Der Einfluss der Kurbelfrequenz im Handcycling auf unterschiedliche Referenzpunkte der Laktatleistungskurve
Performance Diagnostic in Handcycling: The Influence of Cycling Cadence on Different Reference Points of the Lactate Power Curve
ZUSAMMENFASSUNG
In der Literatur zur Leistungsdiagnostik finden sich zahlreiche Untersuchungen über unterschiedliche Einflussgrößen auf die Laktatleistungskurve. Eine in Studien noch unberücksichtigte Einflussgröße ist die Veränderung der Kurbelfrequenz in der Ausdauersportart Handcycling. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss der Kurbelfrequenz auf die Laktatleistungskurve in der Behindertenradsportart während eines stufenförmigen Belastungsanstieges zu untersuchen. Da die Laktatleistungskurve ein Bewertungskriterium für die Ausdauerleistungsfähigkeit ist, erfolgte zusätzlich der Vergleich zwischen einem Bestimmungsverfahren mit feststehender (Leistung bei 3mmol/l Laktat) und variabler Laktatkonzentration (+1,5mmol/l Laktat Methode). 15 männliche querschnittgelähmte Probanden führten jeweils 4 Stufentests (Anfangsbelastung: 40Watt, Belastungsanstieg: 20Watt/3min.) auf einem Handcycling Ergometer mit unterschiedlichen Kurbelfrequenzen durch (50, 70, 90, 110U/min). Es erfolgte die Datenaufzeichnung der Leistung [P (Watt)], Laktat [LA (mmol/l)] & Herzfrequenz [HF (Schläge/min)]. Die maximale Blutlaktatkonzentration stieg (50-110U/min) von 8,2±2,05mmol/l auf 10,61±3,17mmol/l um 29,4% an (p<0,05), die maximale Leistung fiel dabei um 4% ab (p=0,068). Die +1,5mmol/l Laktat Methode gab von 50-110 U/min einen Verlust der Ausdauerleistungsfähigkeit von 8,7% (p<0,05) an, während die Leistung bei 3mmol/l Laktat ein Gefälle von 22,1% (p<0,001) prognostizierte. Die Ergebnisse zeigen, dass eine ansteigende Kurbelfrequenz (50-110U/min) zu einer „relativen“ Erhöhung der Blutlaktatkonzentration auf allen einzelnen Belastungsstufen führt. Da ein fixer Referenzpunkt lediglich horizontale Verschiebungen der Laktatleistungskurve berücksichtigt, führt dies zu einer unterschiedlichen Leistungsbewertung der untersuchten Bestimmungsverfahren.
Schlüsselwörter: Handcycling, Kurbelfrequenz, Laktatleistungskurve, individuelle anaerobe Schwelle.
SUMMARY
There are numerous studies of factors influencing the lactate curve in the pertinent literature. However, a factor which has not been considered yet is the effect of cycling cadence in endurance handcycling. The aim of this study was to examine the effect of cycling cadence on the lactate power curve during an incremental handcycling test. Because the lactate power curve is a valuation criterion for the endurance performance capacity, we performed a comparison between a testing method with a variable (+1.5mmol/l lactate model) and a fixed (power at 3mmol/l lactate) lactate concentration.15 male paraplegic subjects performed 4 graded tests on a handcycling ergometer (initial load: 40 watt, load increase: 20 watt/3min) with different cadences (50, 70, 90, 110 rev min-1). Power [P (watt)], blood lactate concentration [LA (mmol/l)] and heart frequency [HF (bpm)] were recorded during testing. With increasing cadences (50-110 rpm), maximal blood lactate concentration rose by 29.4%, from 8.2±2.05mmol/l to 10.6±3.17mmol/l (p<0,05), while the maximum power output simply decreased by 4% (p=0.068). The +1.5mmol/l lactate model reported an 8.7% decrease of the endurance performance capacity (p<0.05) for 50-110 rpm, while the power at 3mmol/l lactate presented a reduction of 22.1% (p<0.001). The results showed that an increasing cycling cadence (50-110 rpm) leads to an elevation of blood lactate concentration at each exercise level. A fixed reference point simply represents horizontal movements of the power lactate curve. This leads to a significant difference in performance estimation by the two methods of determination.
