Vergleich der gesundheitlichen Auswirkungen von "3000 Schritte mehr am Tag" vs. geführte Spaziergänge
Health Benefit of "3000 Steps more per Day" versus Structured Walks
ZUSAMMENFASSUNG
Problemstellung: Der gesundheitliche Nutzen von strukturierten, trainingsgesteuerten Bewegungsprogrammen wurde vielfach nachgewiesen. Hingegen ist die gesundheitliche Bedeutung von Alltagsaktivitäten mit flexiblen und unstrukturierten Aktivitäten nur wenig erforscht. Ziel dieser Studie war es daher, die gesundheitlichen Effekte einer flexiblen Gehintervention mit jenen einer strukturierten Gehintervention von identischem Aktivitätsvolumen zu vergleichen.Methoden: Mit Hilfe eines Cross-Over-Designs wurden zwei 15-wöchige Gehinterventionen (strukturiert vs. flexibel) vergleichend untersucht. Hierzu wurden 29 bisher inaktive Probanden (16 Frauen) mit einer täglichen Baselineaktivität von 6931±2709 Schritten im Alter von 57,0±7,2 Jahren in zwei Gruppen eingeteilt. Die strukturierte Trainingsintervention umfasste zwei geführte 10.000 Schritte-Spaziergänge pro Woche. In der flexiblen Intervention beinhaltete die Aufgabe jeden Tag 3000 Schritte mehr im Vergleich zur Baseline zu gehen. Zwischen den Interventionen wurde eine zweiwöchige Trainingspause eingehalten. Zur Interventionskontrolle wurde über den Interventionszeitraum die Anzahl der Schritte mit Hilfe eines Pedometers kontrolliert. Vor und nach der ersten sowie nach der zweiten Intervention wurde Körpergewicht (BMI) und die walkingspezifische Fitness mit einem 2-km-Walkingtest erhoben. Ergebnisse: Beide Interventionen führten zu einer Reduktion des BMI (p<0,01) und zu einem Anstieg der walkingspezifischen Fitness (p<0,01) während der ersten 15 Wochen. Nach der zweiten Intervention konnten keine weiteren Veränderungen beobachtet werden. Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass strukturierte und flexible Gehinterventionen bei bisher inaktiven Erwachsenen zu ersten gesundheitlichen Anpassungen, aber zu keinen weiterführenden Leistungssteigerungen führen. Es konnten keine Unterschiede zwischen den Gehinterventionen mit gleichem Aktivitätsvolumen festgestellt werden.
Schlüsselwörter: Gehen, Belastungssteuerung, Pedometer, körperliche Aktivität, Cross-Over-Design.
SUMMARY
Background: The health benefit of structured exercise programs is evidenced by many studies. Yet, the health impact of lifestyle-oriented interventions including flexible and unstructured activities has only been addressed by a few studies. Therefore, the aim of this study was to analyze the health effects of flexible compared to structured walking intervention with equal weekly activity volume. Methods: Two 15-week walking programs (structured vs. flexible) were compared in a cross-over-design. 29 sedentary subjects (16 women) aged 57.0±7.2 years with a baseline activity of 6931±2709 steps were assigned to two groups. The structured program included two monitored 10,000-step walks per week while the flexible program imposed an additional 3000 steps per day compared to each subject’s baseline activity. The first intervention was followed by a 2-week training break. The number of steps was monitored by a pedometer during the whole intervention. Body weight (BMI) and walking-related fitness was assessed with a 2-km walking test at the beginning and after each intervention. Results: Both programs led to a decrease in BMI (p<0.01), and an increase in walking-related fitness (p<0.01) during the first 15 weeks. No further changes were found during the second intervention phase. Conclusion: The findings indicate that both structured and flexible walking interventions lead to initial adaptations but cannot achieve further improvements in previously sedentary participants. The results suggest that there is no difference between walking interventions with equal amounts of physical activity.
Key Words: Walking, load management, pedometer, physical activity, cross-over design.
