Risikofaktoren von Kopfverletzungen auf österreichischen Skipisten
Risk Factors of Head Injuries on Austrian Ski Slopes
ZUSAMMENFASSUNG
Epidemiologische Daten aus Österreich und Deutschland zeigen, dass rund 10% aller Skiverletzungen den Kopfbereich betreffen. Das Tragen eines Skihelmes kann jedoch das Risiko einer Kopfverletzung um bis zu 60% reduzieren, wie verschiedene internationale Studien berichten.
Um Kopfverletzungen im alpinen Freizeitskilauf präventiv vorzubeugen, ist es notwendig, potentielle Risikofaktoren zu evaluieren, die zu Kopfverletzungen führen können. Die vorliegende Untersuchung wurde als Fall-KontrollStudie konzipiert. Dabei wurden Wintersportler mit Kopfverletzungen und Wintersportler mit anderen Verletzungslokalisationen in vier österreichischen Skigebieten in der Saison 2008/2009 verglichen. In die Auswertung gelangten nur Unfälle von Skifahrern und Snowboardern, die in einen Sturz oder eine Personenkollision verwickelt waren und zu denen die Pistenrettung zu Hilfe gerufen wurde. Das Risiko (adjustiertes Odds Ratio) einer Kopfverletzung ist bei einer Personenkollision um das 4,15-fache, in einem Funpark um das 1,69-fache, an Vormittagen um das 1,43-fache, bei Männern um das 1,41-fache, mit einem Snowboard um das 1,41-fache, und an Wochenenden um das 1,38-fache erhöht. Das Tragen eines Helmes verringert das Kopfverletzungsrisiko signifikant um 28%. Zudem zeigt sich ein signifikant reduziertes Risiko einer Kopfverletzung in zwei der untersuchten Skigebiete. Um das Kopfverletzungsrisiko im Freizeitskilauf möglichst gering zu halten, gilt es daher die verschiedenen Risikofaktoren zu beachten, das individuelle Verhalten auf der Piste darauf einzustellen und einen Skihelm zu tragen.
Schlüsselwörter: Alpiner Skilauf, Kopfverletzung, Risikofaktoren, Skihelm
SUMMARY
Epidemiological data from Austria and Germany demonstrate that head injuries account for about 10% of all skiing injuries. In alpine skiing, the use of helmets reduces the risk of head injuries up to 60% as shown in various studies.To prevent head injuries in recreational skiing and snowboarding, the evaluation of potential risk factors for head injuries is of utmost importance. Therefore, a case control study was conducted using ski patrol injury reports of 4 Austrian ski areas in the winter season 2008/2009. Only skiers and snowboarders involved in falls and collisions with other persons have been included. Persons with head injuries were compared with persons with other injury locations. A logistic regression model revealed the following conditions as independent risk factors for head injuries in recreational skiers and snowboarders: collisions vs. falls (odds ratio, OR: 4.15), snowparks vs. slopes (OR: 1.69), before noon vs. afternoon (OR: 1.43), male vs. female gender (OR: 1.43), snowboarding vs. skiing (OR: 1.41), and weekends vs. during the week (OR: 1.38). Helmet use was associated with a 28% reduction in the risk for head injury (OR: 0.72). Additionally, two ski areas showed a reduced head injury risk. In conclusion, several risk factors increase the risk of head injuries and wearing a helmet is associated with a reduced risk of head injury among recreational skiers and snowboarders. Therefore, skiers and snowboarders should consider these risk factors and wear ski helmets.
Key Words: Alpine skiing, head injury, risk factors, helmet use
EINLEITUNG
Jährlich wiederkehrend wird die mediale Berichterstattung in den Wintermonaten von Skiunfällen mit schweren Kopfverletzungen, zum Teil mit Todesfolge, beherrscht. Ebenso regelmäßig wird in Österreich eine Helmpflicht für Kinder unter 15 Jahren diskutiert, wie es sie in Italien seit dem 01.01.2005 gibt. Während das Land Niederösterreich aufgrund mehrerer tödlicher Skiunfälle in der Wintersaison 2008/2009 bereits eine Helmpflicht mit März 2009 implementierte, führten die anderen Bundesländer - mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg - eine Helmpflicht für unter 15-Jährige mit der Wintersaison 2009/2010 ein.