Key Words: handcycling, cycling cadence, lactate power curve, individual anaerobic threshold.
EINLEITUNG
Handcycling ist eine sehr junge Behindertenradsportart, die überwiegend von Rollstuhlfahrern ausgeübt wird. Seit dem Debüt im Jahre 1998 hat sich die Sportart in vieler Hinsicht weiterentwickelt und dabei national und international eine große Anhängerschaft gefunden. Als paralympische Disziplin ist Handcycling seit 2004 eine fest etablierte Größe im Behindertenradsport. Auch an Großveranstaltungen wie den Stadt-Marathons findet sie ihren Platz und fördert so die Zusammenführung von Behinderten und Nichtbehinderten. Da der Leistungsgedanke und die sportlichen Höchstleistungen ständig zunehmen, erfordert dies eine optimale sportmedizinische und leistungsphysiologische Betreuung. Bei einer Sportart, die noch in den Kinderschuhen steckt, ist es von großer Bedeutung, leistungsdiagnostische und klinische Untersuchungen durch standardisierte Verfahren zu vereinheitlichen und dabei die Belastungsuntersuchungen und Messmethoden mit der höchsten Validität heranzuziehen. Die Durchführbarkeit einer Ergometrie in Form eines stufenförmigen Belastungsanstieges bis hin zu einer subjektiven Erschöpfung ist zweifelsohne für die klinische Leistungsdiagnostik querschnittgelähmter Rollstuhlsportler, unter Berücksichtigung der behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen, geeignet (17, 18, 28, 29, 30). Die Bestimmung der Ausdauerleistungsfähigkeit kann auch hier über die Laktatleistungskurve mit einem in der Literatur als „Laktatschwellenmodell“ bezeichneten Verfahren erfolgen. Die leistungsbestimmende Komponente ist demnach die metabolische Beanspruchung, repräsentativ hierfür ist die gemessene Laktatkonzentration im kapillaren Blut.
PROBLEM- UND ZIELSTELLUNG
Bei der Durchführung und der Interpretation einer validen Leistungsdiagnostik müssen mehrere externe Faktoren, die sich auf die Laktatleistungskurve auswirken, berücksichtigt werden. In der Literatur haben sich bereits zahlreiche Arbeiten dieser Problematik angenommen. Die wichtigsten Untersuchungen befassen sich mit den disziplinären (24, 26) und interdisziplinären (3) Einflussgrößen und den Auswirkungen auf die Laktatleistungskurve bei Veränderung des Belastungsschemas (15). Auch anthropometrische (25) und metabolische (4) Einflussfaktoren, letztere durch eine unterschiedliche Glykogenkonzentration hervorgerufen, können unterschiedliche Ergebnisse bei einer Leistungsdiagnostik verursachen.
Eine wenig beachtete Einflussgröße auf die Laktatleistungskurve ist die Veränderung der Bewegungsform innerhalb einer Sportart. Kennzeichnende Bewegungsform im Handcycling ist ein zyklisches Bewegungsmuster der oberen Körperextremität, an dem hauptsächlich die Muskeln des m. biceps brachii, m. triceps brachii, m. deltoideus, m. pectoralis major, m. teres major und die Muskelgruppen der Rotatorenmanschette beteiligt sind (5, 9). Die Leistung der Arbeitsmuskulatur wird wie im Radsport auf ein Kurbelsystem übertragen, mit der Ausnahme, dass die beiden Kurbelarme eine synchrone Position aufweisen. Die Veränderung der Bewegungsform erfolgt zeitlich über die Geschwindigkeit der Kurbelumdrehung, die als Kurbelfrequenz bezeichnet wird. Aufgrund der Tatsache, dass Handcycling eine sehr junge Sportart ist, sind die Studien, die sich annähernd mit Kurbelfrequenzen auseinandersetzen, zählbar (11, 32). Untersuchungen im Zusammenhang mit der Laktatleistungskurve gibt es keine.
