Sportmedizin
STANDARDS DER SPORTMEDIZIN
Körperliche Aktivität - Thorakales Aortenaneurysma

Bewegung und Sport bei Ektasie und Aneurysma der thorakalen Aorta

Exercise and Sport with Ectasia and Aneurysma of the Thoracal Aorta

Abteilung V, Sportmedizin, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Tübingen

ZUSAMMENFASSUNG

In der gesamten Bevölkerung liegt die Prävalenz von Aneurysmen bei 3- 4%, die des thorakalen Aneurysmas bei ungefähr 1%. Die Zunahme des Durchmessers der Aorta, die in den meisten Fällen asymptomatisch ist, führt zu einer Erhöhung der Wandspannung. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Dissektion deutlich an. Die Vermessung der Aortenweite bzw. der Zunahme des Diameters ist deshalb von hoher klinischer Relevanz. Empfehlungen zur körperlichen Aktivität sehen für den Bereich des Gesundheitssports in erster Linie aerobes Ausdauertraining vor. Isometrisches Krafttraining wird aufgrund des hohen Anstiegs des systolischen Blutdrucks nicht empfohlen. Für den Wettkampfsport gelten gesonderte Empfehlungen, abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und dem Durchmesser der Aorta.

ABSTRACT

The prevalence of thoracic aortic aneurysm in the general public is 0.5- 1%. The dilatation of the thoracic aorta may worsen without any accompanying symptoms such as chest pain or dyspnea. The risk of aortic dissection and rupture increases with the size of the aneurysm. Measurement of aortic diameter is recommended at the time of diagnosis and at regular intervals thereafter, depending on the underlying illness. Recommendations concerning physical activity are subdivided into two categories: public health-related physical activity and competitive sports participation. Isometric strength training is not recommended because of high increases in systolic blood pressure. Existing guidelines for the diagnosis and management of thoracic aortic disease give recommendations on diagnostic modalities and treatment strategies.

EINLEITUNG

Der Durchmesser der thorakalen Aorta ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie dem Alter, dem Geschlecht, der Körpergröße und auch der Lokalisation der Messung. Bis zu einem Durchmesser der A. ascendens von 3,6cm liegt eine normale Weite vor. Der Diameter der A. ascendens nimmt ab dem 18. Lebensjahr um 0,1- 0,4mm/Jahr zu. Bei mehr als 3,6cm liegt definitionsgemäß eine Ektasie vor, ab 4,0cm ein Aneurysma (Tab.1). Pelliccia et al. fanden in einem Kollektiv von 1300 männlichen kompetitiven Athleten eine Erweiterung der Aortenwurzel auf über 40mm in 1,3% (6). Der Diameter war bei Ausdauerathleten größer als bei Kraftsportlern (33,2±2,2 versus 31,7±2,2mm, p<0,01). Bei weiblichen Athleten lag ein Diameter von >34mm bei 0,9% vor. In einem follow-up von 8 Jahren stellte sich bei den männlichen Athleten mit einer Aortenwurzel >40mm eine signifikante Zunahme des Diameters dar.
In 0,5- 1% aller Autopsien werden thorakale Aneurysmen nachgewiesen. Die Inzidenz liegt bei ungefähr 10 Fällen pro 100.000 Personenjahre. Ein häufiger Risikofaktor für das Auftreten einer Ektasie ist der arterielle Hypertonus und die bikuspide Aortenklappe. Ebenso gelten genetische Syndrome wie das Marfan-, Loeys-Dietz-, Ehlers-Danlos- und Turner-Syndrom und inflammatorische Erkrankungen als Risikofaktoren.
In den meisten Fällen liegt keine typische klinische Beschwerdesymptomatik vor. Die Diagnose einer Ektasie wird häufig zufällig gestellt, kann jedoch auch durch Dyspnoe, Dysphagie oder auch Ödeme auffällig werden, wenn die Trachea, Bronchien, der Ösophagus oder die Vena cava komprimiert werden.

DIAGNOSTIK

Insbesondere bei akuten thorakalen Beschwerden werden mit der gezielten Fragestellung des Ausschlusses einer Dissektion bei Untersuchungszeiten von wenigen Minuten eine Computertomographie (CT) des Torax oder auch die transösophageale Echokardiographie (TEE) eingesetzt (Abb. 1). Die transthorakale Echokardiographie (TTE) und das kontrastgestützte Kernspin (MRT) werden eher außerhalb akuter Situationen, häufig zur Verlaufskontrolle, eingesetzt. Nach den Empfehlungen der American Heart Association sollten Personen bei Stellung der Diagnose eines Marfan-Syndroms und dann in jährlichen Abständen echokardiographiert werden.