Die Österreichischen Skipisten werden jährlich von rund 8 Millionen Wintersportlern bevölkert, wobei die Verletzungsrate unter 2 Verletzte pro 1000 Skitage liegt [5, 6]. Dabei stellt das Knie mit rund einem Drittel aller Verletzungen die dominante Verletzungslokalisation dar [4, 5, 6, 23]. Der Anteil an Verletzungen im Kopfbereich beträgt in Österreich und Deutschland in den letzten Jahren ca. 10% [5, 6, 10, 24;, 26]. Dabei weisen Kinder im Skilauf eine doppelt so hohe Inzidenz von Kopfverletzungen auf wie andere Altersklassen [8, 17]. Kopfverletzungen gelten nach Herz-Kreislauf-Versagen als eine der Hauptursachen bei Todesfällen auf der Skipiste [15, 27], besonders auch bei Kindern [30]. Internationale Studien zeigen, dass das Tragen eines Helmes das Risiko einer leichten bzw. mittelschweren Kopfverletzung deutlich reduziert [13, 18, 29]. Der präventive Effekt eines Skihelmes scheint jedoch bei schweren und schwersten Kopfverletzungen eingeschränkt, da die Anzahl der tödlichen Kopfverletzungen in den USA trotz steigender Helmtragequote konstant blieb [27]. Skihelme, die herkömmlichen Industriestandards entsprechen, sind nur für einen Aufprall bis ca. 22 km/h konstruiert, sodass bei Stürzen und Kollisionen mit höheren Geschwindigkeiten nur ein bedingter Schutz gewährleistet ist [19, 28]. Zum Vergleich, die Durchschnittsgeschwindigkeit von Skiläufern und Snowboardern liegt in Studien bei rund 45 km/h [21, 28].
Um geeignete Präventivmassnahmen zur Unfallverhütung von Kopfverletzungen initiieren zu können, gilt es in einem ersten Schritt, potentielle Risikofaktoren zu eruieren. Dies geschieht in vorliegender Studie anhand der Unfalldaten, die im Rahmen der Österreichischen Skiunfallerhebung 2008/2009 erhoben wurden.
METHODIK
Die vorliegende Untersuchung wurde als Fall-Kontroll-Studie konzipiert. Dabei wurden Wintersportler mit Kopfverletzungen und Wintersportler mit anderen Verletzungslokalisationen in vier repräsentativen Skigebieten verglichen. In die Auswertung gelangten nur Unfälle von Skifahrern und Snowboardern, die in einen Sturz oder eine Personenkollision verwickelt waren und zu denen die Pistenrettung zu Hilfe gerufen wurde.
Folgende Faktoren wurden von den Pistenrettern bei Wintersportlern mit einer Kopfverletzung und bei solchen mit anderen Verletzungslokalisationen erfasst:
- Personenbezogene Faktoren wie Geschlecht, Alter (kleiner 15 Jahre vs. größer/gleich 15 Jahre), Herkunft (Österreich vs. Ausland) und Skigebiet;
- Unfallrelevante Faktoren wie Unfalllokalisation (im Funpark vs. auf der Piste), Unfallursache (Kollision vs. Sturz), Unfallzeit (Vormittag vs. Nachmittag), Unfalltag (Samstag/Sonntag vs. Montag-Freitag);
- Ausrüstungsfaktoren wie das verwendete Sportgerät (Snowboard vs. Ski) und ob ein Helm getragen wurde;
- Umweltfaktoren wie Steilheit der Piste (blau, rot oder schwarz), Pistenbreite (< 20 m vs. > 20 m), Schneebedingungen (Neuschnee, griffig, eisig, sulzig/weich) und Sichtbedingungen (sonnig vs. schlechte Sicht).
Der Erhebungszeitraum erstreckte sich von Dezember 2008 bis Ende April 2009. Verletzungen im Kopfbereich beinhalteten dabei sowohl Gesichts- als auch Schädelverletzungen. Es erfolgte keine weitergehende Differenzierung nach dem Schweregrad der Verletzung.
