Zur Aussagekraft von Positions- und Geschwindigkeitsdaten im Fußball
Validity of Work-Rate Data in Soccer
ZUSAMMENFASSUNG
Problemstellung: Seit der Entwicklung von Positionsdetektionssystemen im Fußball werden vermehrt Studien über Gesamtlaufstrecken und Laufleistungen in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse dieser Untersuchungen werden Aussagen über die Ermüdung einzelner Spieler getroffen. Es wird eine direkte Verbindung zwischen dem Rückgang der Laufleistung und dem Grad der Ermüdung eines Spielers hergestellt. Diese Untersuchung befasst sich mit der Frage, ob diese Verbindung und die damit einhergehenden Aussagen über Ermüdung während eines Fußballspiels zulässig und valide sind. Dafür wurde der Einfluss von unterschiedlichen Variablen auf die Laufleistung analysiert. Methoden: Es wurden 14 Spiele bzw. 103 Spieler aus der 1. Fußball Bundesliga der Saison 2009/2010 untersucht. Daten über Laufleistungen wurden durch ein Positionsdetektionssystem erhoben. Untersucht wurden der Einfluss der Spielposition, der Gegnerstärke und des Spielstandes auf die Laufleistung. Ergebnisse: Es konnte ein signifikanter Einfluss (p<0,01) der Spielposition und des Spielstandes auf die Laufleistung beobachtet werden; für den Einfluss der Gegnerstärke wurde ein nicht signifikanter Trend (p=0,067) festgestellt. Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass es eine Vielzahl an Einflussfaktoren auf die Laufleistung während eines Fußballspiels gibt. Die Aussagekraft von Laufleistungsanalysen im Sinne einer Ermüdungsschätzung ist somit als kritisch zu betrachten. Zukünftige Modellierungen der Ermüdung sollten versuchen die in dieser Studie aufgezeigten Einflussvariablen zu berücksichtigen, um valide Aussagen zu erlauben.
Schlüsselwörter: Laufleistung, Spielanalyse, Ermüdung, Fußball.
SUMMARY
Problem: There was a rapid development of position detection systems in soccer during the last 10 years. These systems provide large data sets concerning the total running distances and running distances in specific speed intervals of soccer players, so called work-rate data. Based on these data, many studies have investigated the phenomenon of fatigue during a soccer match. The common procedure is to analyse the reduction of work rate data, as an indicator of fatigue. This study wanted to analyse if this method is a valid procedure to gain information about the development of fatigue during a soccer match. Method: 14 matches and 103 players of the 1. Fußball Bundesliga from the season 2009/2010 were analysed. Work-rate data was provided by a position detection system. Concerning the influence on work-rate data, variables of interest were playing position, quality of opponent, and score. Results: There was a significant influence (p<0.01) of playing position and score on the work- rate during a soccer match. For quality of opponent, a non-significant trend (p=0.067) was observed. Discussion: The results showed that there are many variables influencing the work-rate of soccer player during a match. Consequently, the analysis of the development of fatigue during a soccer match by means of the analysis of work-rate data seems to be a limited procedure. Future studies in the field of modelling fatigue should take influencing variables into account.
Key Words: Work-rate, performance analysis, fatigue, soccer.
EINLEITUNG
Analysen im Fußball basieren aufgrund der technologischen Weiterentwicklung von Trackingsystemen vermehrt auf Positionsdaten (3). In Deutschland werden seit Beginn der Saison 2011/2012 allen Vereinen der 1. und 2. Fußball Bundesliga Positionsdaten zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser Daten wird versucht Aussagen über Leistungsfähigkeit und Ermüdungsgrad von Spielern zu generieren. Eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen haben die Leistungsfähigkeit von Fußballspielern mit der Laufleistung gleichgesetzt und analysiert, ob Mannschaften, die mehr und schneller laufen, auch erfolgreicher sind (11, 14, 18). Die erzielten Ergebnisse zeigen, dass erfolgreichere Mannschaften mehr Laufstrecke in hochintensiven Geschwindigkeitsbereichen zurücklegten, als ihre unterlegenen Pendants. Des Weiteren wurde in einer Vielzahl an Studien der Rückgang der Laufstrecke in hochintensiven Bereichen als Indikator für Ermüdung herangezogen (2, 6, 7, 8, 17). Eine Analyse von 5-Minutenintervallen aus 28 Spielen der englischen FA Premier League zeigte beispielsweise, dass nach dem Intervall mit den höchsten Bewegungsintensitäten die Werte bezüglich hochintensiven Bewegungen im folgenden 5 Minutenintervall um 50% in Bezug auf die Gesamtmittelwerte des ganzen Spiels verringert waren (2). Dies interpretierten die Autoren als vorübergehende Ermüdung.