EINLEITUNG
Der gesundheitliche Nutzen von strukturierten, trainingsgesteuerten Bewegungsprogrammen mit klarer Definition des Belastungsreizes von Dauer, Intensität, Umfang und Häufigkeit wurde vielfach nachgewiesen (19). Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden internationale Aktivitätsempfehlungen etabliert, die 30 Minuten gesundheitsförderlicher Aktivität an mindestens fünf Tagen der Woche in der Gesundheitsförderung fordern (9). Diese Minimalempfehlung zur gesundheitsförderlichen Aktivität impliziert moderate Intensität und eine Mindestdauer von 10 Minuten (9), und gilt hinsichtlich ihres gesundheitlichen Nutzens als unbestritten (19). Neueste Erkenntnisse belegen, dass nicht nur die gesundheitsförderliche Aktivität, sondern auch die Basisaktivität eine ernstzunehmende, gesundheitliche Relevanz hat (8, 24, 28). Diese Basisaktivität beinhaltet kurzfristige, spontane körperliche Aktivität mit leichter, moderater oder hoher Intensität sowie eine Dauer von <10 Minuten (9). In diesem Zusammenhang kommt der Alltagsaktivität und ihrer Förderung, die sowohl gesundheitsförderliche Aktivität als auch Basisaktivität enthält, eine besondere Bedeutung zu.
Eine den Alltag prägende Aktivitätsform ist das Gehen. Zahlreiche Bewegungsinterventionen, die bewegungsinaktive Menschen zu vermehrter körperlicher Aktivität motivieren möchten, haben eine Erhöhung des Gehverhaltens zum Ziel (21, 29). In diesem Zuge war es Ziel zahlreicher Untersuchungen, nachzuprüfen, inwiefern sich Gesundheitseffekte bei kurzen Geheinheiten (3x10Minuten) im Vergleich zu langen Geheinheiten (1x30Minuten) mit moderater Intensität verhalten. Konträre Ergebnisse hinsichtlich der Gesundheitseffekte wurden erzielt (7, 13, 17). Weitestgehend unerforscht bleiben Basisaktivitäten unterschiedlichster Intensitäten, die eine Dauer von <10 Minuten aufweisen (14, 20).
Die Bewegungskampagne „3000 Schritte mehr am Tag“ des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit propagiert seit 2005 das flexible Gehen in all seinen Facetten (z.B. kurze und lange Gehabschnitte, schnelle und langsame Schritte) und integriert dabei sowohl gesundheitsförderliche Aktivität als auch Basisaktivität. Erste positive Effekte auf die Ausdauerleistungsfähigkeit und die subjektive Lebensqualität konnten für diese flexible Intervention ohne konkrete Belastungsvorgaben in einer vorausgegangenen Studie nachgewiesen werden (26). Unklar ist allerdings, ob diese Effekte mit den Gesundheitseffekten einer strukturierten Gehintervention, die ausschließlich gesundheitsförderliche Aktivität beinhaltet, vergleichbar sind.
Daher war das Ziel dieser Studie, gesundheitliche Effekte einer flexiblen Intervention (3000 Schritte mehr am Tag) mit jenen einer strukturierten Gehintervention (zwei lange geführte Spaziergänge pro Woche) von identischem Aktivitätsvolumen zu vergleichen.
MATERIAL UND METHODEN
Studiendesign
Mit Hilfe eines Cross-Over-Designs wurden die Interventionsformen „3000 Schritte mehr am Tag“ ( flexibel) und zweimal wöchentlich geführte 90-minütige Spaziergänge (ca. 10.000 Schritte, strukturiert) auf ihre gesundheitlichen Effekte hin untersucht.
Stichprobe
Durch die Bewerbung der Interventionsstudie in der lokalen Presse gingen 554 Interessentenmeldungen per E-Mail ein. Um sportlich inaktive und gesunde Versuchspersonen zu selektieren, wurden die Interessenten gebeten, einen Aktivitätsfragebogen zur sportlichen und körperlichen Alltagsaktivität sowie einen Screeningbogen (Physical Activity Readiness Questionnaire – PAR-Q (23)) zu beantworten. Einschlusskriterien für die Studienteilnahme waren: 1) Alter zwischen 35 und 69 Jahre, 2) kein Sporttreiben, 3) Body Maß Index (BMI) <35kg/m2 und 4) die Bereitschaft, über den Interventionszeitraum nur Bewegung durch „zu Fuß-Aktivitäten“ aufzusummieren. Ausschlusskriterien wurden durch den PAR-Q bestimmt. Aus den 213 eingegangenen Bögen wurden 40 Personen ausgewählt, von denen sich 34 Personen zur Studienteilnahme bereiterklärten. Fünf Studienteilnehmer brachen die Intervention aufgrund von Zeitmangel (n=1), Verletzung (n=1), Motivationsproblemen (n=1) oder keiner Angabe (n= 2) ab. Im endgültigen Studienkollektiv waren somit 29 Probanden (16 Frauen/13 Männer) im Alter von 57,0±7,2 Jahren.
