Sportmedizin
ORIGINALIA
ACHILLESSEHNEBESCHWERDEN BEI LAUFBETONTEN SPORTARTEN

Individuelle Risikofaktoren für Achillessehnenbeschwerden bei laufbetonten Sportarten

Individual Risk Factors Contributing to Achilles Tendon Disorders in Running Related Sports

Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, Universität Stuttgart

ZUSAMMENFASSUNG

Achillessehnenbeschwerden  stellen  im  Spitzen-  und  Breitensport,  speziell  bei laufbetonten Sportarten, ein großes Problem dar. Die Verletzungshäufigkeit liegt zwischen 16 und 23%. Eindeutige Ursachen sind bis heute nicht aufgeklärt. In dieser Studie wurden individuelle Parameter der Fußanatomie in speziellen Kollektiven bestimmt und retrospektiv sollte der Zusammenhang zu Achillessehnenbeschwerden erhellt werden. Mittels eines 3-D-Bewegungsanalyse-Verfahrens wurde die  subtalare  Gelenkachse  (STA)  bestimmt  (Zebris®).  Zusätzliche  anatomische Merkmale der Fußanatomie lieferte eine Laufbandanalyse mit plantarer Druckverteilung  und  synchronisierter  Videoanalyse  (Zebris®).  Bisherige  Verletzungen und der Trainingsumfang wurden erfragt. Es wurden 495 Probanden aus laufbetonten  Sportarten  untersucht.  Die  Häufigkeit  von  Achillessehnenbeschwerden lag bei 15%. Es konnte ein signifikanter Mittelwertunterschied zwischen dem Deviationswinkel bei Personen mit Achillessehnenbeschwerden (18°±23°) und ohne (10°±23°) festgestellt werden (p=0,002; d=0,3). Mit Hilfe einer binär logistischen Regression wurden der Deviationswinkel, der Gangwinkel und die wöchentliche Laufdistanz  als  signifikante  Einflussfaktoren  identifiziert.  Der  Deviationswinkel der  STA  scheint  den  stärksten  Einfluss  auf  die  Entstehung  von  Achillessehnbeschwerden zu haben. Eine vollständige Aufklärung der Ursachen war von Achillessehnebeschwerden nicht möglich.

Schlüsselwörter: Achillessehne,  subtalare  Gelenkachse,  Achillessehnenbeschwerden, mehrfaktoriell.

SUMMARY

Achilles tendon disorders are of major importance to athletes. The aim of this study  was  to  establish  a  relationship  between  individual  anatomical  factors  of  the foot and ankle and Achilles tendon disorders by means of a measurement system for  the  determination  of  the  spatial  orientation  of  the  subtalar  joint  axis  and  a treadmill-analysis. An ultrasonic pulse-echo based measurement system (Zebris®) determines the spatial orientation of the subtalar-joint-axis. Arch-index, the angle of  gait  and  the  Achilles  tendon  angle  were  also  determined  by  a  treadmill  that enables plantar pressure measurement (Zebris®) and Video-analysis. Information about  previous  injuries  and  running  performance  was  collected  with  a  questionnaire.  Measurements  were  taken  from  495  subjects,  including  long  distance runners and athletes from team sports. There was a significant (p= 0.002; d=0.3) mean difference between the deviation angle of subjects with achilles tendon disorders (18° ± 23°) and subjects without Achilles tendon disorders (10° ± 23°). By means of multivariate analysis, we were able to identify the deviation angle, the running distance per week and the angle of gait as positive factors contributing to the development of achilles tendon disorders. The results showed that the deviation angle of the subtalar-joint-axis is the best predictor of achilles tendon disorders out of the three identified positive factors. However, it becomes apparent that the predicting factors integrated in this study are inadequate to explain the complex problem of the origin of achilles tendon disorders.

Key Words: Achilles tendon, subtalar-joint-axis, running injuries, multivariate analysis.