Statistik
Die Daten werden als absolute oder relative Häufigkeiten dargestellt. Altersunterschiede zwischen Wintersportlern mit Kopfverletzungen und Wintersportlern mit anderen Verletzungslokalisationen wurden mittels Mann-Withney-U-Test geprüft. Die Prüfung von Häufigkeitsunterschieden der erhobenen Parameter beider Gruppen erfolgte anhand von Chi-Quadrat-Tests.
Entsprechend der Ergebnisse dieser Analyse wurden Faktoren mit p<0, 2 zusätzlich mit einer stufenweise vorwärtsgerichteten logistischen Regressionsanalyse zur Berechnung adjustierter Odds-Ratios (OR) und deren 95% Vertrauensintervalle (CI) evaluiert. P-Werte <0, 05 werden als statistisch signifikant angesehen.
ERGEBNISSE
In der Saison 2008/2009 wurden in vier Skigebieten 2908 verletzte Skifahrer und Snowboarder (49, 9% Männer und 50, 1% Frauen; Durchschnittsalter: 35,3 +/- 16,1 Jahre) erfasst, die in einen Sturz oder eine Personenkollision verwickelt waren. Als Unfallursache tabelle 1:Prüfung von Häufigkeitsunterschieden mittels Chi-QuadratTest von personenbezogenen und unfallrelevanten Risikofaktoren bei Wintersportlern mit Verletzungen im Kopfbereich.galten in 92% der Fälle der selbstverschuldete Einzelsturz und zu 8% Personenkollisionen. Eine Kopfverletzung zogen sich insgesamt 278 Wintersportler oder 9,6% aller Verunfallten zu. Wintersportler mit einer Kopfverletzung unterschieden sich hinsichtlich des Alters nicht signifikant von der Kontrollgruppe (35,1 +/- 17,8 vs. 35,3 +/- 15,9 Jahre, p>0,05).
Gesamt trugen 50,7% aller Verletzten einen Helm (51,5% Männer vs. 50,2% Frauen; p>0,05). Wintersportler, die jünger als 15 Jahre waren, trugen häufiger einen Skihelm als ältere Skifahrer und Snowboarder (77,7% vs. 47,2%; OR: 3,9; CI: 2,9-5,1).
In Tabelle 1 werden Häufigkeitsunterschiede zwischen Wintersportlern mit Kopfverletzungen und solchen mit anderen Verletzungslokalisationen hinsichtlich personenbezogener und unfallrelevanter Faktoren dargestellt. Bezüglich der Alterseinteilung in unter und über 15 Jahre zeigt sich kein signifikanter Unterschied im Kopfverletzungsrisiko (p>0,05). Mehr Männer als Frauen und mehr Einheimische als ausländische Skigäste zogen sich eine Kopfverletzung zu (p <0,02). Die Kopfverletzungsrate differiert signifikant zwischen den Skigebieten (p <0,01). Kopfverletzungen treten häufiger in einem Funpark auf als auf der Skipiste, häufiger bei Personenkollisionen als bei selbstverschuldeten Stürzen, eher am Vormittag als am Nachmittag sowie häufiger am Wochenende als unter der Woche auf (p <0,005).
Tabelle 2 zeigt die Häufigkeitsunterschiede hinsichtlich Ausrüstungs- und Umweltfaktoren. Signifikant mehr Snowboarder als Skifahrer zogen sich eine Kopfverletzung zu (12 vs. 9%; p <0,03). Bei Kopfverletzungen wurde nicht signifikant (p >0,1) seltener ein Helm getragen als bei anderen Verletzungen (46 vs. 51%).
Während die Steilheit und Breite der Piste sowie die Schneebedingungen keine Auswirkungen auf das Kopfverletzungsrisiko zeigten, zogen sich signifikant mehr Wintersportler ihre Kopfverletzung bei Sonnenschein im Vergleich zu schlechten Sichtbedingungen zu (11 vs. 8%; p<0,005).