Beide Ansätze geben jedoch Anlass zur Kritik. Fußball ist als sportlicher Wettkampf anzusehen, bei dem zwei Mannschaften versuchen ein Tor zu erzielen und gleichzeitig versuchen, den Gegner an einem Torerfolg zu hindern (12). Folglich kann ein Fußballspiel als komplexes System aufgefasst werden, welches durch ständige Interaktionen verschiedener Mannschaftsteile charakterisiert ist. Da sich diese Subsysteme gegenseitig beeinflussen, müssen unterschiedlichste Einflussvariablen berücksichtigt werden, wenn es darum geht die Leistung einzelner Spieler zu quantifizieren. Ohne die Beachtung dieser Faktoren können folgerichtig hohe Laufstrecken allgemein und speziell in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen nur bedingt als Leistungsindikator dienen (13). Diese Kritik wird nicht nur von sportspieltheoretischer Sicht geäußert. Unlängst hat Andreas Rettig, ehemaliger Manager des FC Augsburg, die Verwendung von Daten über Laufleistungen kritisiert: „Wenn etwa die Laufleistung einzelner Profis ins Gerede kommt, wie bei Podolski, kann man die Zahl nicht einfach so stehen lassen, sondern muss sie in Relation zu anderen Spielern, Positionen und Spielverläufen sehen.“
Ziel dieser Untersuchung ist es zu prüfen, ob diese Kritik berechtigt ist. Dafür wurden die Einflüsse von Position, Gegnerstärke und Spielstand auf die Laufleistung analysiert.
METHODE
Es wurden 14 Spiele der Deutschen 1. Fußball Bundesliga aus der Saison 2009/2010 untersucht. Die Daten wurden mit Hilfe des AMISCO Systems zur Erfassung von Positionsdaten im Fußball erhoben (21). Dieses System arbeitet mit mehreren Kameras, welche um das Fußballfeld in großer Höhe platziert werden und auf Basis von Bilderkennung Daten generiert. Es wurden nur Laufleistungen von Feldspieler analysiert, die das gesamte Spiel bestritten haben und nicht ein- bzw. ausgewechselt wurden. Spielpositionen wurden mittels taktischer Formation der Mannschaft festgelegt und hatten die Ausprägungen: Innenverteidiger (IV), Außenverteidiger (AV), zentraler Mittelfeldspieler (ZM), äußerer Mittelfeldspieler (AM) und Stürmer (ST).
Die Qualität des Gegners wurde in Anlehnung an LagoPeñas (11) auf Basis des aktuellen Tabellenstandes und unter Berücksichtigung der finalen Platzierung am Ende der Saison mittels Expertenrating festgelegt. Zwei unabhängige Experten bewerteten die Gegnerqualität. Ausprägungen waren leicht (n=12), mittel (n=8) und schwer (n=8). Wenn die Wertungen der beiden Experten voneinander abwichen, wurde ein dritter unabhängiger Experte hinzugezogen und die Gegnerqualität zugeordnet, welche von zwei Experten geratet wurde. Die Analyse der Übereinstimmung bezüglich der Gegnerstärke mittels Cohens Kappa ergab eine sehr gute Übereinstimmung (κ=0,886) nach O’Donoghue (16).
Ausprägungen bezüglich des Spielstandes waren Rückstand, Unentschieden und Führung. Insgesamt wurden 103 Spieler (IV=27, AV=24; ZM=25, AM=15, ST=12) analysiert.