EINLEITUNG

Achillessehnenbeschwerden treten bei laufbetonten Sportarten häufig  auf.  Trotz  intensiver  Forschung  über  Entstehungsmechanismen sind die Ursachen nicht aufgeklärt (17). Die meisten Autoren gehen von einem mehrfaktoriellen Problem aus, jedoch auch  multivariate  Ansätze  konnten  nicht  ausreichend  zur  Aufklärung beitragen (23, 34).
Viele Faktoren werden als Auslöser diskutiert: die Fußform (8),  eine  schlechte  Durchblutung  der  Sehne  (5),  Trainingsfehler  (15),  das  Alter,  das  Körpergewicht  (19),  31, 35)  oder  die  Überpronation  (13, 15).  Vermutet wird  eine  vermehrte  „Peitschenbewegung“  bei  zunehmender Überpronation (6, 15) und damit eine stärkere mechanische Belastung  der  Achillessehne.  Aber  auch  die  Forschungsarbeiten in Bezug auf die Überpronation liefern ein uneinheitliches Bild (24).
Eine  asymmetrische  Belastung  der  Sehne  während  des Abrollvorgangs  scheint  jedoch  ein  wichtiger  beschwerdeauslösender Stimulus zu sein (2). Es bleibt jedoch offen, welcher Mechanismus zu einer vermehrten asymmetrischen Belastung der Achillessehne führt.
Die Lage der subtalaren Gelenkachse (STA) wird in der Literatur häufig als verletzungsauslösend diskutiert (2, 12, 16, 18). Der Mechanismus, der zu asymmetrischen Belastung führt, bleibt jedoch offen.
Bei  den  Verfahren  zur  Bestimmung  der  STA  handelt  es sich meist um sehr aufwändige oder kostenintensive Verfahren (8, 9, 37), die es nicht erlauben große Stichproben zu erfassen. Um Risikofaktoren aufklären zu können, muss eine sehr große Stichprobe  erfasst  werden,  damit  Zusammenhänge  im  statistischen Vergleich  sichtbar  gemacht  werden  können.  Wallenböck  et  al. (36)  vermuten,  dass  die  Belastungsverhältnisse  in  der  Achillessehne unter Berücksichtigung der Lage der STA aufgeklärt werden könnten. Am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Stuttgart wurde eine Methode entwickelt, welche es  ermöglicht  die  Lage  der  STA  in  Echtzeit,  in-vivo  und  nichtinvasiv zu berechnen.
Bedingt durch die Bewegungsachsen des oberen und unteren Sprunggelenks  (USG)  wird  die  Achillessehne  durch  Lageveränderungen des Rückfußes Druck- und Reibungskräften ausgesetzt (12). Bei einer STA mit positivem Deviationswinkel, definiert als der Winkel zwischen subtalarer Gelenkachse und Fußhalbierender projiziert auf die Transversalebene, (vgl. Abb. 1A) wirkt die Achillessehne in der Landephase und in der beginnenden Standphase als Bremse der Pronationsbewegung und in der Abstoßphase rückfußaufrichtend (23). Demzufolge soll die Lage der STA in Kombination mit häufig diskutierten Überlastungsfaktoren, wie Fußform (22, 20), Achillessehnenwinkel (27), Beinachse (34) und Gangwinkel (3) in eine mehrfaktorielle Betrachtung einbezogen werden.
Ziel der Studie war es, individuelle Risikofaktoren für die Entstehung  von  laufinduzierten  Achillessehnenbeschwerden  retrospektiv an einer großen Stichprobe empirisch zu erhellen.