Wenn die Studien aus der Literatur des Radsports im Vergleich betrachtet werden, finden sich zahlreiche Arbeiten, die vor allem die Leistungsunterschiede und die physiologischen Effekte, in Abhängigkeit der Kurbelfrequenz, untersuchen. Hierbei sind auch Messungen zur Blutlaktatkonzentration vorzufinden (6, 8, 10, 12, 13, 19). Studien, die jedoch gezielt den Einfluss der Kurbelfrequenz auf die Laktatleistungskurve untersuchen, sind auch im Radsport nur vereinzelt vorzufinden (7, 21).
Bei der Wahl eines einheitlichen sogenannten „Laktatschwellenmodells“ herrscht bis heute Uneinigkeit und das nicht nur im Handcycling sondern auch in vielen anderen Ausdauersportarten. Hier stehen hauptsächlich die Bestimmungsverfahren mit feststehender Laktatkonzentration, ausgehend von Mader et. al. (1976), den Bestimmungsverfahren mit variabler Laktatkonzentration von Wasserman (1986), Simon (1983), Aunola und Rusko (1988) und Röcker et. al. (1998), gegenüber (2, 20, 26, 31, 33). Die Bestimmung der Ausdauerleistungsfähigkeit erfolgt bei beiden Verfahren über einen, anhand der Laktatleistungskurve ermittelten Referenzpunkt. Bei den Bestimmungsverfahren mit feststehendem Referenzpunkt wird die Belastung, die die Ausdauerleistungsfähigkeit beschreibt, als „aerob-anaerobe Schwelle“ bezeichnet und durch eine Laktatkonzentration repräsentiert, die in der Literatur mit 4mmol/l Laktat angegeben wird (15, 16, 20). Bei den Bestimmungsverfahren mit variablen Referenzpunkt wird die Ausdauerleistungsfähigkeit durch eine so genannte „individuelle anaerobe Schwelle“ ermittelt. Der erste Anstieg der Blutlaktatkonzentration nach Belastungsbeginn wird „Lactate Threshold“ (33) bezeichnet, ein Nettoanstieg oberhalb dieser Laktatkonzentration von z.B. +1,5mmol/l definiert die Leistung an der individuellen anaeroben Schwelle (26).
Zusammenfassend soll in dieser Studie der Einfluss der unterschiedlichen Kurbelfrequenzen auf die Laktatleistungskurve während eines stufenförmigen Belastungsanstiegs untersucht werden. Da die Laktatleistungskurve ein Bewertungskriterium für die Ausdauerleistungsfähigkeit ist, erfolgt zusätzlich ein Vergleich zwischen einem Bestimmungsverfahren mit variablem und feststehendem Referenzpunkt. Dabei gilt es die Frage zu beantworten, welches Verfahren von der Kurbelfrequenz möglicherweise weniger fehlerhaft beeinflusst wird.
MATERIAL UND METHODEN
Probanden
Die Untersuchungsgruppe umfasste 15 männliche querschnittgelähmte Probanden (180,8±5,1 cm, 73,3±7,7 kg, 42,9±5 Jahre, Lähmungshöhe: C6- L2). Bei allen Probanden handelte es sich um Wettkampfsportler der Sportart Handcycling. Aufgrund der behinderungsbedingten Leistungsunterschiede zwischen Tetraplegikern und Paraplegikern (17, 18, 29, 30), wurden für die Untersuchung lediglich zwei Tetraplegiker aquiriert, die jedoch ein inkomplette Lähmung aufwiesen und somit eine entsprechend hohe muskuläre Restfunktion aufweisen konnten.
Ein weiteres Kriterium für die Aquise war der Nachweis eines Aktivitätslevels. Dabei sollten die Sportler eine jährliche Trainings- und Wettkampfkilometerleistung von mindestens 4000 km (Vorjahr 2008) erreichen.
Im Handcycling gibt es zwei unterschiedliche Typen von Sportgeräten (Handbikes), bei denen die Sportler entweder eine liegende oder kniende Position einnehmen. Für diese Untersuchung wurden ausschließlich Probanden akquiriert, die eine liegende Position im Handbike einnahmen. Alle Teilnehmer waren vor Testbeginn in einem gesunden und ausgeruhten Zustand, wurden über mögliche Risiken aufgeklärt und gaben ihr Einverständnis, dass mit aufgezeichneten Daten in anonymer Form gearbeitet werden darf.