Um vergleichbare Analysen gewährleisten zu können, wurden die Laufleistungen in den unterschiedlichen Spielständen auf eine Minute relativiert. Dieses Verfahren hat sich bereits in anderen Studien bewährt (3). Die Geschwindigkeitsklassifikationen (Intensiv: 4,01- 5,50m/s; Hochintensiv: 5,51- 7,00m/s; Sprint: >7,00m/s) wurden in Anlehnung an Bradley (2) verwendet.
Um den Einfluss der Faktoren Position, Gegnerstärke und Spielstand auf die Laufleistung zu analysieren wurde eine dreifaktorielle univariate Varianzanalyse eingesetzt. Eine Post-hoc Analyse auf homogene Untergruppen erfolgte nach Scheffé. Wechselwirkungen der Faktoren auf die Laufleistung wurden mit Hilfe von multivariaten Varianzanalysen berechnet. Alle statistischen Analysen wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS Version 19 durchgeführt.
ERGEBNISSE
Laufstrecke
Tabelle 1 gibt eine Übersicht zu den Laufstrecken der ersten und zweiten Halbzeit, wie auch des gesamten Spiels in Abhängigkeit von der Spielposition. Äußere Mittelfeldspieler und Außenverteidiger legen die weitesten Strecken zurück (AM=10345±686m; AV=10035±477m). Innenverteidiger verrichten die geringste Laufleistung von allen Feldspielern (9380±573m). Die Laufleistung ist auf allen Spielpositionen in der zweiten Halbzeit im Vergleich zu der ersten Halbzeit verringert (p=0,000). Der größte Unterschied (Verringerung von 425m) konnte bei äußeren Mittelfeldspielern festgestellt werden. Zentrale Mittelfeldspieler hingegen zeigten im Mittel nur eine um 209m verringerte Laufstrecke in der zweiten Halbzeit. Die Gesamtlaufstrecke ist signifikant (p=0,001) von der Spielposition beeinflusst. Eine Einzelbetrachtung ergab einen signifikanten Unterschied zwischen den Positionen für Innenverteidiger zu Außenverteidiger (p=0,002) und Innenverteidiger zu äußerem Mittelfeldspieler (p=0,035).
Eine Analyse des Einflusses der Gegnerstärke (vgl. Tab. 1) auf die gesamte Laufstrecke und die Laufstrecken in Halbzeit 1 und 2 ergaben keine signifikanten Unterschiede (Laufstrecke gesamt: p=0,157; Halbzeit 1: p=0,216; Halbzeit 2: p=0,067), dennoch ist ein Trend zu erkennen, dass gegen leichtere Gegner mehr gelaufen wird als gegen stärkere Mannschaften (9877±733m vs. 9673±759m). Dieser kontraintuitive Sachverhalt zieht sich durch beide Halbzeiten. Vergleicht man den Rückgang der Laufstrecken zwischen den Halbzeiten ist festzustellen, dass in Spielen gegen schwache Gegner ein deutlicherer Unterschied (Verringerung um 431m) zu erkennen ist als in Spielen gegen starke Teams (Verringerung um 325m).
Im Gegensatz zu diesem Ergebnis zeigte sich für den Einfluss des Spielstandes auf die Laufstrecke (vgl. Tab. 1), dass Mannschaften, die in Rückstand liegen (116±12m/min), pro Minute mehr Strecke zurücklegen, als Mannschaften, die in Führung liegen (106±14m/min). Eine globale Analyse ergab einen signifikanten Einfluss (p=0,000) des Spielstandes auf die Laufleistung. Post-hoc Analysen ergaben die homogenen Untergruppen Führung und Unentschieden/Rückstand. Eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Spielpositionen zeigte, dass nur für Innenverteidiger (Unterschied Führung zu Rückstand von 16m/min; p=0,000) und Außenverteidiger (Unterschied Führung zu Rückstand von 11m/min; p=0,014) ein signifikanter Unterschied vorhanden war.
Der Einfluss des Spielstandes auf die Laufleistung verstärkt sich bei der zusätzlichen Beachtung der Gegnerstärke (vgl. Tab. 2). Bei eigener Führung gegen leichte Gegner wurden im Mittel 10 Meter pro Minute weniger gelaufen, als in Rückstand liegend (p=0,000). Dieser Sachverhalt zeigte sich ebenfalls für Spiele gegen starke Gegner (p=0,002), aber nicht für Spiele gegen Gegner mittlerer Qualität (p=0,658). Diese Ergebnisse zeigen ebenfalls, dass es zwar einen Einfluss des Spielstandes und der Gegnerstärke auf die Laufleistung gibt, dieser Einfluss aber keinen fußballspezifischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, sondern eher zufällig entsteht.