Untersuchungsgang
In der Testwoche T0 erfolgte die Erfassung der Baselineaktivität anhand der täglich zurückgelegten Schritte mit dem Pedometer HJ-720IT-E über den Zeitraum von sieben Tagen. Basierend auf der „Baselinegehaktivität“ wurden die Probanden zufällig unter Beachtung gleichmäßiger Geschlechterverteilung in die Interventionsgruppen A und B eingeteilt. In zwei Fällen musste der dringende persönliche Gruppenwunsch der Probanden/innen zur Gewährleistung der Partizipation in der Studie berücksichtigt werden. Nach der Eingangsdiagnostik T1 folgte die 15-wöchige erste Interventionsphase, die mit T2 abschloss. Nach zweiwöchiger Interventionspause folgte die zweite 15-wöchige Interventionsphase und endete mit T3 (s. Abb. 1).
Die Aktivitätsparameter während T0 und der Intervention waren die Anzahl der Gesamtschritte, aerobe Schritte sowie aerobe Minuten. Zur „blinden Datenerhebung“ während T0 wurde das individuell eingestellte Pedometer (Schrittlänge, Körpergewicht) versiegelt (3). Während der Interventionsphasen diente das Pedometer zur Aktivitätskontrolle der Probanden. Alle vier Wochen erfolgte eine Datensicherung der Aktivitätsparameter durch das elektronische Auslesen des Pedometerspeichers. Zusätzlich führten die Probanden ein Schritttagebuch.
Während T1,T2 und T3 folgte die Diagnostik der anthropometrischen und walkingspezifischen Leistungsfähigkeitsparameter. Körpergröße (normierte Messlatte an der Wand) und Körpergewicht (Körperanalysewaage BF 500, OMRON Medizintechnik, Mannheim) wurden barfuß und mit leichter Oberbekleidung gemessen. Die benötigte Gehzeit währen des 2km-UKK-Walking-Tests (15) sowie die Belastungsherzfrequenz (Pulsmesser Polar M31) wurde einen Tag später erfasst. Aus Walkingzeit, Belastungsherzfrequenz sowie Alter, Geschlecht und BMI der Probanden wurden mit Hilfe verschiedener Koeffizienten der Fitness Index (FI) sowie die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) berechnet (15). Ein FI zwischen 90 und 110 gilt als durchschnittlich, ein Wert darunter als unterdurchschnittlich und oberhalb als überdurchschnittlich (15).
Die Interventionsphase I startete im Februar 2008. Gruppe A begann mit der strukturierten Intervention von zwei Spaziergängen pro Woche mit 10.000 Schritten und gleichbleibendem, individuellen Baselineaktivitätsniveau während der restlichen fünf Tage. Gruppe B absolvierte im Vergleich zur Baselineaktivität „3000 Schritte mehr am Tag“. Die Interventionsart wurde nach dem Cross-Over Prinzip vor der Interventionsphase II getauscht. Der Studienablauf richtete sich nach den Empfehlungen der Ethikkommision der Deutschen Sporthochschule Köln.
Messapparatur
Der HJ-720IT-E (OMRON Medizintechnik, Mannheim) ist 47x73x16mm groß und wiegt 37g. Die zwei integrierten piezoelektrischen Sensoren nutzen eine Mehrplatzmethode, so dass eine waagerechte oder senkrechte Position des Pedometers am Hosenbund oder in der Hosentasche möglich ist. Der vom Hersteller benannte Modus „aerob“ erlaubt eine Aussage über gesundheitsförderliche Aktivitätsumfänge, die 10 Minuten und länger umfassen. Schritte werden als „aerob“ gezählt, wenn durchgehend mindestens 60 Schritte pro Minute über einen Zeitraum von mindestens 10 Minuten absolviert werden. „Aerobe Minuten“ beschreiben die verbrachte Dauer, in der die „aeroben Schritte“ zurückgelegt werden. Der HJ-720IT-E verfügt über eine USB-Schnittstelle, mit deren Hilfe der 41-Tage Speicher stundengenau für jeden Tag elektronisch ausgelesen werden kann.