Messgeräte
Die Messung der Leistung [P (Watt)] erfolgte mit dem elektromagnetisch gebremsten Fahrrad & Handbike Ergometer Cyclus 2 (Firma RbM elektronik- automation GmbH, Leipzig, Deutschland). Die Herzfrequenz [HF (Schläge/min)] wurde ebenfalls über das Ergometer - Display dargestellt. Hierzu wurde das Ergometer mit einem Empfänger (Firma Polar Electro, Kempele, Finnland) versehen. Ein Herzfrequenzgurt derselben Firma diente als Sendeeinheit. Für die Laktatbestimmung [LA (mmol/l)] des kapilär am Ohrläppchen entnommenen Blutes kam das Gerät EpioPlus (Firma Eppendorf AG, Hamburg, Deutschland) zum Einsatz, das auf einem enzymatischen Analyseverfahren basiert. Die leistungsdiagnostische Auswertung der erfassten Daten zur Leistung, Laktat und Herzfrequenz erfolgte mit der PC Software Ergonizer (Software für sportmedizinische Ausdauerleistungsdiagnostik. Version 3.2.1 Build 11. Roecker, K., Freiburg i.Br., Deutschland)MessablaufZur Bestimmung der Ausdauerleistungsfähigkeit wurde ein Leistungstest auf dem Handcycling Ergometer mit stufenförmigem Belastungsanstieg durchgeführt. Die Aufwärmphase vor jedem Test betrug 10min bei einem konstanten Widerstand von 40Watt. Direkt im Anschluss absolvierten die Probanden den Stufentest mit einer Anfangsbelastung von 40Watt, einer Stufendauer von 3min. und einem Belastungsanstieg von 20Watt pro Stufe.
Mit der beschriebenen Belastungsform absolvierte jeder Proband 4 Stufentests in randomisierter Reihenfolge und mit den Kurbelfrequenzen 50, 70, 90 und 110 U/min. Die exakte Einhaltung der Kurbelfrequenz war durch das Display des Ergometers gewährleistet. Um das individuelle Leistungsniveau bei allen Tests konstant zu halten, absolvierte jeder Proband die 4 Tests innerhalb eines Zeitfensters von 2- 4 Wochen und mit einer Pausendauer zwischen den einzelnen Tests von 2- 5 Tagen.
Die Bestimmung einer individuellen anaeroben Schwelle (iaS) erfolgte mit der „+1,5mmol/l Laktat Methode“ (26). Als Referenz wurde die Laktatkonzentration an der „Lactate Threshold“ (LT) nach Wasserman et al. (33) verwendet. Im Zeitraum der Testreihen wurde mit den Probanden ebenfalls ein Stufentest mit einer frei gewählten Kurbelfrequenz durchgeführt. Das nahezu übereinstimmende Ergebnis der Leistung an der iaS (118Watt) und der Leistung bei 3mmol/l Laktat (119Watt) gab zum Anlass, als Bestimmungsverfahren mit feststehender Laktatkonzentration die „Leistung bei 3mmol/l Laktat“ zu wählen. Das Blut für die Bestimmung der Laktatkonzentration wurde kapilär am Ohrläppchen abgenommen.
Nach dem Ruhewert (LARuhe) erfolgte die Blutabnahme am Ende jeder Belastungsstufe, unmittelbar nach Belastungsabbruch (LAMax) und 3 Minuten nach Ausbelastung (LA3P). Die statistischen Analysen wurden mit SPSS 17 (SPSS Inc., Chicago, USA) durchgeführt. Für die t-Tests mit gepaarten Stichproben wurde das Signifikanzniveau mit p<0,05 als signifikant und p<0,001 als hoch signi
ERGEBNISSE
Ausgangswerte & Ausbelastung
LARuheund die Herzfrequenz in körperlicher Ruhe (HFRuhe) zeigten im Verlauf der vier Testreihen keine signifikanten Unterschiede (Tab.1). Ein unverändertes Ausgangsniveau bei allen untersuchten Kurbelfrequenzen war somit gegeben. Auf der ersten Belastungsstufe von 40Watt (50- 110 U/min) hingegen, stieg die Herzfrequenz (HF40Watt) um 26,1% an (p<0,001) (Tab.1). Die kardiovaskuläre Ausbelastung, gemessen anhand der maximalen Herzfrequenz (HFMax), zeigte in den Testreihen mit 70U/min, 90U/min und 110U/min keine signifikanten Unterschiede. Lediglich bei der Testreihe mit 50U/min war ein Abfall (p<0,001) der HFMax von 4% erkennbar (Tab.1).