In das Regressionsmodell wurden daher Geschlecht, Herkunft, Skigebiet, Unfalllokalisation, Unfallursache, Unfallzeit, Unfalltag, Sportgerät, Helm und Sichtbedingungen (p <0,2) miteinbezogen. Tabelle 3 zeigt das Ergebnis der logistischen Regressionsanalyse. Es konnten insgesamt 8 unabhängige Risikofaktoren identifiziert werden. Das Risiko einer Kopfverletzung ist bei einer Personenkollision um das 4,15-fache, in einem Funpark um das 1,69-fache, an Vormittagen um das 1,43-fache, bei Männern um das 1,41-fache, mit einem Snowboard um das 1,41-fache und an Wochenenden um das 1,38-fache erhöht. Das Tragen eines Helmes verringert das Kopfverletzungsrisiko signifikant um 28%. Zudem zeigt sich ein signifikant reduziertes Risiko einer Kopfverletzung in zwei der untersuchten Skigebiete. Herkunft und Sichtbedingungen stellen keine unabhängigen Risikofaktoren dar.
DISKUSSION
Ziel dieser Studie war es, potentielle Risikofaktoren von Kopfverletzungen bei Wintersportlern zu eruieren. Das Ergebnis der Regressionsanalyse weist 8 unabhängige Risikofaktoren aus. Das Risiko einer Kopfverletzung ist signifikant erhöht bei einer Personenkollision, im Funpark, am Vormittag, bei Männern, bei Snowboardern, am Wochenende, in bestimmten Skigebieten sowie bei Verzicht auf einen Skihelm.
In Übereinstimmung mit anderen Studien aus Österreich und Deutschland [6, 10, 24, 26] liegt die Kopfverletzungsrate in der vorliegenden Untersuchung bei rund 10%, wodurch eine valide Datenbasis gewährleistet ist. Der Anteil der Personenkollisionen an der Gesamtzahl der Skiverletzungen hat sich seit einigen Jahren in Österreich bei ca. 10% eingependelt [6, 24]. In Deutschland liegt die Zahl von Kollisionsunfällen bei rund 1,25 Verletzten pro 1000 Skifahrer [10].
Untersuchungen berichten, dass zwischen 10 und 20% der Kopfverletzungen durch eine Personenkollision verursacht werden [12, 18]. Unser Ergebnis zeigt, dass in 25% aller Kollisionsunfälle mit anderen Wintersportlern eine Kopfverletzung resultiert, während dies nur in 8% der Einzelstürze der Fall ist. Hagel et al. [13] berichten sogar von 50% der Wintersportler, die sich ihre Kopfverletzung nach einem Aufprallunfall (Baum, Mast etc.) oder einer Personenkollision bzw. nach einem Sprung zugezogen haben. Das Risiko, sich eine Kopfverletzung bei einer Personenkollision zuzuziehen, ist in unserer Studie im Vergleich zu einem selbstverschuldeten Sturz um das 4-fache erhöht. Eine französische Studie [2] berichtet von einer 3,25-fach erhöhten Inzidenz von Kopfverletzungen bei Kollisionsunfällen. Burtscher et al. [7] zeigen, dass sich „Opfer“ von Personenkollisionen häufiger und schwerer verletzen als die „Verursacher“, da bei einem unerwarteten Zusammenprall keine rechtzeitige bzw. zweckmäßige Reaktion mehr möglich ist.
Insgesamt 4,4% aller Wintersportler in dieser Studie verletzten sich in sogenannten Fun- oder Snowparks, die mit Sprüngen, Halfpipes und anderen Geländeformen ausgestattet sind. Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit Studien aus Frankreich und Norwegen, wo sich 2,8% [1] bzw. 4% [9] der Wintersportler in einem Snowpark verletzten. Im Vergleich zu Verletzungen auf der Piste scheint die Schwere der Verletzungen in Fun- und Snowparks erhöht zu sein [1, 11]. Unser Ergebnis zeigt insgesamt ein 1,7-fach erhöhtes Kopfverletzungsrisiko in einem Funpark. Dies stimmt in etwa mit der Untersuchung von Goulet et al. [11] überein, in der Skifahrer ein 1,4-fach erhöhtes Risiko einer Kopfverletzung in Funparks aufweisen. Greve et al. [12] stellen zudem fest, dass das Risiko einer Kopfverletzung in Funparks erhöht ist, unabhängig davon, ob ein Helm getragen wird. Dies ist vermutlich mit einer größeren Anzahl an Sprüngen in und über die verschiedenen künstlichen Geländeformen sowie einem damit erhöhten Sturzrisiko zu erklären.
