Sportmedizin
ORIGINALIA
AUSWIRKUNG VON KRAFTTRAINING AUF DIE POSTURALE KONTROLLE

Einfluss von Heimkrafttraining auf die posturale Kontrolle von Patienten mit Hüftarthrose/ -prothese

Influence of a Strengthening Exercise Program on Postural Control in Patients with Hip Arthritis and/or Hip Joint Endoprothesis

Abteilung Sportmedizin, Medizinische Klinik und Poliklinik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen

ZUSAMMENFASSUNG

Ziel:  Untersuchung  der  Wirkung  eines  kraftbasierten  Heimtrainingprogramms auf  die  statische  Gleichgewichtsfähigkeit  bei  Patienten  mit  Hüftarthrose  und Hüftgelenksersatz  und  Überprüfung  der  Durchführbarkeit  des  Trainings  sowie der Testmethoden. Probanden und Methoden: Im Rahmen einer longitudinalen Pilotstudie  über  8  Wochen  wurden  36  Teilnehmer  aus  den  „Tübinger  Hüftsportgruppen“  randomisiert  einer  Interventionsgruppe  (IG,  n  =  18,  65  ±  7,5 Jahre) und einer Kontrollgruppe (KG, n = 16, 65 ± 9 Jahre) zugeteilt. Die IG führte zusätzlich  zum  wöchentlichen  Hüftsport  dreimal  pro  Woche  ein  30minütiges Heimtraining  zur  Kräftigung  der  hüftübergreifenden  Muskulatur  durch.  Die Gleichgewichtsfähigkeit  wurde  zu  Beginn  und  am  Ende  der  Interventionszeit bei allen Probanden mittels Rombergtest im Tandemstand und Einbeinstand auf dem Posturomed quantifiziert. Ergebnisse: Nach dem Trainingsintervall kam es im Romberg-Test zu keiner signifikanten Änderung. Auf dem Posturomed nahm die Plattenschwankung bei der IG im Median um 16,2 % ab, während sie bei der KG um 12,0 % zunahm. Der Vergleich der Differenzen von der Eingangsmessung zur  Abschlussmessung  im  Gesamtwegsignal  zwischen  Interventions-  und Kontrollgruppe  zeigte  im  Mann-Whitney-U-Test  jedoch  keine  signifikanten Unterschiede  (p  =  0,248).  Diskussion/Schlussfolgerungen:  Die  Messmethoden sind  bei  Hüftpatienten  anwendbar  und  das  Krafttrainingsprogramm  ohne Probleme  durchführbar.  Das  Heimtraining  hat  jedoch  in  der  bestehenden Form  nur  geringe  Auswirkungen  auf  die  Gleichgewichtsfähigkeit.  Zukünftig werden  deshalb  vermehrt  funktionelle  Balanceübungen  in  das  Heimtraining implementiert, um neben der allgemeinen Kräftigung auch einen positiven Effekt auf die Koordinationsfähigkeit zu ermöglichen.

Schlüsselwörter:  Posturale  Kontrolle,  Hüftpatienten,  Hüftschule, Sporttherapie.

SUMMARY

Purpose: To test the influence of a home-based training program for hip muscles on static balance in patients with arthritis and/or endoprosthesis of the hip joint and to evaluate the feasibility of the exercises and test methods. Subjects and methods: In a longitudinal pilot study, balance was measured at the beginning and end of an 8-week training period in 36 subjects, randomly assigned to an intervention group and a control group. IG trained 3 times a week for 30 minutes at home in addition to regular weekly hip school training. Balance was quantified using the Romberg test in tandem stance and a single leg stance test on the Posturomed. Results: The Romberg test showed no significant changes after the intervention. The tests on the Posturomed showed that the mean sway of the plate decreased by 16.2 % in IG, while it increased in KG by 12.0 %. No significant differences between IG and KG were found for the total sway path when comparing the two measurements within the groups (p = 0.248). Discussion/Conclusion: The Posturomed and Romberg test were suitable for testing hip patients. The training programme was well accepted, but  only  showed  a  minor  effect  on  balance  improvement.  Prospective  studies should implement more balance exercises in the training to positively influence not only strength but also balance.

Key  Words: Postural  control,  hip  patients,  hip  school,  home-based  training, sports therapy.