Die höchste maximal erreichte Leistung (PMax) wurde in der Testreihe mit 70U/min (169,1±35,4Watt) erzielt. Dieses Ergebnis unterschied sich dabei signifikant (p<0,05) von der Testreihe mit 90U/min (162,9±39Watt) – zwischen diesen Datenpaaren war der Leistungsabfall am größten – und der Testreihe mit 110 U/min (158,2±40,7 Watt) (Tab.1). Daraus ergab sich ein Leistungsgefälle zwischen 70U/min und 110U/min von 6,5%, mit der Tendenz, dass bei der niedrigsten Kurbelfrequenz (50U/min) ein weiterer Leistungsanstieg ausblieb. Vielmehr war hier ein geringer Leistungsabfall (164,7±33,9 Watt) gegenüber der nächst höheren Frequenz zu erkennen (Tab.1). Der Leistungsabfall zwischen der niedrigsten (50/min) und höchsten (110U/min) Kurbelfrequenz lag somit bei 4% (p=0,068).
Analog zu diesem Leistungsgefälle erhöhte sich LAMax mit ansteigender Kurbelfrequenz kontinuierlich. Vergleicht man die niedrigste (50U/min) mit der höchsten (110U/min) Kurbelfrequenz, war ein Anstieg der LAMax von 8,2±2,05mmol/l auf 10,61±3,17mmol/l zu erkennen (p<0,05), was einer Erhöhung von 29,4% entsprach (Tab.1). Die Messungen der Laktatkonzentration LA3P bestätigten die Ergebnisse der LAMAX (Tab.1). Mit 8,79±2,14 mmol/l bei 50 U/min und 11,1±2,88mmol/l bei 110U/min resultierte ein Anstieg von 26,3% (p<0,05).
Ergebnisse zum Bestimmungsverfahren mit variabler Laktatkonzentration (+1,5mmol/l Laktat Methode)
Die erhöhte Blutlaktatkonzentration zwischen 50- 110U/min machte sich nicht nur bei den Absolutwerten bemerkbar, sondern hatte auch Einfluss auf die Laktatkonzentration an der Lactate Threshold (LALT) und der individuellen anaeroben Schwelle (LAiaS). Zwischen 50U/min (2,77±0,86mmol/l) und 110U/min (3,87±1,26mmol/l) erhöhte sich LAiaSum 39,7% (p<0,001).
Der Anstieg der LAiaS zwischen 90- 110U/min war dabei am höchsten (p<0,05) (Abb.2). Die gemessene Leistung an der iaS (PiaS) nahm ebenfalls mit ansteigender Kurbelfrequenz kontinuierlich ab.
Zwischen der Testreihe mit 50/min (126±29,6Watt) und 110U/min (115,1±26,9Watt) ergab sich ein Leistungsgefälle von 8,7% (p<0,05), bei einer Spannweite von 10,9Watt. Den größten Leistungsabfall (p<0,001) prognostizierte das Bestimmungsverfahren zwischen den Datenpaaren 70- 90U/min (Abb.1). Auch die Herzfrequenz an der iaS (HFiaS) stieg von 143±17,1 Schläge/min (50U/min) auf 154,3±17,4 Schläge/min (110U/min) um 7,9% an (p<0,001) (Tab.1).