In Übereinstimmung mit anderen Studien zeigen Männer ein erhöhtes Risiko einer Kopfverletzung [5, 13, 18]. Während in der Untersuchung von Levy et al. [15] Männer ein 2,2-fach höheres Kopfverletzungsrisiko haben, weist unser Ergebnis ein 1,4-fach erhöhtes Risiko auf. Dies könnte auf eine höhere Risikobereitschaft und daraus resultierend auf eine rasantere Fahrweise von Männern [3, 21] bzw. auf eine defensivere Fahrweise bei Frauen [6] zurückzuführen sein. So gelten beispielsweise Männer zu 80% und nur zu 20% Frauen als Verursacher einer Personenkollision [7].Snowboarder haben in unserer Studie ein 1,4-fach höheres Risiko als Skifahrer, sich eine Kopfverletzung zuzuziehen. Zum Vergleich, Levy et al. [15] berichten von einem 3-fach höheren Kopfverletzungsrisiko beim Snowboarden. Ein möglicher Grund dafür ist der höhere Prozentsatz an Snowboardern in Funparks [1], wo Sprünge und waghalsige Kunststücke das Verletzungsrisiko erhöhen [1, 11]. Gleichzeitig gelten Sprünge beim Snowboarden deutlich häufiger als Verletzungsursache als beim Skifahren (26 vs. 6%) [25].
Während die Mehrzahl der Skiverletzungen am Nachmittag stattfindet [24], scheint dies nicht auf Kopfverletzungen zuzutreffen. Ähnliches gilt für Knieverletzungen von weiblichen Skifahrern, die häufiger am Vormittag auftreten [4]. Unser Ergebnis zeigt ein 1,4-fach erhöhtes Risiko, sich die Kopfverletzung am Vormittag zuzuziehen. Ein Grund dafür könnten die härteren Pisten am Vormittag sein. Hingegen scheint die oftmals zitierte Ermüdung am späten Nachmittag [14] als Grund für Kopfverletzungen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Ein 1,4-fach erhöhtes Risiko einer Kopfverletzung besteht zudem am Wochenende, wenn sich mehr Wintersportler auf den Pisten befinden [6].
Unsere Studie zeigt eine Abhängigkeit des Kopfverletzungsrisikos von den jeweiligen Skigebieten. Unterschiedliche Pistengestaltung und Pistenpräparation sowie das Vorhandensein eines Funparks sind möglicherweise für dieses Ergebnis verantwortlich.
Das Tragen eines Skihelmes verringert das Risiko einer Kopfverletzung in unserer Untersuchung signifikant um 28%. Internationale Studien zeigen ein zwischen 15-60% verringertes Kopfverletzungsrisiko, wenn ein Helm getragen wird [13, 18, 29].
Die Differenzen in den Odds Ratios der verschiedenen Studien sind zum Teil auf die Art der Kontrollgruppe (Skifahrer mit Verletzungen unterhalb des Kopfes bzw. unverletzte Skifahrer) zurückzuführen [16, 18]. So liegt der Gesamtprozentsatz an Helmträgern in unserer Studie bei rund 51%, während Daten von über 2000 unverletzten Wintersportlern, die im März 2009 auf Tiroler Skipisten erhoben wurden, eine Helmrate von 63% aufweisen [22]. Daher könnte die tatsächliche Risikoreduktion bei Tragen eines Helmes noch höher ausfallen. Dies zeigen auch Sulheim et al. [29], die beim Vergleich von Kopfverletzten mit einer unverletzten Kontrollgruppe eine Reduktion des Kopfverletzungsrisikos um 60% und beim Vergleich mit Wintersportlern mit anderen Verletzungslokalisationen eine Reduktion des Verletzungsrisikos um 55% berechnet haben. Gleichzeitig stellte Sulheim et al. [29, 26] in einer Befragung von 700 unverletzten Kontrollpersonen fest, dass risikobereite Wintersportler öfter einen Helm tragen, wodurch der tatsächliche Helm-Effekt höher einzuschätzen ist als der berechnete.