PROBLEM-UND ZIELSTELLUNG

Osteoarthrose (OA) ist eine weit verbreitete chronische Krankheit, welche den Patienten erhebliche Schmerzen sowie Schwierigkeiten bei der Ausübung alltäglicher Arbeiten bereitet und insbesondere Knie-  und  Hüftgelenk  betrifft  (5,8).  Darüber  hinaus  stellt  die  Behandlung der OA eine erhebliche Belastung für die Volkswirtschaft dar.  Demographischen  Abschätzungen  zufolge  werden  im  Jahre 2040 mehr als 20% der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein (15). Da die Prävalenz der OA mit steigendem Alter zunimmt (17) wird erwartet, dass sich die Anzahl der Osteoarthrosepatienten bis zum Jahre 2020 verdoppelt (10) und sich somit die ökonomische Belastung auf das Gesundheitssystem weiter erhöht (5).
Das  erhöhte  Alter  und  die  zusätzliche  Einschränkung  durch die  Arthrose  ziehen  häufig  eine  Abschwächung  der  Beinmuskulatur sowie eine Verschlechterung von Mechanismen der posturalen Kontrolle nach sich (27). Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine verminderte Gleichgewichtsfähigkeit oftmals zu einem erhöhten Sturzrisiko führen kann (6, 22, 23) und dass diese durch Training auch bei älteren Personen verbessert werden kann (2). Als ein wichtiger Pfeiler der konservativen Behandlung könnte daher das aktive Training (4, 32) eine geeignete und kostengünstige Möglichkeit darstellen, um ein verbessertes Balancevermögen als  Voraussetzung für eine erhöhte Stand- und Gangsicherheit zu schaffen (7, 20). Ein essentieller Bestandteil bei der Gleichgewichtserhaltung ist dabei die Kraft der hüftumgebenden Muskulatur, welche beim Stehen und Gehen Stabilität verleiht. Vor allem die Muskeln der Rotatorenmanschette des Hüftgelenks  sowie  die  Abduktoren  spielen  hierbei  eine  übergeordnete Rolle (9), insbesondere verhindert der Musculus glutaeus medius im Einbeinstand das Abkippen des Beckens zur Gegenseite (16). Da der Einfluss der Kraftfähigkeit auf die posturale Kontrolle bisher bei  Hüftpatienten  noch  nicht  untersucht  wurde,  war  es  das  Ziel dieser Studie, zu prüfen, ob Teilnehmer einer Hüftsportgruppe ihre Gleichgewichtsfähigkeit  durch  ein  zusätzlich  stattfindendes  Heimtraining zur Kräftigung der hüftumgebenden Muskulatur verbessern können.  Die  Interventionsform  eines  ergänzenden  Heimtrainings wurde  gewählt,  um  den  Trainingseffekt  des  wöchentlich  einstündigen Hüftsports, welcher sich an der unteren Grenze der Trainingswirksamkeit (13) befindet, zu steigern. Ferner sollte geprüft werden, ob die gewählten Test- und Trainingsmethoden für Hüftpatienten im Sinne der Durchführbarkeit geeignet sind.

MATERIAL UND METHODEN

Studiendesign und Probanden
Bei der vorliegenden Längsschnittuntersuchung handelt es sich um eine  randomisierte  Kontrollgruppenstudie  im  Test-Retest-Design mit einem Interventionszeitraum von acht Wochen.
Die Probanden wurden aus den „Tübinger Hüftsportgruppen“ (16, 19) rekrutiert und im Vorfeld über den Ablauf und den Inhalt der Studie informiert. Die Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien  erfolgte  im  Rahmen  der  klinischen  Eingangsuntersuchung durch den Prüfarzt (Tab. 1). Der Studiendurchführung wurde von Seiten der lokalen Ethikkommission zugestimmt.
Von den insgesamt 36 Teilnehmern mussten 2 Probanden der Kontrollgruppe  zum  einen  wegen  einem  selbst  durchgeführten Gleichgewichtstraining  und  zum  anderen  wegen  krankheitsbedingter  Abwesenheit  bei  der  Abschlussmessung  ausgeschlossen werden. Hinsichtlich Alter, Geschlechterverteilung, Gewicht, Größe und Body-Mass-Index (BMI) sowie der Verteilung von Hüftendoprothese  (HTP)  und  Arthrose  und  Dauer  der  Beschwerdezeit sind Kontrollgruppe (KG) und Interventionsgruppe (IG) vergleichbar (Tab. 2).