Ergebnisse zum Bestimmungsverfahren mit feststehender Laktatkonzentration (Leistung bei 3mmol/l Laktat)
P3mmol/l nahm ebenfalls mit ansteigender Kurbelfrequenz kontinuierlich ab. Zwischen der Testreihe mit 50/min (127,5±38,6Watt) und 110U/min (99,3±42,5Watt) ergab sich ein errechneter Leistungsabfall von 22,1% bei einer Spannweite von 28,3Watt (p<0,001). Zwischen den Datenpaaren 90- 110U/min lag dabei der größte Leistungsabfall vor (p<0,05) (Abb.1). Die HF3mmol/lzeigte zwischen 50- 110U/min hingegen keine signifikante Veränderung.
Gegenüberstellung: +1,5mmol/l Laktat Methode & Leistung bei 3mmol/l Laktat
Während PMax (50- 110U/min) eine Leistungsdifferenz von 4% zeigte, prognostizierte die +1,5mmol/l Laktat Methode ein Leistungsgefälle an der iaS von 8,7% (p<0,05). Die Leistung bei 3mmol/l Laktat hingegen fiel um 22,1% ab (p<0,001) (Abb.1). Zwischen den Testreihen 70- 90U/min war der Leistungsabfall von PMax am größten (p<0,05) (Tab.1). PiaS gab ebenfalls in diesem Kurbelfrequenzspektrum den größten Leistungsverlust an (p<0,001). P3mmol/l dagegen zeigte neben einem Leistungsverlust zwischen 70- 90U/min (p<0,05), den größten Leistungsabfall zwischen 90- 110U/min (p<0,05). Diese Gegebenheiten führten zu einer wesentlich größeren Leistungsdifferenz von P3mmol/l und einer unterschiedlichen Leistungsbewertung bei 110U/min (p<0,05) (Abb.1).
Die Angaben zur Herzfrequenz offenbarten ebenfalls Gegensätze. Während die HFiaS, wie bereits HF40Watt, zwischen 50- 110 U/min signifikant anstieg (p<0,001) und eine zunehmende kardiovaskuläre Beanspruchung mit steigenden Kurbelfrequenzen vermuten lässt, konnten bei HF3mmol/l keine unterschiedlichen Ergebnisse beobachtet werden (Tab.1).
DISKUSSION
Das Untersuchungsergebnis zeigt, dass bei Handbikern während eines stufenförmigen Belastungsanstieges eine Erhöhung der Kurbelfrequenz (50–110 U/min) zu einer insgesamt erhöht gemessenen Blutlaktatkonzentration führt. Repräsentativ hierfür stehen die Referenzwerte für die Laktatkonzentration LALT, LAMax und LA3P(Tab.1).
Zahlreiche Studien aus dem Radsport zeigen bereits ähnliche Effekte. Aus Untersuchungen mit stufenförmigen Belastungsanstiegen und ansteigender Kurbelfrequenz (60- 120 U/min), beobachteten Buchanan (7) und Mora-Rodriguez et al. (21) einem relativen Anstieg der Blutlaktatkonzentration auf den einzelnen Belastungsstufen. Darüber hinaus zeigen weitere Studien mit konstantem Belastungswiderstand signifikante Anstiege der maximalen Blutlaktatkonzentration, überwiegend ab mittleren Belastungsintensitäten (>200 Watt) und hohen Kurbelfrequenzen (100- 120 U/min) (6, 8, 10, 13, 19). Die hier beobachteten erhöhten Laktatkonzentrationen im Blut begründen einige Autoren mit einer vermehrten kardiovaskulären Beanspruchung infolge eines verringerten Wirkungsgrads bei den höheren Kurbelfrequenzen. Zudem wurden auch bereits bei niedrigen Belastungsintensitäten (>50 Watt) und ansteigender Kurbelfrequenz (80- 120 U/min) signifikante Anstiege der maximalen Herzfrequenz beobachtet (10). Infolgedessen soll eine zunehmende Perfusion stattfinden, die eine höhere Ausschwemmung des Laktats aus dem Muskel in das Blut verursacht (12, 13). Gemäß dieser Theorie erfassten auch wir zwischen den Test reihen mit 50- 110 U/min einen deutlichen Anstieg der Herzfrequenz auf der ersten Belastungsstufe (HF40Watt; p<0,001) (Tab.1).