Laufintensität
Nachdem bisher die Analyse der Laufleistung im Sinne der zurückgelegten Gesamtstrecke erfolgte, soll nun der Fokus auf Fortbewegungen im intensiven und hoch intensiven Laufbereich sowie dem Sprintbereich gelegt werden (vgl. Tab. 3).
Für alle drei Intensitätsbereiche wurden signifikante Einflüsse der Spielpositionen auf die Laufleistung beobachtet. Im Bereich der intensiven Bewegungen (p=0,000) zeigten Innenverteidiger die deutlich geringsten Werte (1136±166m), wohingegen äußere Mittelfeldspieler die größten zurückgelegten Strecken aufwiesen (1508±237m). Dieses Bild zeigte sich ebenfalls für Laufstrecken in hochintensiven Bereichen (p=0,000) und in Sprintbereichen (p=0,000). In beiden Intensitätsbereichen legten äußere Mittelfeldspieler die größten (616±102m/167±87m) und Innenverteidiger die niedrigsten (319±72m/ 76±40m) Strecken zurück. Ein signifikanter Einfluss der Gegnerstärke auf die Laufleistung in den verschiedenen Intensitätsbereichen wurde nicht festgestellt (p=0,364). Auch eine signifikante Wechselwirkung zwischen Spielposition und Gegnerstärke konnte nicht festgestellt werden (p=0,956).
DISKUSSION
Laufleistung im Fußball hängt von vielen Faktoren ab. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben gezeigt, dass sowohl Spielposition, Gegnerstärke, als auch Spielstand einen Einfluss auf die Laufleistung haben. Die aus anderen Untersuchungen gewonnen Ergebnisse in Bezug auf den Einfluss der Spielposition auf die Laufleistung konnte nur teilweise bestätigt werden. So haben beispielsweise Bradley (2) festgestellt, dass zentrale Mittelfeld und äußere Mittelfeldspieler die größten Laufstrecken aufweisen. Dies konnte nur für die Position der äußeren Mittelfeldspieler bestätigt werden, welche im Einklang mit anderen Studien (2, 7, 11) auch in allen intensiven Kategorien die größten Strecken zurücklegen. Zentrale Mittelfeldspieler hingegen weisen eher geringere Laufstrecken auf, was im Gegensatz zu anderen Autoren (7, 11, 17) steht. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass einige zentrale Mittelfeldspieler eine sehr individuelle Spielweise aufweisen, die mit geringen Laufstrecken einhergehen. Dies unterstreicht wiederum die Wichtigkeit einer möglichst individuellen Herangehensweise bei der Analyse von Laufdaten und die Notwendigkeit die Laufleistung eines Spielers immer im Rahmen seiner jeweiligen taktischen Aufgaben und Anforderungen zu sehen. Konform mit den Untersuchungen von Bradley und Di Salvo (2, 7) gehen die Ergebnisse bezüglich der Laufleistung von Innenverteidigern, die die niedrigsten Werte aufweisen. Wie in den Studien von Barros und Lago-Peñas (1, 11) zeigten Stürmer auch vergleichsweise niedrige Laufleistungen. Die Ergebnisse bezüglich des Einflusses der Gegnerstärke auf die Laufleistung sind wiederum gegensätzlich zu denen von Lago (10). Die Autoren haben nachgewiesen, dass Spieler mehr Strecke zurücklegen, wenn sie gegen starke Gegner spielen im Vergleich zu Spielen gegen schwächere Gegner. Die präsentierten Ergebnisse zeigen Trends, die sich genau konträr dazu verhalten. Die leicht höheren Werte gegen mittelstarke Gegner können über den geringen Abfall der Laufleistung in Halbzeit zwei erklärt werden. Dies verdeutlicht, dass Abfälle in der zweiten Hälfte des Spiels nicht immer kausal auf eine Ermüdung zurückgeführt werden können, wie von Mohr (15) dargestellt wurde, sondern vielmehr im Kontext der jeweiligen Spieleigenschaften gesehen werden müssen. Bei den Unterschieden bezüglich der Gegnerstärken handelt es sich, wie angesprochen aber nur um Trends. Eine Ursache hierfür könnte sein, dass das Expertenranking bei Heimspielen des FCB womöglich nicht fein genug abgestuft war, da es sich hierbei sicherlich für jede Mannschaft um schwere Spiele handelte.