Trainingskonzeption
Alle  Probanden  nahmen  seit  mindestens  6  Monaten  an  einem wöchentlich  stattfindenden  60-minütigen  Training  in  den „Tübinger  Hüftsportgruppen“  teil  (16, 19).  Die  IG  absolvierte  zusätzlich  ein  dreimal  wöchentlich  stattfindendes,  30-minütiges Heimtrainingsprogramm  zur  Kräftigung  der  hüftübergreifenden Muskulatur  und  angrenzender  Körperregionen  in  unterschiedlichen  Ausgangsstellungen  (Rückenlage,  Seitlage,  Sitz,  Stand)  mit geringem  Materialaufwand  (Ball,  BalancePad,  Theraband®).  Beispielhafte  Übungen  waren  dabei  Bridging  in  Rückenlage  mit  unterschiedlichen  Kniewinkeln,  Beinachsentraining  beim  Transfer vom Sitz zum Stand oder Kräftigung der Abduktoren im Sitz über Abspreizen der Knie gegen den Widerstand des Therabandes®. Eine genaue Beschreibung erfolgte über Trainingsbögen, welche zu Anfang jeder neuen Woche ausgeteilt wurden.
Die Trainingskonzeption des Heimtrainings entspricht den im Jahr 2000 bekannt gegebenen „Osteoarthritis Guidelines“ und zielt demnach  auf  eine  Schmerzlinderung  sowie  auf  die  Verbesserung der Funktionsfähigkeit und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität ab. Grundlage des Belastungsgefüges für das Heimtraining ist eine  modifizierte  Form  des  „Fünf-Stufen-Modell“  nach  FROBÖSE und LAGERSTRØM (12): So ergab sich für das Heimprogramm der Probanden ein Krafttraining in drei Stufen (Tab. 3).
Im  Trainingstagebuch  wurden  die  durchgeführten  Trainingseinheiten  und  der  Trainingsumfang  notiert,  sowie  auftretende  Schmerzen  (WOMAC-Schmerz-Score)  und  das  subjektive Belastungsempfinden (BORG CR-10-Scala), auf welche im Einzelnen  nicht  näher  eingegangen  wird,  dokumentiert.  Anhand  dieser Angaben konnten die Trainingsmodalitäten in der wöchentlichen Besprechung  durch  Veränderungen  von  Ausgangsstellung,  Intensität  oder  Vorschlag  einer  Alternativübung  bei  Bedarf  individuell angepasst werden.

Gleichgewichttests zur Quantifizierung der posturalen  Kontrolle
Der  Rombergtest  im  Tandemstand  wurde  in  aufrechter Körperposition durchgeführt, wobei die Füße direkt hintereinander standen (26) und in den Knien leicht gebeugt waren. Der Proband wurde angewiesen das Gewicht auf beide Füße gleichmäßig zu verteilen.  Zusätzlich  wurde  die  Armposition  (Hände  in  den  Hüften) standardisiert. Als Maß für die Gleichgewichtsfähigkeit diente die Zeit, über die der Proband die Position aufrechterhalten konnte, maximal aber 60 Sekunden. Als Abbruchkriterien wurde das Wegbewegen einer Hand von der Hüfte, Versetzen oder Abheben eines Fußes, öffnen  der  Augen  oder  die  Veränderung  der  Kniebeugung/-streckung in ersichtlichem Maße festgelegt. In beiden  Testkonditionen, mit geöffneten und geschlossenen Augen, wurde je eine Probemessung pro Seite vorangestellt. Wenn bei dieser die maximale Zeit erreicht wurde, zählte sie bereits zu den 6  nachfolgenden Versuchen. Die  Messungen  wurden  jeweils  im  Wechsel  mit  dem  linken  und dem rechten Fuß an vorderer Stelle durchgeführt.
Der  Test  auf  dem  Posturomed®  (Haider  Bioswing,  Pullenreuth)  erfolgte  im  Einbeinstand  mit  leicht  gebeugtem  Standbein, locker herabhängenden Armen und dem Blick an die gegenüberliegende Wand gerichtet (Abb. 1). Nach einer Eingewöhnungsphase und  jeweils  einmaliger  Probemessungen  wurden  10  Messungen abwechselnd  mit  dem  linken  und  dem  rechten  Bein  über  eine Dauer von 6 Sekunden durchgeführt (3). Die Platte wurde an der Unterseite mit einem berührungslosen induktiven Wegaufnahmesystem  (DIGIMAX,  mechatronic,  Hamm)  kombiniert.  Durch  Aufsummation der einzelnen Weginkremente in medio-lateraler- bzw. anterior-posterior-Richtung wurde der zurückgelegte Gesamtweg (Sr) der Platte für das gewählte Messintervall mit der geräteeigenen Software berechnet (25).
Bei  beiden  Tests  wurden  die  äußeren  Bedingungen,  Anweisungen, der Messablauf und die Standpositionen standardisiert.