RISIKOFAKTOREN FÜR EINE DESSEKTION DER AORTA

Nach dem Laplace- Gesetz entsteht mit der zunehmenden Erweiterung der Aorta eine erhöhte Wandspannung, die wiederum ein Fortschreiten der Dilatation und ein erhöhtes Risiko für eine Dissektion bedingt. Häufig wird dieser Prozess durch eine unkontrollierte arterielle Hypertonie begünstigt. Davies et al. konnten in einem Studienkollektiv von 805 Patienten mit Aneurysma einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Quotienten aus Durchmesser der Aorta und Körperoberfläche (cm/m2) und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Dissektion innerhalb von 4 Jahren beschreiben. Hierbei stellte sich der Quotient (cm/m2) als ein besserer Prädiktor für das Auftreten einer Dissektion dar als der Durchmesser alleine. Ein relativ gesehen geringes Risiko zeigte sich bei einem Quotienten von bis zu 2,75cm/m2mit einer jährlichen Dissektionsrate von ungefähr 4%, wohingegen ab 4,25cm/m2eine jährliche Rate um 20% vorlag (2).

MEDIKAMENTÖSE THERAPIE

Bis zu einem Durchmesser von 4,0cm wird bei ansonsten unauffälligem Sportler kein besonderes Vorgehen empfohlen. Der Kontrolle des Blutdrucks kommt eine wesentliche Bedeutung im Management der Risikofaktoren zu. Es wird eine Einstellung auf möglichst niedrige Blutdruckwerte empfohlen, die seitens des Patienten noch toleriert werden können.

INDIKATIONEN ZU CHIRURGISCHEN VERFAHREN

Bei asymptomatischen Patienten wird ab einem Diameter des Aortensinus oder der A. ascendens von 5,5cm ein operatives Verfahren empfohlen. Bei Vorliegen eines Marfan-Syndroms oder genetischer Erkrankungen wie dem Ehlers-Danlos- und Turner-Syndrom sowie einer bicuspiden Aortenklappe sollte ab einem Diameter von 4,2cm eine elektive Operation diskutiert werden, bei vorgesehener Schwangerschaft ab 4,0cm. Ebenso wird bei einer jährlichen Progression von 0,5cm und Personen, bei denen ein Ersatz der Aortenklappe vorgesehen ist und die Aortenwurzel oder A. ascendens 4,5cm aufweist, eine gleichzeitige Operation empfohlen (3).

GESUNDHEITSSPORT

Aktiviätsbezogene Druckanstiege (dP/dt) stellen einen Trigger für eine mögliche Dissektion dar. Andererseits kommt der körperlichen Aktivität im Sinne des Breitensports ein gesicherter Stellenwert in der günstigen Beeinflussung der Risikofakoren und insbesondere des arteriellen Hypertonus zu. Daten zur sinnvollen Gestaltung von Umfang und Intensitäten der körperlichen Aktivität bei möglichst hoher Sicherheit liegen nicht vor (3). Pragmatisch orientiert wird Ausdauertraining im aeroben Bereich unter Kontrolle von Herzfrequenz und Blutdruck empfohlen (8). Bei isometrischem Krafttraining erfolgt ein deutlicher Anstieg des Blutdrucks. So werden beim Heben von Gewichten systolische Werte von bis zu 300mmHg erreicht, so dass isometrisches Krafttraining nicht empfohlen wird (5). Bei bestehendem Aneurysma wird wegen plötzlicher Druckerhöhungen oder möglicher Traumata die Durchführung von Sportarten wie Fußball und Skifahren nicht empfohlen. Wegen abrupter Rotationen wird ebenso von Sportarten wie Basketball, Tennis und Golf abgeraten (3).