Löllgen et al. (19) beobachtete hingegen einen simultanen Anstieg (p<0,05) der maximalen Laktatkonzentrationen im Blut und auch im Muskel mit ansteigenden Kurbelfrequenzen (40- 100 U/min) und konstanter metabolischer Beanspruchung (70%, 100% VO2Max). Dem zufolge kann es sich bei den erhöhten Blutlaktatkonzentrationen nicht allein um einen Ausschwemmeffekt handeln.
Folglich wird als weitere Ursache auch eine zusätzliche muskuläre Beanspruchung angenommen. Zwar nehmen bekanntlich die Pedalkräfte bei gleicher Leistungsabgabe mit ansteigender Kurbelfrequenz ab (27), um jedoch den Oberkörper und den Rumpf bei hohen Kurbelfrequenzen zu stabilisieren, soll eine zusätzliche Muskelrekrutierung aus der Peripherie erfolgen, die zugleich die intermuskuläre Koordination erschwert (10, 13).
Bei Querschnittgelähmten könnten noch weitere Effekte hinzu kommen, was in unserem Fall die bereits erhöht gemessenen Blutlaktatkonzentrationen auf den niedrigen Belastungsstufen erklären würde. Den untersuchten Sportlern fehlte die Muskulatur der Beine und großen Teilen des Rumpfes. In diesen Körpersegmenten kann daher nur ein geringerer Laktatabbau erfolgen. In unserer Beobachtung während der Testreihen hatten wir ebenfalls den Eindruck, dass vor allem bei hohen Kurbelfrequenzen (90- 110 U/min) die Stabilisierung von Oberkörper und Rumpf deutlich beeinträchtigt war.
Die Veränderung der Kurbelfrequenz bei konstanter Leistungsabgabe hat zudem eine modifizierte Rekrutierung der Muskelfasertypen (Typ I & II) zur Folge (1, 23). In welchem Ausmaß dieser Aspekt jedoch Einfluss auf die gemessene Blutlaktatkonzentration in einem bestimmten Spektrum von Kurbelfrequenzen nimmt, ist bisher nicht abschließend untersucht.
Für den sportpraktischen Einsatz der Laktatmessung bei Handbikern ist hingegen von großer Relevanz, dass wir eine sehr deutliche Steigerung der Blutlaktatkonzentration mit der Kurbelfrequenz auf allen Belastungsstufen beobachten konnten. Diese Erhöhung der Blutlaktatkonzentration in Relation zur Leistung hat eine unterschiedliche Bewertung der Ausdauerleistungsfähigkeit zur Folge und dies wiederum abhängig vom verwendeten leistungsdiagnostischen Referenzwert [Leistung bei P3mmol/l Laktat (P3mmol/l); +1,5mmol/l Laktat Methode (PiaS); maximale Leistung, (PMax)] (Abb.1). Während die Leistungsdifferenzen, hervorgerufen durch unterschiedliche Kurbelfrequenzen für PiaS(8,7%) und PMax(6,5%), eher gering waren, ergab die maximale Leistungsdifferenz für P3mmol/l deutlich höhere Werte (22,1%). Insbesondere für die Trainingssteuerung hat dieser Umstand entsprechende Konsequenzen in der Festlegung der resultierenden Empfehlungen für Ausdauertrainingsbereiche durch PiaSoder P3mmol/l.
Aus den vorliegenden Resultaten kann jedoch allenfalls indirekt abgeleitet werden, welcher der beiden Referenzpunkte PiaSund P3mmol/ldie letztlich in der Sportpraxis besser verwendbaren Ergebnisse zur Trainingssteuerung liefert. Ein Anhaltspunkt ergibt sich über PMax, die in unserer Untersuchung ebenfalls durch die Kurbelfrequenz beeinflusst wurde, jedoch weniger variierte als PiaSoder gar P3mmol/l. Da PMax ebenfalls als guter Prädiktor für die Leistungsfähigkeit im Ausdauersport gilt (14), ergäbe sich hier ein Argument für den Einsatz des submaximalen Verfahrens mit der ebenfalls geringeren Variation (PiaS) und der fehlenden Notwendigkeit zur maximalen Ausbelastung. Ein weiteres Indiz zur vergleichenden Bewertung von PiaS und P3mmol/lfindet sich in der sportpraktischen Erfahrung, dass eine Variation der Kurbelfrequenz unter wettkampf ähnlichen Bedingungen kaum je eine Leistungseinbuße zur Folge hat, die über 10% hinausgeht. Bei einem solchen Vergleich muss allerdings berücksichtigt werden, dass die prozentuale Einschränkung einer in Watt gemessenen Ergometerleistung nicht unbedingt linear auf die reale Fahrleistung übertragbar ist.