Statistische Auswertung
Aufgrund nicht-normalverteilter Messdaten wurden Medianwerte, Minima  und  Maxima  bestimmt.  Zur  Überprüfung  der  Fragestellung, ob das zusätzliche Heimtraining der IG im Vergleich zur KG einen  Einfluss  auf  die  Gleichgewichtsfähigkeit  hat,  erfolgte  der Vergleich  der  Differenzen  von  der  Eingangsmessung  (Mprä)  zur Abschlussmessung (Mpost) zwischen IG und KG mit dem MannWhitney-U-Test (p<0.05).

ERGEBNISSE

Von  den  insgesamt  432  Heimtrainingseinheiten  aller  Probenden der  IG  wurden  nur  6  versäumt.  Dies  entspricht  einer  Teilnahme von  98%.  Eine  Abänderung  des  Trainingsplans  in  Form  einer  Reduktion der Intensität war lediglich bei einem Probanden über einen Zeitraum von einer Woche erforderlich.
32 der 34 Probanden konnten den Tandemstand mit geöffneten Augen über 60 Sekunden aufrechterhalten. Mit geschlossenen Augen verringerte sich der Medianwert der jeweiligen Messwerte von Mprä zu Mpost bei der IG um 2,5 % (von 19,8 s auf 19,3 s) und bei der KG um 16,6 % (von 15,1 s auf 12,6 s). Differenzen von Mprä nach  Mpost  zeigten  im  Gruppenvergleich  jedoch  keine  signifikanten Unterschiede (p = 0,325; Abb. 2).
Bei Betrachtung des Sr auf dem Posturomed verzeichnete die IG von Mprä zu Mpost eine Reduzierung um 7,9 mm (Differenzbereich -127 bis 24 mm), während die KG eine Steigerung um 5,8 mm (Differenzbereich -84 bis 114 mm) zeigte. Die Abnahme der IG war im Vergleich zur Zunahme der KG statistisch nicht signifikant (p = 0,248). Aus Abb. 3 ist jedoch ersichtlich, dass mehr als 75% der Probanden der IG eine Verminderung des Sr von Mprä nach Mpost aufweisen,  während  die  Veränderungen  in  der  KG  keine  eindeutigen Tendenzen zeigen.
Die Durchführbarkeit der Testmethoden war bei der gewählten Stichprobe gegeben. Aufgrund von Schmerz oder der Unfähigkeit die  geforderten  Positionen  einzunehmen  musste  keine  Messung abgebrochen werden. Fehlversuche, bei welchen die Standposition auf  dem  Posturomed  nicht  über  die  geforderten  6  Sekunden  aufrechterhalten  werden  konnte,  kamen  in  beiden  Gruppen  nur  zu 5,3% vor und verringerten sich vom ersten zum zweiten Messtermin noch weiter (auf 2,9%). Diese Messungen gingen nicht in die Analyse mit ein.
Die  Ergebnisse  zeigen,  dass  die  Gleichgewichtsfähigkeit  in der vorliegenden Untersuchung, quantifiziert durch Tandemstand auf festem Untergrund sowie Einbeinstand auf dem Posturomed, durch  ein  zusätzliches  zum  Hüftsport  durchgeführtes,  funktionelles Krafttraining nicht verbessert werden konnte. Zudem weisen die Messwerte innerhalb der erhobenen Population eine erhebliche Streuung auf.