WETTKAMPFSPORT

Aufgrund der höheren Belastungen gelten für den Wettkampfsport gesonderte Empfehlungen (7). Bei gleichzeitigem Vorliegen einer bicuspiden Aortenklappe sind bei einem Diameter der Aorta von 4,0- 4,5cm Belastungen auf mittlerem statischen und dynamischen Niveau möglich, wenn kein Kontaktsport mit der Gefahr einer Verletzung betrieben wird. Bei einem Diameter von über 4,5cm sind nur niedrige Intensitäten vorgesehen. Bei Marfan-Syndrom und vorhandener Ektasie werden ebenso nur niedrige Intensitäten empfohlen. Bei gleichzeitiger Aorten- oder Mitralinsuffizienz wird nur Bewegung im Rahmen der täglichen Besorgungen und Aktivitätenangeraten.

FAZIT

Der Gesundheitssportler mit Dilatation der Aorta sollte dynamisches Ausdauertraining im aeroben Bereich dem isometrischen Krafttraining vorziehen, da bei diesem hohe Blutdruckspitzen aufgebaut werden. Die Datenlage zur Belastbarkeit im Wettkampfsport ist nur in Teilen gesichert. Insbesondere bei Vorliegen eines MarfanSyndroms werden niedrige Intensitätsbereiche empfohlen.

Angaben zu  nanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.

LITERATUR

  1. Bonow RO, Cheitlin MD, Crawford MH, Douglas PS Task Force3: valvular heart disease. J Am Coll Cardiol 45 (2005) 1334-1340.
  2. Davies RR, Gallo A, Coady MA, Tellides G, Botta DM, Burke B, Coe MP, Kopf GS, Elefteriades JA Novel measurement of relativeaortic size predicts rupture of thoracic aortic aneurysms. Ann oracSurg 81(2006) 169-177.
  3. Hiratzka LF, Bakris GL, Beckman JA, Bersin RM, Carr VF, Casey DE, Eagle KA, Hermann LK, Isselbacher EM, Kazerooni EA, Kouchoukos NT, Lytle BW, Milewicz DM, Reich DL, Sen S, Shinn JA, Svensson LG, Williams DM 2010 ACCF/AHA/AATS/ACR/ASA/SCA/SCAI/SIR/STS/SVM guidelines for the diagnosis and management of patients with oracic Aortic Disease. Circulation 121 (2010)e266-e369.
  4. Johnston KW, Rutherford RB, Tilson MD, Shah DM, Hollier L, Stanley JC Suggested standards for reporting on arterial aneurysms. JVasc Surg 13 (1991) 452-458.
  5. Maron BJ, Chaitman BR, Ackerman MJ, Bayes de LA, Corrado D, Crosson JE, Deal BJ, Driscoll DJ, Estes NA, III, Araujo CG, Liang DH, Mitten MJ, Myerburg RJ, Pelliccia A, Thompson PD, Towbin JA, Van Camp SP Recommendations for physical activity and recreational sports participation for young patients with genetic cardiovasculardiseases. Circulation 109 (2004) 2807-2816.
  6. Pelliccia A, Di Paolo FM, De BE, Quattrini FM, Pisicchio C, Guerra A, Culasso F, Maron BJ Prevalence and clinical signiTcanceof aortic root dilation in highly trained competitive athletes. Circulation122 (2010) 698-706.
  7. Pelliccia A, Fagard R, Bjornstad HH, Anastassakis A, Arbustini E, Assanelli D, Biffi A, Borjesson M, Carre F, Corrado D, Delise P, Dorwarth U, Hirth A, Heidbuchel H, Hoffmann E, Mellwig KP, Panhuyzen-Goedkoop N, Pisani A, Solberg EE, van-Buuren F, Vanhees L, Blomstrom-Lundqvist C, Deligiannis A, Dugmore D, Glikson M, Hoff PI, Hoffmann A, Hoffmann E, Horstkotte D, Nordrehaug JE, Oudhof J, McKenna WJ, Penco M, Priori S, Reybrouck T, Senden J, Spataro A, Thiene G Recommendations for competitive sports participation in athletes withcardiovascular disease. Eur Heart J 26 (2005) 1422-1445.
  8. Williams MA, Haskell WL, Ades PA, Amsterdam EA, Bittner V, Franklin BA, Gulanick M, Laing ST, Stewart KJ Resistance exercise in individuals with and without cardiovascular disease: 2007 update: Circulation 116 (2007) 572-584.
Korrespondenzadresse:
Dr. Jochen Hansel
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Medizinische Klinik, Abteilung V, Sportmedizin
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