Hält dieser Prozeß an, werden die Kompensationsmechanismen überfordert und es kommt zur pathologischen Druckübertragung auf die Subchondralräume. Die resultierenden Mikrofrakturen des Trabekelwerkes und das konsekutive Knochenmarködem bilden letztlich das morphologische Schmerzkorrelat der Ostitis pubis oder – synonym – der parasymphysealen Streßreaktion.
Abschließend sei noch auf ein besonderes pathomorphologisches Zeichen hingewiesen, welches sich in unserer Serie in 3 - 5 Fällen fand: das (sekundäre) Sympysenspaltzeichen oder „secondary cleft sign“. Wegen des vertikalen Verlaufes kann es am besten auf koronaren STIR-Sequenzen gesehen werden. Die signalhyperintense Spaltlinie befindet sich direkt subchondral, wobei das asymmetrische Vorkommen des Spaltes mit der schmerzführenden Seite korreliert. Diese Lage unterscheidet den (pathologischen) Spalt vom zentral gelegenen (primären) Spalt, der dem eigentlichen symphysealen Gelenkkavum entspricht. [15] Da der „secondary cleft“ unter Durchleuchtung mit Röntgenkontrastmittel dargestellt werden kann und auch zur Medikamenteninstillation genutzt wird, muß es sich hierbei um eine symphyseale Dehiszenz handeln („Vakuumphänomen“ der Symphyse in Analogie zur Bandscheibe). Die mitgeteilte hohe Sensitivität und Spezifität des sekundären Symphysenspaltzeichens für das Vorliegen einer Ostitis pubis halten wir für plausibel, allerdings fanden sich in unserer Fallgruppe wesentlich weniger Patienten mit einem secondary cleft sign bei nachgewiesener Ostitis pubis [15]; mithin scheint dieses scheint also nicht obligat vorzukommen.
Zur Therapie der belastungsinduzierten Ostitis pubis gibt es bislang keine randomisierten kontrollierten Studien: eine aktuelle Übersichtsarbeit [21] hierzu wertete 25 Publikationen aus, bei denen entweder konservative Methoden (physikalische Maßnahmen, Sportruhe, NSAR) einschließlich lokaler Injektionen von Corticosteroiden und/oder Lokalanästhetika, eine systemische Antibiotikagabe oder eine operative Therapie (Kürettage, pubischsymphyseale Stabilisation, retropubische Meshgraft-Einbringung) durchgeführt wurden. Wegen fehlender randomisierter, prospektiver Modalitätenvergleiche wurde aber offengelassen, welche der Methoden sich am effektivsten hinsichtlich der baldigen Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten erweist. Für ausgeprägte symphyseale Enthesitiden bzw. therapieresistente pubische Ostitiden werden operative Eingriffe (Meshgraft [22], symphyseale Kürettage [23]) erst nach vorausgegangener, erfolgloser konservativer Therapie vorgeschlagen.

DIFFERENTIALDIAGNOSTISCHE BETRACHTUNG

Die eingangs bereits dargelegten klinischen Probleme bei der Eingrenzung und Differenzierung von Leistenschmerzen zeigen, dass es neben nahe liegenden Verletzungsmustern (z.B. Adduktorenzerrung, Leistenhernie) eine Reihe beachtenswerter Differentialdiagnosen gibt, die im folgenden aufgeführt werden (Tab. 3).

FAZIT FÜR DIE PRAXIS

Die Ostitis pubis stellt eine chronische, belastungsinduzierte Streßreaktion der parasymphysealen Schambeinäste dar. Betroffen sind in aller Regel Sportler und sportlich aktive junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, vor allem aber fußballspielende junge Männer. Sie klagen über schleichend entstandene, bereits länger andauernde Leistenschmerzen, die sie entweder zu einer deutlichen Reduzierung ihrer sportlichen Aktivitäten oder aber zur völligen Sportabstinenz zwingen. In der MRT-Diagnostik fällt ein juxtasymphyseales, subchondrales Knochenmarködem auf, welches typischerweise beidseitig (mit möglicher Seitendifferenz) angetroffen wird. Das Ödem kann, muß aber nicht die perisymphysealen Muskelursprünge der Adduktoren, seltener auch anderer Muskeln, involvieren. Die Symphyse selbst kann verschmälert sein und sekundäre Veränderungen in Form osteophytärer Ausziehungen, subchondraler Zysten und Sklerosen zeigen. Ein spezifisches Krankheitszeichen ist das sog. „secondary cleft sign“, einer symphysealen Spaltbildung.
Die Krankheit entsteht wahrscheinlich im Zusammenspiel unphysiologischer Belastungsverhältnisse (Spielsportarten, Sprint- und Ausdauersportarten) mit bestimmten konstitutionellen Faktoren, wie muskuläre Imbalanz, Beinlängendifferenz, mangelnde Stabilität der Symphysis pubica.
Typisch ist ihr prolongierter Verlauf mit oft frustranen Versuchen der Belastungswiederaufnahme. Hierauf sind die Patienten hinzuweisen und bezüglich ihrer sportlichen Aktivitäten weiterführend zu beraten.
Auf die breite Palette differentialdiagnostischer Erwägungen wurde weiter oben hingewiesen, besonders sei hier aber auf Verwechslungsmöglichkeiten mit der Leistenhernie bzw. der sog. „sports hernia“ hingewiesen.
Sorgfältige (Sport-)Anamnese, klinische Untersuchung und die MRT-Diagnostik können die Diagnose der Ostitis pubis sichern.

DANKSAGUNG

Die vorliegende Arbeit ist Herrn Professor Dr. Klaus Bohndorf, geschäftsführender Direktor der Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie, Klinikum Augsburg, zum 60. Geburtstag gewidmet.

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Korrespondenzadresse:
Dr. med. Thomas Grieser,
Klinik für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie
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86156 Augsburg
E-Mail: Thomas.Grieser@klinikum-augsburg.de