MATERIAL UND METHODEN

Für das Studiendesign liegt ein positives Votum der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät Tübingen vor. 495 Sportler wurden im Vorfeld der Studie ausreichend aufgeklärt und nur nach ihrem freiwilligen Einverständnis untersucht.
Aufgenommen wurden Läufer mit einer wöchentlichen Laufleistung  von  mindestens  25  Kilometern  pro  Woche  und  einer  Lauferfahrung von mindestens drei Jahren sowie Spielsportler mit hohem Laufanteil  im  Training  (Fußball,  Handball,  Basketball)  gehobenen Leistungsniveaus.  Akute  Verletzungen  der  unteren  Extremität  oder ein  stark  eingeschränktes  Bewegungsausmaß  im  USG  waren  Ausschlusskriterien.  188  Athleten  wurden  post-hoc  ausgeschlossen,  da sie die erforderliche Messbewegung nicht präzise ausführen konnten und damit die erforderliche Messungenauigkeit nicht erreicht wurde. Insgesamt wurden 307 Probanden (respektive 614 Füße) eingeschlossen (vgl. Tab. 1).
Vorverletzungen,  Trainingsgewohnheiten  und  anthropometrische Daten wurden erfragt. Die Trainingsumfänge wurden erfasst, um  zu  kontrollieren,  ob  Überlastungen  möglicherweise  nur  durch eine hohe Laufbelastung entstanden.
Als  Achillessehnenbeschwerden  wurden  Schmerzen  in  der Achillessehne  und  im  umgebenden  Gleitgewebe  definiert,  die  über mehrere  Wochen  anhielten  und  offensichtlich  in  Zusammenhang mit Laufbelastungen standen (Schmerzen zu Beginn, während oder unmittelbar nach Belastung).
Zusätzlich wurde der Abstand der medialen Condylen und Malleolen mit Hilfe einer modifizierten Schieblehre im Stand bei maximal geschlossenen Beinen ermittelt, um die Beinachse zu erfassen (28).
Auf  einem  Laufband  (Zebris-Technogie©  FDM-TL-HorizonEvolve) wurde eine Ganganalyse durchgeführt. Die Probanden gingen barfuß  bei  individueller  Geschwindigkeit,  um  den  Fußabdruck  und die  Pronationsbewegung  ohne  die  Beeinflussung  durch  das  Schuhwerk erfassen zu können.
Bei  der  plantaren  Druckverteilung  ist  bei  höheren  Geschwindigkeiten  mit  höheren  Kraftspitzen  zu  rechnen  (30).  Da  bei  dieser Studie nicht mit Maximalwerten gearbeitet wurde, kann hier durch eine  individuelle  Geschwindigkeit  nicht  von  zusätzlichen  Fehlern ausgegangen  werden.  Bezüglich  des  Achillessehnenwinkels  gibt  es unterschiedliche  Aussagen  über  den  Einfluss  der  Geschwindigkeit. Nigg (27) konnte eine Zunahme der Pronation bei zunehmender Geschwindigkeit zeigen, Gustaffson jedoch stellte lediglich eine Zunahme zwischen Statik und Dynamik fest, jedoch keine Unterschiede bei variierenden Geschwindigkeiten (11).
Die eigentliche Messung erfolgte nach einer zweiminütigen Eingewöhnungszeit. Unter der Lauffläche des Bandes befand sich eine Messplatte  zur  kapazitiven  Kraftmessung  (Abtastrate:  120  Hz).  Mit Hilfe  der  Zebrissoftware  (WinFDM-T-Stance-video-gait-analyse_ 01.01.09)  war  es  möglich  die  Fußfläche  zu  bestimmen,  aus  welcher der Arch-Index nach Cavanagh (4) berechnet werden konnte. Er ist Grundlage für die Klassifikation der vorliegenden Fußform in Plattfuß, Hohlfuß und Normalfuß. Es wurde der dynamische Fußabdruck verwendet (20), um dem funktionellen Verhalten des Fußes während des Abrollvorganges gerecht zu werden (28).
Anhand der aufsummierten Fußabdrücke bei Midstance wurde der Gangwinkel als der Winkel zwischen Fußhalbierender und Gangrichtung bestimmt (33).
Mit Hilfe der Bodenreaktionskraft und einer synchronisierten Videoaufzeichnung (50 Hz) wurde der initiale Achillessehnenwinkel bei Touchdown (β0) und der maximale Achillessehnenwinkel (βpro) bestimmt und daraus deren Differenz (Δβ=βpro0) aus jeweils drei  gemittelten  Schritten  berechnet  (27).  Markierungen  entlang der  Achillessehne  (24)  dienten  bei  der  Auswertung  zur  Bestimmung des Achillessehnenwinkels.
Mittels eines Bewegungsanalysesystems wurde die STA aller Probanden beidseitig, in Echtzeit, in vivo und nicht invasiv erfasst. Das angewandte Rechenverfahren setzt für die Bewegung im USG eine reine Rotation voraus (1, 14). Ein quasi starr am Fersenbein befestigter  Ultraschallsender  wurde  in  drei  Raumpositionen  exakt  (±1mm)  erfasst.  Damit  wurde  die  Rotationsebene  im  Raum relativ zur Tibia berechnet.
Die STA wurde aus sechs wiederholten Inversions- und Eversionsbewegungen berechnet. Diese Bewegung fand in einer maximalen, vom Untersucher fixierten, Dorsalflexion statt (vgl. Abb. 2) (21). In maximaler Dorsalflexion wird das obere Sprunggelenk als blockiert  betrachtet.  Damit  findet  jede  Bewegung  im  USG  statt (22).  Aus  den  aufgezeichneten  Bewegungsbahnen  ließ  sich  die mittlere Lage der Rotationsachse (STA) im Raum berechnen.
Die Ergebnisse wurden arithmetisch gemittelt und in Form des Inklinationswinkels (definiert als Winkel zwischen subtalarer Gelenkachse  und  Horizontale  projiziert  auf  die  Sagittalebene) und des Deviationswinkels ausgegeben (vgl. Abb. 1A, B). Zur Reliabilitätskontrolle wurden zusätzlich die Standardabweichungen berechnet. Eine Standardabweichung größer ±5° führte zum Ausschluss der Messung.
Der  Fehler  des  Messsystems  wurde  für  den  Inklinationswinkel mit ≤6% und für den Deviationswinkel mit ≤5% berechnet.  Das  Messsystem  wurde  am  mechanischen  Modell  und  das Grundprinzip  der  Bewegung  anhand  einer  MRT-Untersuchung validiert (29).
Zur  statistischen  Analyse  wurde  die  Statistiksoftware SPSS_17.0©  verwendet.  Für  Mittelwertunterschiede  wurde  ein t-Test für unabhängige Stichproben und die Effektstärke d nach Cohen berechnet (7). Unterschiede in prozentualen Verteilungen wurden mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests untersucht.
Zur  mehrfaktoriellen  Analyse  wurde  eine  binär-logistische, schrittweise  vorwärts  gerechnete  Regression  verwendet.  „An der  Achillessehne  betroffen/nicht  betroffen“  wurde  als  abhängige  Variable,  Inklinationswinkel,  Deviationswinkel,  Arch-Index, Achillessehnenwinkeldifferenz,  Gangwinkel,  Abstand  Malleolen, Abstand Condylen und Laufleistung in Kilometer pro Woche als unabhängige  Variablen  definiert.  Eine  ausreichende  Modellanpassung  wurde  mit  Hilfe  des  Homer-Lemshow-Tests  überprüft. Nagelkerkes R2 gibt die erklärte Varianz an. Die Odd Ratios (OR) geben die Wahrscheinlichkeit an, mit der die Variable einen Einfluss auf das Eintreffen des Ereignisses hat (OR=1: Chance bleibt gleich;  OR>1:  Chance  steigt).  Liegen  beide  Grenzen  des  Konfidenzintervalls (CI) über oder unter 1 handelt es sich um eine gut erklärende Variable.
Das Signifikanzniveau wurde bei 5% festgelegt. Es wurde jeweils zweiseitig auf Signifikanz geprüft.