Statistik
Die statistische Auswertung erfolgte mit Hilfe des Datenverarbeitungsprogramms PASW© (Version 18). Der Vergleich der Aktivitätsparameter der beiden Interventionsgruppen wurde mit dem t-Test für unabhängige Stichproben berechnet. Die Interaktionseffekte von Gruppe (A vs. B) und Zeit (T1,T2,T3) wurden mit Hilfe der mehrfaktoriellen Varianzanlayse berechnet. Bei signifikantem Haupteffekt wurde der Post-Hoc Test nach Newman-Keuls angewendet. Für die Varianzanalysen wurde die Effektstärke über das partielle Eta-Quadrat (η2) angegeben. Das Signifikanzniveau wurde bei p<0,05 angesetzt.
ERGEBNISSE
Aktivitätsverhalten innerhalb der Testwoche und Intervention
Zwischen den eingeteilten Interventionsgruppen A und B lagen bezüglich der Pedometerdaten während der Testwoche und den Interventionsphasen keine statistischen Unterschiede vor (s. Tab. 1). In Interventionsphase I verfehlte Gruppe A die Zielvorgabe um durchschnittlich 215 Schritte, Gruppe B um 418 Schritte gegenüber dem Interventionsziel „3000 Schritte mehr“. Innerhalb der Interventionsphase II verfehlte Gruppe A um 410 Schritte ihr Ziel, Gruppe B übertraf die Zielvorgabe mit 77 Schritten pro Tag (s. Tab. 2).
Interventionseffekte – Körpergewicht / Body Mass Index (BMI)
Gruppe A reduzierte ihr Körpergewicht während der Interventionsphase I um 2,0kg (2,5%; p<0,05) und Gruppe B um 1,5kg (1,7%; p<0,05). Der BMI reduzierte sich für Gruppe A um 0,9kg/m2(3,2%; p<0,01) und für Gruppe B um 0,4kg/m2 (1,4%; p<0,01). Zwischen den Testzeitpunkten T2 zu T3 konnte keine relevante Veränderung beobachtet werden. Gruppenunterschiede waren nicht signifikant (s. Tab. 3).
Interventionseffekte – walkingspezifische Leistungsfähigkeit
Die Testzeit für den 2km Walking Test verringerte sich von T1 zu T2 für die Gruppe A um 37 Sekunden (3,3%; p<0,01) und für die Gruppe B um 51 Sekunden (4,4%; p<0,01). Von T2 zu T3 wurden keine Veränderungen beobachtet. Für den FI ließ sich Analoges dokumentieren. Die errechnete VO2max änderte sich während des Interventionszeitraumes nicht (p=0,15; η2=0,14). Signifikante Gruppenunterschiede waren für alle walkingspezifischen Parameter nicht zu erkennen (s. Tab. 3).
DISKUSSION
Compliance der Interventionsaufgabe
Nach der Aktivitätseinteilung von Tudor-Locke et al. (25) war das Untersuchungskollektiv während der Baselineerhebung als „wenig aktiv“ einzustufen. Gemessen an anderen Pedometerstudien für inaktive Kollektive lag die Baselineaktivität der Probanden in der vorliegenden Studie im oberen Randbereich (4, 21). Während der Intervention war das Aktivitätsvolumen beider Gruppen identisch, so dass die Rahmenbedingungen für eine vergleichende Analyse vorhanden waren. Die Interventionscompliance von deutlich über 95% in beiden Interventionsphasen ist als sehr hoch einzustufen und damit höher im Vergleich zu anderen Studienergebnissen mit 83% (4), 90% (13) und 91% (7). Die hohe Compliance der Versuchspersonen kann durch die engmaschige Kontrolle der Gehaktivität aufgrund des unmittelbaren Feedbacks der Gehaktivität über das Pedometer erklärt werden.