In den letzten Jahren konnte ein kontinuierlicher Anstieg in der Helmtragequote beobachtet werden. Schätzungen zufolge liegt im deutschsprachigen Alpenraum die Helmtragequote von Erwachsenen bei rund 60% [20, 22]. Dieser erfreuliche Trend ist möglicherweise auf zahlreiche Helmkampagnen in den verschiedenen Alpenländern, aber auch auf die öffentliche Diskussion, besonders bei prominenten Unfallopfern, zurückzuführen. So zeigen unsere Daten einen hoch signifikanten Zuwachs der Helmtragequote bei verletzten Wintersportlern zwischen Januar und April 2009 (Abb.1).
Verschiedene Studien weisen nach, dass Kinder im Skilauf eine doppelt so hohe Inzidenz von Kopfverletzungen wie andere Altersklassen aufweisen, was einerseits auf eine im Vergleich zum Erwachsenen überproportionale Kopfgröße und andererseits auf mangelndes skifahrerisches Können zurückgeführt wird [7, 8, 17]. Besonders bei Personenkollisionen besteht ein höheres Verletzungsrisiko für Kinder unter 11 Jahren [2]. So zog sich in der Studie von Burtscher und Philadelphy [7] jedes zweite Kind, das unverschuldet in eine Personenkollision verwickelt war, eine Kopfverletzung zu. Sulheim et al. [29] berichten von einem um 29% höheren Risiko einer Kopfverletzung bei den unter 13 Jährigen im Vergleich zu den 13-20 Jährigen. Im Gegensatz dazu waren von 350 kopfverletzten Patienten in der Studie von Levy et al. [15] ca. 15% unter 15 Jahren, während 47% zwischen 16 und 25 Jahren alt waren.
Unser Ergebnis zeigt kein erhöhtes Risiko einer Kopfverletzung für Wintersportler unter 15 Jahren. Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass die unter 15-Jährigen mit rund 78% signifikant häufiger einen Helm trugen als die übrigen Wintersportler mit ca. 47% (OR: 3,9; CI: 2,9- 5,1). Auch in anderen mitteleuropäischen Ländern wird der Helmanteil der unter 15-Jährigen mittlerweile auf 70- 90% geschätzt [20, 22]. Ob eine Helmpflicht, wie sie in Italien seit 01.01.2005 für unter 15-Jährige gesetzlich vorgeschrieben ist, zu einer Erhöhung der Helmtragequote bzw. zu einer Reduktion der Kopfverletzungen führt, ist derzeit wissenschaftlich noch nicht erhoben.
SCHLUSSFOLGERUNG
Das Risiko einer Kopfverletzung hängt von mehreren unabhängigen Faktoren ab. Personenkollisionen, das Befahren von Funparks, das männliche Geschlecht, Snowboarden und der Verzicht auf einen Skihelm sind wesentliche Ursachen für eine Kopfverletzung. Außerdem zeigt sich, dass das Kopfverletzungsrisiko an Vormittagen, am Wochenende und in einzelnen Skigebieten erhöht ist. Das Bewusstmachen dieser Risikofaktoren stellt einen ersten Schritt zur Verletzungsvorbeugung dar. Als schon bekannte Präventivmaßnahmen werden das Tragen eines Skihelmes sowie ein entsprechendes Fahrverhalten auf der Piste empfohlen, um Personenkollisionen zu vermeiden. Diese Untersuchung zeigt aber auch, dass die generelle Bereitschaft einen Helm im Skisport zu verwenden deutlich zugenommen hat, wenn auch nicht alle Wintersportler in gleichem Maße durch Informationskampagnen erreicht werden. Daher sollten künftige Helmkampagnen bestimmte Risikogruppen wie z.B. ältere Skifahrer und Funparkbesucher verstärkt ansprechen.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine
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Dr. Gerhard Ruedl
Institut für Sportwissenschaft
Universität Innsbruck
Fürstenweg 185
6020 Innsbruck
Österreich
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