ERGEBNISSE

Von 307 Probanden waren 69% bereits an der unteren Extremität verletzt.  Achillessehnenbeschwerden  machten  15%  der  insgesamt 664 Überlastungsfolgen aus. Männer waren mit 18% signifikant häufiger betroffen als Frauen mit 8% (p=<0,001).
Tabelle 2 zeigt alle Ergebnisse der signifikanten Parameter. Männer  liefen  hochsignifikant  mehr  als  Frauen.  Personen  mit Achillessehnenbeschwerden  (PmAS)  liefen  mehr  als  Personen ohne  Achillessehnenbeschwerden  (PoAS).  Das  gleiche  Bild zeigte sich bei den männlichen PmAS im Vergleich zu den männlichen  PoAS.  Die  gelaufenen  Kilometer  der  weiblichen  PmAS zeigten  im  Vergleich  zu  den  weiblichen  PoAS  keinen  signifikanten Unterschied.
43%  aller  Probanden  hatten  einen  Normalfuß,  35%  einen Hohlfuß und 22% einen Plattfuß. PmAS zeigten tendenziell häufiger einen Hohlfuß (42%) als PoAS (36%; p=0,054; d=0,3).
Der Deviationswinkel der Frauen war signifikant geringer als derjenige  der  Männer.  Der  mittlere  Deviationswinkel  der  PmAS war signifikant größer als derjenige der PoAS. Der mittlere Deviationswinkel der männlichen PmAS war 6° größer als bei männlichen PoAS und der mittlere Deviationswinkel weiblicher PmAS war 5° größer als der DW weiblicher PoAS.
Als  signifikante  Einflussfaktoren  zeigten  sich  bei  der  binär logistischen Regression der Deviationswinkel, die gelaufene Strecke pro Woche und der Gangwinkel. Lediglich das Vertrauensintervall des Deviationswinkels lag mit beiden Grenzen über 1. Die erklärte Varianz des Modells lag bei 11,4% (vgl. Tab. 2).