Interventionseffekte – Körpergewicht
Die Reduktion des Körpergewichts (2,5%/1,7%) und BMI (3,2%/1,4%) der Gruppen A und B während der ersten Interventionsphase liegt etwas höher im Vergleich zu anderen Studienergebnissen, bei denen die Veränderungen zwischen 1,6%- 1,9% variieren (12, 18, 22). Ob vermehrte körperliche Aktivität in strukturierter oder flexibler Form erfolgen sollte, ist den Ergebnissen der Phase I zufolge unbedeutend. Im Gegensatz dazu stehen die Ergebnissen von Jakicic et al. (11) und Donnelley et al. (7), die eine höhere Gewichtsreduktion für die Gruppen mit zusammenhängenden Bewegungseinheiten im Gegensatz zu Interventionsgruppen mit kurzen, häufigen Einheiten feststellten. Diese gegenläufigen Ergebnisse könnten durch die fehlende Belastungssteuerung in der vorliegenden flexiblen Intervention begründet werden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass ein Teil der Probanden in der flexiblen Intervention dennoch beispielsweise 30-minütige Spaziergänge absolviert hat. Somit wäre der anvisierte Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Interventionsformen nur bedingt vorhanden und könnte die ähnlichen Körpergewichtsveränderungen erklären.
Aufgrund der ausgebliebenen weiteren Körpergewichtsreduktion in der Interventionsphase II wird vermutet, dass innerhalb der zweiten 15 Interventionswochen der Reiz von wöchentlichen 20.000- 21.000 Schritten mehr gegenüber der Baseline zu gering war und nur zu einem Erhalt des Status Quo ausreichte. Eine mögliche Erklärung hierfür kann die Empfehlung des American College of Sports Medicine (6) sein, die für einen weiteren Gewichtsverlust eine tägliche moderate Aktivität von ca. 60 Minuten (200- 300 Minuten/Woche) rät. Diese Empfehlung wurde in der vorliegenden Studie mit 180- 210 Minuten moderater Intensität pro Woche nur sehr knapp erreicht.
Interventionseffekte – walkingspezifische Leistungsfähigkeit
Beide Interventionsgruppen erzielten zwar signifikante Verbesserungen in der walkingspezifischen Fitness (Gehzeit und FI), allerdings mit geringer Effektstärke. Die errechnete VO2max hingegen erfuhr keine signifikante Steigerung (p=0,15) über den Gesamtzeitraum. Somit ist davon auszugehen, dass der geringe Effekt durch eine Ökonomisierung des Stoffwechsels und des Herzkreislaufsystems auf submaximalem Niveau stattgefunden hat. Der stärkere Zuwachs innerhalb der Gruppe B während der Interventionsphase I ist vermutlich aufgrund des anfänglich niedrigeren Leistungsniveaus zu erklären, welches als unterdurchschnittlich einzuordnen ist. Demzufolge waren die Anpassungsreserven der Gruppe B höher.
Die nicht vorhandenen Gruppenunterschiede zwischen den Interventionsformen bezüglich der Ausdauerleistungsfähigkeit stimmen mit zahlreichen Untersuchungen zum Vergleich von kontinuierlicher Aktivität und intermittierender Aktivität überein (2, 5, 7, 17, 30). Allerdings konnten Murphy et al. (13) in einer Gruppe mit mehreren kleinen Trainingseinheiten pro Tag (3x10 Minuten, 5x/Woche) im Gegensatz zu einer Gruppe mit einer langen Trainingseinheit (1x30 Minuten, 5x/Woche) eine signifikante Verbesserung der relativen VO2max nach 6-wöchiger Interventionsphase feststellen (12,5% vs. 3,7%). Demgegenüber stellte die Arbeitsgruppe um Jakicic (11) nach den ersten sechs Interventionsmonaten eine signifikante Leistungsverbesserung einer Gruppe mit langen Trainingseinheiten im Vergleich zu einer Gruppe mit mehreren kurzen Trainingseinheiten fest. Insgesamt liegen inkonsistente Studienergebnisse vor.
Ausbleibende Verbesserungen im Laufe der Phase II im Bereich der walkingspezifischen Leistungsfähigkeit lassen wiederum vermuten, dass die Anpassungsprozesse für den gegebenen Reiz des einfachen Gehens nach den ersten 15 Wochen, unabhängig von der wöchentlichen Belastungsverteilung, erschöpft waren. Allerdings konnte das erreichte Niveau mit der weitergeführten Gehaktivität erhalten werden. Die Stabilisierung der Leistungssteigerung stimmt mit den Ergebnissen anderer Studien (11, 22) überein, während sich in der Studie von Coleman et al. (5) die Teilnehmer in den zweiten 16 Interventionswochen weiterhin tendenziell (p=0,06) verbesserten. Eine Begründung für die fortlaufende Leistungssteigerung in der Studie von Coleman et al. (5) könnte in der unpräzisen Angabe der Belastungsintensität mit >3 MET (Metabolisches Äquivalent) liegen, die unter Umständen höher lag als in der vorliegenden Studie.