Eine Analyse der auf den Spielstand relativierten Laufleistungen zeigte, dass Mannschaften, die führen, weniger laufen als Mannschaften, die in Rückstand liegen. Dies steht im Kontrast zu Angaben von Lago (10), in deren Untersuchung kein Unterschied der Laufstrecken bei verschiedenen Spielständen festgestellt werden konnte. Interpretationsansätze könnten sein, dass eine in Rückstand liegende Mannschaft versucht noch ein Unentschieden zu erreichen und sich die führende Mannschaft auf dem Vorsprung ausruht.
Die Ergebnisse insgesamt zeigen jedoch im Vergleich zu anderen Studien, dass sich kein klares Bild abzeichnet. Spielposition, Spielstand, oder Gegnerstärke, die Ergebnisse, so scheint es, schwanken von Untersuchung zu Untersuchung. Dennoch wird in jeder der Studien der ein oder andere Einfluss auf die Laufleistung nachgewiesen. Gründe hierfür könnten in den jeweilig zugrunde liegenden Stichproben liegen. Zwar kann man beispielsweise Positionsgruppen bilden, dennoch ist der Faktor der Individualität von großer Bedeutung. Auch die Einteilung der Geschwindigkeitsintensitäten ist eine Konvention, die durchaus Fehler in sich birgt (19). Betrachtet man jedoch die eingangs geäußerte Kritik vor dem Hintergrund eines systemdynamischen Ansatzes, so verwundern solche Ergebnisse nicht mehr. Die Tatsache, dass jedes Fußballspiel einzigartig ist macht klar, dass es beinahe unmöglich erscheint, aus dem Spielgeschehen allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Somit kann eine Leistungsbewertung anhand von Laufleistungen während eines Fußballspiels kaum gelingen. Folgerichtig spielt auch die Art des Einflusses von verschiedenen Variablen eine untergeordnete Rolle. Vielmehr rückt die Tatsache in den Vordergrund, dass es überhaupt einen Einfluss gibt.
Der Versuch, Ermüdung anhand der Laufleistung zu schätzen, unterliegt denselben Limitationen. Zwar wurde in dieser Arbeit ein Rückgang der Laufleistung von erster zu zweiter Halbzeit nachgewiesen, dennoch kann es unterschiedliche Ursachen dafür geben. Ein Spiel vor heimischer Kulisse wird beispielsweise aggressiver geführt als ein Auswärtsspiel (11). Weiterhin ist ein Großteil der Spiele in der zweiten Halbzeit und vor allem gegen Ende eines Spiels entschieden, was eine Reduzierung der Laufleistung zur Folge hat. Des Weiteren hat eine Untersuchung von Spielunterbrechungen ergeben, dass die effektive Spielzeit der zweiten Halbzeit im Vergleich zur ersten Halbzeit eines Fußballspiels reduziert ist (20).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Positionsdaten im Fußball und deren Analysen von großem Nutzen sowohl für die Theorie als auch für die Praxis sein können. Dennoch sollte man globale Auswertungen vermeiden, sondern stets die Umstände und die Charakteristik des Spiels berücksichtigen. Aussagen über die Leistungsfähigkeit eines Spielers oder einer Mannschaft sowie Aussagen über Ermüdung im Spiel sind kaum möglich. Die in dieser Arbeit aufgezeigte Vielzahl an Einflussfaktoren, ebenso wie die unterschiedlichen Ergebnisse im Vergleich zu anderen Studien verstärken diesen Sachverhalt. Laufstrecken und Laufintensitäten sind nur sehr eingeschränkt als Indikatoren für die Leistungsfähigkeit und Ermüdung im Fußball zu betrachten.
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Malte Siegle
Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik
Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaft
TU München
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
E-Mail: malte.siegle@sp.tum.de