DISKUSSION

Das Ziel dieser Studie war es, potentielle Risikofaktoren von Achillessehnenbeschwerden bei Sportarten mit hoher Laufbelastung aufzuklären. Einfaktoriell zeigt sich die Lage der subtalaren Gelenkachse (STA)  als  ein  signifikanter  Einflussfaktor.  In  der  mehrfaktoriellen Analyse  zeigte  sich  der  Deviationswinkel  der  STA  ebenso  wie  die wöchentlich  gelaufene  Distanz  und  der  Gangwinkel  als  signifikant beeinflussender Faktor.
Die  Ergebnisse  dieser  Studie  bestätigen  die  Aussage  mehrerer Autoren,  dass  Frauen  seltener  Achillessehnenbeschwerden  entwickeln als Männer (6, 18). Der geringere Trainingsumfang der Frauen könnte  mit  der  reduzierten  Verletzungshäufigkeit  in  Zusammenhang stehen (17). Allerdings fanden sich in dieser Studie keine signifikanten Unterschiede in der Laufdistanz bei betroffenen Frauen und nicht betroffenen Frauen. Bei Männern unterscheidet sie sich signifikant zwischen den Gruppen. Die Laufdistanz alleine scheint also nicht  zur  Entstehung  von  Achillessehnenbeschwerden  zu  führen. Vielmehr deutet sich an, dass anatomische Faktoren in Kombination mit einer entsprechenden Belastung zu Überlastungen der Achillessehne führen könnten.
Die  Lage  der  STA  unterscheidet  sich  signifikant  bei  Athleten mit und ohne Achillessehnbeschwerden in laufbetonten Sportarten. Das wird noch durch den geschlechtsspezifischen Unterschied des Deviationswinkels unterstrichen. Möglicherweise führt ein größerer Deviationswinkel  beim  Laufen  zu  asymmetrischen  Belastungen  in der Achillessehne, indem die Sehne durch einen größeren Abstand zur Rotationsachse eine vermehrte Peitschenbewegung durchführt (vgl. Abb. 1C) oder die Sehne in ihrem Verlauf  bei  der  Abrollbewegung  vermehrt verdreht wird. Asymmetrische Zugkräfte  werden  in  der  Literatur häufig  als  verletzungsauslösend  diskutiert (2, 25).
Es konnte nur tendenziell ein Zusammenhang  zwischen  der  Fußform und  Achillessehnenbeschwerden  gezeigt  werden.  Diese  Ergebnisse  stimmen mit den Folgerungen von Lohrer (22) überein. Bei der Regressionsanalyse deutet das Vertrauensintervall  darauf  hin,  dass der  Gangwinkel  und  die  Laufdistanz deutlich  weniger  Einfluss  zu  haben scheinen  als  der  Deviationswinkel. Auch dieser scheint multivariat einen weniger  großen  Einfluss  zu  haben, als  durch  den  deutlichen  und  signifikanten  Mittelwertunterschied  angenommen.  Die  hier  identifizierten Faktoren erklären das mehrfaktorielle Problem der Entstehung von Achillessehnenbeschwerden  möglicherweise nur zu einem Teil. In weiteren Studien muss  überprüft  werden,  welche  anatomischen  Parameter  zusätzlichen und  möglicherweise  auch  potenzierenden Einfluss haben könnten.
Der  Vorteil  des  zugrundeliegenden Studiendesigns liegt in der geringen Komplexität und der Anwendbarkeit bei großen Fallzahlen. Kritisch ist insbesondere bei der 2DVideoanalyse und der Bewegungsanalyse die Messungenauigkeit zu sehen. Die wesentliche Einschränkung lag in einer schwer reproduzierbaren  Bewegungsausführung.  Messwiederholungen  und  konsequenter Ausschluss bei zu großer Standardabweichung sichern aber zumindest tendenzielle Aussagen. Durch eine 3D-Videoanalyse (10) und  eine  MRT-basierten  Erfassung  der  STA  kann  die  Messgenauigkeit erhöht werden, was aber die Komplexität und die Kosten so deutlich erhöhen würde, dass keine großen Fallzahlen erfasst werden könnten. In dieser Studie wurde die Toleranz gegen Messunsicherheiten  zugunsten  einer  geringeren  Komplexität  und  einer  großen Stichprobe erhöht.
Erstmals wurde die STA in Zusammenhang mit Überlastungsfolgen  gebracht  und  der  Deviationswinkel  konnte  als  möglicher Einflussfaktor identifiziert werden. Folglich sollte die Relevanz der subtalaren  Gelenkachse  in  vielen  Bereichen,  wie  der  Schuh-  und Einlagenversorgung,  der  Planung  therapeutischer  Maßnahmen oder sogar der OP-Planung, überdacht werden. In weiteren Studien muss  untersucht  werden,  ob  und  inwiefern  Schuh-  und  Einlagenversorgungen  beziehungsweise  gezieltes  Training  den  negativen Einfluss  eines  großen  Deviationswinkels  beeinflussen  und  möglicherweise  sogar  präventiv  Achillessehnenbeschwerden  entgegen wirken können.

Danksagung
Die Studie wurde durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert. Das verwendete Messverfahren wurde von Harald Hochwald  im  Rahmen  seiner  Dissertation  (2006)  an  der  Universität Stuttgart entwickelt.
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.

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Korrespondenzadresse:
Dr. Claudia Anita Reule
Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft
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