Ein Novum dieser Studie ist, dass über einen Zeitraum von 30 Wochen, stundengenau die Gehaktivität der Probanden dokumentiert wurde, und somit die Interventionseffekte auf die tatsächlich durchgeführte Aktivität zurückgeführt werden konnten. Hierzu wurde ein valides und reliables Pedometer benutzt (10). Limitationen zeigen sich innerhalb des Untersuchungsganges in der nicht-randomisierten Gruppenzuteilung, die dringende persönliche Anliegen von zwei Teilnehmern berücksichtigte sowie in der fehlenden Ernährungskontrolle, welche in zukünftigen Studien ergänzt werden sollte. Bezüglich des Studiendesigns ist die kurze Trainingspause von nur zwei Wochen zu kritisieren, wenngleich die Wahl der Dauer dieser Phase mit anderen Studiendesigns, bei denen die Dauer zwischen 10 Tagen und 2 Wochen variierte, konform geht (1, 13). Dennoch sind Überhangeffekte der ersten Phase nicht auszuschließen. Diese sollten durch gezielte Erhebungen am Ende von Phase I und zu Beginn von Phase II erfasst werden. Grenzen wirft zusätzlich die gewählte Diagnostik der walkingspezifischen Leistungsfähigkeit auf, trotz einer nachgewiesenen Validität von r =0,69–0,84 (16). Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass nicht widerspruchslose Veränderungen in der Ausdauerleistungsfähigkeit nachgewiesen wurden. Hier wäre eine Spiroergometrie unter Laborbedingungen von Vorteil gewesen.
Schwierig hinsichtlich der Methodik gestaltet sich der Vergleich von strukturierter und flexibler Aktivität, vor allem aufgrund der unpräzisen Beschreibung der Interventionsaufgabe „3000 Schritte mehr am Tag“ im Hinblick auf die Trainingssteuerung. So könnten möglicherweise vielfältige, kurze Aktivitätseinheiten (Basisaktivität), aber auch Gehaktivitäten „en bloc“ (gesundheitsförderliche Aktivität) zur Realisation der Interventionsaufgabe genutzt worden sein. Demzufolge gelingt mit der vorliegenden Studie nur eine unzureichende Aussage zum gesundheitlichen Effekt der Basisaktivität, da auch in der Interventionsgruppe „3000 Schritte mehr am Tag“ vornehmlich die gesundheitsförderliche Aktivität (aerobe Schritte) zugenommen hat.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei bisher inaktiven Personen das vermehrte Gehen innerhalb von 15 Wochen zu ersten Körpergewichtsreduktionen und Fitnessverbesserungen führte. Dabei hatte die Steigerung des Gesamtvolumens einen entscheidenden Einfluss. Strukturierte sowie flexible Gehinterventionen zeigten vergleichbare Resultate. In der zweiten Interventionsphase zeigte sich eine Stabilisierung der Interventionseffekte, jedoch folgten keine weiteren Anpassungen. Demnach eignet sich das Gehen als erste Maßnahme, um gesundheitsförderliche Anpassungserscheinungen auszulösen, allerdings scheinen für weitere Verbesserungen höhere Intensitäten oder höhere Umfänge notwendig zu sein. In diesem Zusammenhang zeigt sich ein zukünftiger Bedarf nach Interventionsstudien, die einer klaren Abgrenzung der Basisaktivität gegenüber der gesundheitsförderlichen Aktivität nachkommen. Dieses kann vor allem durch höherwertige Aktivitätssensoren wie z.B. Akzelerometer, erfolgen, die die Aktivität minutengenau wiedergeben und Informationen zur Intensität bereitstellen (27).
Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: Keine.
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Dr. Birgit Wallmann
Zentrum für Gesundheit
der Deutschen Sporthochschule Köln
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
E-Mail: wallmann@dshs-koeln.de