Ein für die untersuchten Probanden typisches Einzelbeispiel verdeutlicht den Unterschied der beiden Bestimmungsverfahren (Abb.3). In dieser Darstellung wird gut erkennbar, in welcher Weise PiaS deutlich geringer auf die beschriebene generelle Erhöhung der Blutlaktatkonzentration reagiert als P3mmol/l. Aus dem dargestellten Einzelbeispiel wird allerdings auch ein methodisches Problem unserer Arbeit deutlich: Im Einzelfall bleibt unklar, ob die LALT nicht eventuell unterhalb der Startleistung von 40 Watt liegt und somit auch die tatsächlichen Werte für PiaS eventuell noch deutlicher von der Kurbelfrequenz beeinflusst werden. Weitere Messungen mit Belastungsstufen unterhalb 40 Watt könnten das Ergebnis also möglicherweise zusätzlich präzisieren. Allerdings war die Durchführung solcher Messungen in der vorliegenden Untersuchung nicht realisierbar, da das verwendete Ergometer (Cyclus2) für die Leistung von 20 Watt und niedriger keine reproduzierbaren Resultate liefert Präzise Angaben über die Leistungsfähigkeit sind von entscheidender Bedeutung in der Leistungsdiagnostik und der damit verbunden Trainingssteuerung von Leistungssportlern. Die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigen ältere Studien aus dem Radsport und deuten daraufhin, dass von der Änderung der Kurbelfrequenz ein recht deutlicher Einfluss auf Aspekte der Energiebereitstellung und den Wirkungsgrad der erbrachten Leistung ausgeht (6, 8, 10, 12, 13, 19, 22). Diese Umstände müssen daher wie im Radsport bei der Planung, Durchführung und Interpretation leistungsdiagnostischer Untersuchungen auch von Handbikern berücksichtigt werden. Idealerweise sollte eine mittlere Kurbelfrequenz zur Testdurchführung standardisiert werden, von der dann während des Tests nicht mehr abgewichen wird. Auch bei Folgeuntersuchungen sollte eine einmal vorgegebene Kurbelfrequenz erneut verwendet und kontrolliert werden. Dies setzt zudem eine entsprechende Dokumentation der Kurbelfrequenzen voraus.
Zusammenfassend kommen wir in dieser Studie zu dem Ergebnis, dass eine ansteigende Kurbelfrequenz (50- 110 U/min) zu einer generellen Erhöhung der Blutlaktatkonzentration auf allen einzelnen Belastungsstufen auch bei Handbikern führt. Entsprechend ergeben sich recht unterschiedliche Leistungsbewertungen durch die untersuchten Referenzpunkte PiaS (Variation bis 8,7%), P3mmol/l (Variation bis 22,1%) und Pmax(Variation bis 6,5%), was im sportpraktischen Einsatz der Ausdauerleistungsdiagnostik berücksichtigt werden muss. Eine abschließende Empfehlung zur Verwendung einer bestimmten Methodik zur Ausdauerleistungsdiagnostik setzt hingegen weitere Untersuchungen zur Relation der Messergebnisse mit der realen Leistungsfähigkeit der Sportler voraus.
Danksagung:
Das Forschungsvorhaben wurde vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft unterstützt.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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Patrick Kromer
Institut für Sport und Sportwissenschaft
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Schwarzwaldstr. 75
79117 Freiburg
E-Mail: Patrick.Kromer@sport.uni-freiburg.de