DISKUSSION

Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte die Auswirkung eines heimbasierten Krafttrainings der hüftumgebenden Muskulatur auf die posturale Kontrolle überprüft werden. Eine Verbesserung der Messwerte als Maß für die Gleichgewichtsfähigkeit konnte dabei in den verwendeten Testmethoden nach acht Wochen nicht  beobachtet werden.

Die Testmethoden, Tandemstand und Einbeinstand auf dem Posturomed, waren gut durchführbar, was auf einen alters- und populationsangemessenen  Schwierigkeitsgrad  schließen  lässt. Durch  Kontrolle  der  Umgebungsbedingungen  und  Minimierung von  Störeinflüssen sowie festgelegten Anweisungen wurde der Test so weit wie möglich standardisiert. Dennoch konnte der Einfluss weiterer  Faktoren,  wie  zum  Beispiel  die  Schmerzsymptomatik der  Patienten,  die  sich  aufgrund  der  Arthroseerkrankung  an verschiedenen  Tagen  unterschiedlich  stark  manifestieren  kann, auf  die  Testleistung  der  Probanden  nicht  völlig  ausgeschlossen werden.
Der  Tandemstand  wird  häufig  zur  Quantifizierung  der posturalen  Kontrolle  herangezogen  (11, 26).  Er  charakterisiert insbesondere  die  Fähigkeit  eine  Standinstabilität  aus  der  Hüfte heraus  auszugleichen,  da  der  Tandemstand  vor  allem  durch  die Hüftkontrolle dominiert wird (31). In verschiedenen Studien konnten bereits Verbesserungen des Gleichgewichts über den Tandemstand als Testmethode gezeigt werden. Ullmann et al. stellten eine signifikante  Verbesserung  der  Messwerte  des  Tandemstands  bei älteren  Probanden,  die  an  einem  fünfwöchigen  Feldenkrais  Programm teilnahmen, im Vergleich zu einer altersgleichen Kontrollgruppe fest (30). Parkinsonpatienten konnten sich in einer Studie von  Stankovic im Tandemstand nach einer 30-tägigen physiotherapeutischen  Intervention  signifikant  verbessern  (28).  In  beiden Fällen  wurde  der  Tandemstand  mit  geöffneten  Augen  durchgeführt. Diese Version bedingte bei der vorliegenden Stichprobe in dieser  Untersuchung  jedoch  einen  Deckeneffekt,  da  nahezu  alle Probanden  den  Test  über  die  maximale  Zeitspanne  absolvieren konnten.  Deswegen scheint die Messmethode in dieser Form für die gewählte  Population zwar anwendbar aber nicht sensitiv genug zu sein.
Die  Charakterisierung  der  Gleichgewichtsfähigkeit  über das Posturomed wählten Boeer et al. um eine Verbesserung von Hüftsportteilnehmern  mit  zusätzlichem  Balancetraining  gegenüber  einer  Kontrollgruppe  ohne  zusätzlichem  Training  nachzuweisen.  Nach  dem  12-wöchigen  Interventionszeitraum  verminderte  sich  das  Gesamtwegsignal  der  Platte  bei  den  Teilnehmern des  Programms  im  Vergleich  zur  Kontrollgruppe  signifikant  (2). Im  Vergleich  dazu  konnte  durch  Applikation  eines  zusätzlichen Krafttrainings zum Hüftsport in der vorliegenden Studie ein solcher Effekt jedoch nicht nachgewiesen werden. Zusätzlich ist die Streuung der Werte in den Gruppen sehr viel höher als bei Boeer et al., obwohl die Medianwerte der beiden Gruppen den in der Literatur beschriebenen Mittelwerten gesunder Probanden  entsprechen (3).  Dies  könnte  durch  die  auftretenden  Extremwerte  bei  den Messungen  mit  dem  Posturomed  bedingt  sein,  deren  Problematik darin besteht, dass ein Fehlversuch, bei dem der Einbeinstand nicht aufrechterhalten werden kann, nicht in die Wertung miteinbezogen wird und der Proband damit ein viel geringeres Wegsignal aufweist als ein Proband, der durch große Ausgleichsbewegungen starke Schwankungen gerade noch abfangen kann.
Aufgrund dieser sehr hohen Variabilitäten, die innerhalb der Probanden sowohl beim Tandemstand mit geschlossenen Augen als auch beim Einbeinstand auf dem Posturomed zwischen Messtag 1 und 2 auftraten, wurde die Plausibilität der Ergebnisse unter Durchsicht der Probandenakte auf eventuelle Auffälligkeiten am jeweiligen Messtag oder während der Messung überprüft. Für die Messungen wurden jedoch keine Besonderheiten dokumentiert.
Vorraussetzung  für  eine  hohe  Trainingseffizienz  sind  eine gute  Compliance  sowie  ein  geringes  Verletzungsrisiko.  Im  Allgemeinen  führen  Interventionsformen  in  der  Gruppen  bzw.  persönlich  betreute  Trainingsprogramme  zur  Behandlung  der  Osteoarthrose zu einer besseren Therapietreue im Vergleich zu einem zuhause durchgeführten Trainingsprogramm (21). Die Motivation und Therapietreue (98 %) der Probanden für das Heimtraining im Rahmen der vorliegenden Studie waren deutlich größer als bisher veröffentlichte  Daten  aus  der  Literatur:  in  einer  Studie  mit  vergleichbarer  Interventionsform  lag  die  Compliance  bei  77  %  (29). Die  enge  Betreuung  der  Probanden  durch  die  Gruppentherapie und  die  Bindung  an  den  langjährigen  Ansprechpartner  in  den Hüftsportgruppen könnte dabei einen Grund für die hohe Compliance in dieser Studie darstellen.
Der  positive  Wirkmechanismus  eines  Balancetraining  auf die Maximalkraft und den Ausgleich muskulärer Dysbalancen im Bereich  der  unteren  Extremitäten  wurde  bereits  in  der  Literatur beschrieben (18). Umgekehrt stellten Lord et al. nach einem zwölfmonatigen allgemeinen Kraft- und Balancetraining bei älteren Frauen eine signifikante Verbesserung des dynamischen Gleichgewichts fest, was die Autoren vorwiegend auf die Kraftsteigerung der Hüftflexoren und -extensoren zurückführten (24). Die Auswirkung einer reinen Kraftintervention auf die statische Gleichgewichtsfähigkeit konnte in diesem Zusammenhang jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zeigte sich keine systematische Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit bei der  Interventionsgruppe  im  Vergleich  zur  Kontrollgruppe  durch ein Krafttraining der hüftübergreifenden Muskulatur.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

Der  kurze  Interventionszeitraum,  das  kraftbasierte  Training,  die vorliegenden hohen inter- und intraindividuellen Unterschiede und der  bereits  hohe  Trainingszustand  der  Probanden,  aufgrund  der regelmäßigen Teilnahme an den Hüftsportgruppen, könnten Faktoren dafür sein, dass kein Effekt des Heimtrainings auf die Gleichgewichtsfähigkeit der Probanden nachgewiesen werden konnte.
Um die Effizienz eines Heimtrainings auf die  Gleichgewichtsfähigkeit zu verbessern, sollten funktionelle Aspekte im Krafttraining sowie koordinative Übungen in das Trainingskonzept eingebunden und die Interventionszeit verlängert werden.
Außerdem würde die Ausführung des Tandemstands auf einer Druckmessplatte, um den Gesamtweg des Druckschwerpunktes zu quantifizieren (11, 14), diesen Test für die gewählte Stichprobe sensitiver machen. Zusätzlich könnte der Einbeinstand auf der Druckmessplatte eine geeignete Alternative zum Posturomed darstellen, um der Problematik des Umgangs mit ungültigen Versuchen für die vorliegende Zielpopulation entgegenzuwirken.
Hinsichtlich der in Zukunft wachsenden Bevölkerungszahl an Personen  mit  Osteoarthrose  und  den  steigenden  Kosten  des  Gesundheitssystems (29), stellt das Heimtraining in Verbindung mit dem Hüftsport eine kostengünstige Alternative dar, um die negativen Auswirkungen der Coxarthrose zu reduzieren oder zumindest aufzuhalten. Die Evaluierung dieses Konzepts sollte daher weiterverfolgt werden.

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine

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