Spiroergometrie zur Ausdauerleistungsdiagnostik
ZUSAMMENFASSUNG
Etablierte spiroergometrische Indikatoren für die Ausdauerleistungsfähigkeit sind die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) und die Ventilatorische Schwelle (VT); seltener verwendet wird der Respiratorische Kompensationspunkt (RCP). Zur Messung der VO2max scheinen sich Ausbelastungstests bis maximal 26 min Dauer zu eignen. Für Schwellenbestimmungen sind Rampenprotokolle und zur Auswertung Kombinationen aus verschiedenen Graphen vorteilhaft, wobei für die VT der VSlopeGraph und für den RCP eine Darstellung der Ventilation gegenüber der Kohlendioxidabgabe primär genutzt werden sollten. Aufgrund vieler möglicher Fehlerquellen ist sorgfältiges methodisches Vorgehen bei Messung und Auswertung notwendig.
EINLEITUNG
Bekanntester spiroergometrischer Kennwert zur Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit ist die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max), die bei hochtrainierten Ausdauersportlern in Einzelfällen bis 90 ml/min/kg erreichen kann und bei untrainierten Männern und Frauen mittleren Alters etwa 30 bis 50 ml/min/kg beträgt (4). Im Vergleich zu Männern weisen Frauen 10 bis 15 % niedrigere Werte auf.
Weitere Parameter für die Ausdauerleistungsfähigkeit sind die Ventilatorische Schwelle (VT) und der Respiratorische Kompensationspunkt (RCP). Die VT liegt in der Regel bei Ausdauerleistungssportlern zwischen 60 und 70 % VO2max und bei Untrainierten zwischen 40 und 60 % VO2max. Der RCP tritt bei Ausdauerleistungssportlern zwischen 80 und 90 % VO2max und bei Untrainierten zwischen 70 und 80 % VO2max auf (3). Bei Sporteinsteigern steigt die VO2max durch ein Jahr moderates Ausdauertraining im Mittel um 16 % (7), während bei Ausdauerleistungssportlern wesentlich geringere Veränderungen zu erwarten sind.
Die VO2max repräsentiert das Maximum der verstoffwechselten Sauerstoffmenge zur Energiegewinnung unter Einbeziehung aller Sauerstoff austauschenden, transportierenden und utilisierenden Systeme. Gleichwohl hängt die Ausdauerleistung nicht allein von der VO2max ab, sondern wird u. a. auch von der Energiebereitstellung bei submaximalen Belastungsintensitäten und der Bewegungsökonomie beeinflusst.
Ähnlich wie die VO2max ermöglichen die spiroergometrischen Schwellen eine Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Entsprechend dem ZweiSchwellenKonzept kennzeichnet die VT den Übergang vom aeroben zum gemischt aerobanaeroben Energiestoffwechsel und der RCP etwa das Ende des aerobanaeroben Übergangsbereichs (2). Beide Schwellen können als Schlüsselstellen des Energiestoffwechsels gesehen werden und Hinweise liefern, welche Belastung über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden kann.
METHODISCHE ASPEKTE
Um gute Datenqualität zu erzielen, ist bei spiroergometrischen Messungen u. a. Folgendes ratsam: Spiroergometriegeräte sollten je nach Modell ungefähr 30 min warmlaufen. Entsprechend den Herstellerangaben müssen sie regelmäßig kalibriert werden. Sofern Umgebungsluft dafür verwendet wird, ist der Raum vor Kalibration und Messung zu lüften. Die Maske muss passgenau und dicht sitzen (bei zugehaltener Öffnung darf beim Ausatmen keine Luft entweichen). Während der Messung sollten Testpersonen nicht sprechen. Ventilation (VE), Sauerstoffaufnahme (VO2) und Respiratorischer Quotient (RQ) sollten vor Belastungsbeginn und während des Tests auf Plausibilität geprüft werden (siehe Tabelle 1). Verbrauchsmaterialien müssen regelmäßig auf Verschleiß und Ablagerungen überprüft und ggf. ausgetauscht werden. Bereits geringe Messfehler können durch biologische Qualitätskontrollen erkannt werden, bei denen nach einer initialen Testserie z. B. monatlich standardisierte Belastungen mit der gleichen Testperson erfolgen.
Werden BreathbyBreathSysteme verwendet, müssen ggf. Ausreißer in den Rohdaten korrigiert werden. Für eine anschließende Datenglättung stehen feste oder gleitende Mittelwerte zur Auswahl. Letztere lassen Veränderungen unschärfer erscheinen, weshalb erfahrene Anwender zum Teil davon abraten.
BESTIMMUNG DER VO2MAX
Bezüglich geeigneter Belastungsformen zur Bestimmung der VO2max, Kriterien zur Beurteilung der Ausbelastung, Normwerten und der Ableitung von Trainingsempfehlungen sei an dieser Stelle auf einen früheren Standard der Sportmedizin verwiesen (4).
Ergänzend ist zu nennen, dass zur Bestimmung der VO2max bisher Rampenprotokolle von 8 bis 12 min Dauer empfohlen wurden. Einem aktuellen Übersichtsartikel zufolge kann die VO2max jedoch mittels rampenoder stufenförmiger Ausbelastungstests von 5 (Laufband) bzw. 7 (Fahrradergometrie) bis 26 min Dauer valide bestimmt werden (5). Für die Auswertung wird empfohlen, über die „höchsten“ 30 s oder 15 Atemzüge zu mitteln (6). Daraus ergibt sich, dass die VO2max auch im Rahmen der meisten LaktatStufentests valide bestimmt werden kann.
BESTIMMUNG SPIROERGOMETRISCHER SCHWELLEN
Spiroergometrisch können annähernd dieselben Schwellen identifiziert werden wie mittels Laktatdiagnostik. Die VT bzw. VT1 bzw. „Anaerobic Threshold“ (AT) stimmt gut mit der aeroben Laktatschwelle überein; der RCP bzw. die VT2 tritt meist etwas verzögert zur individuellen anaeroben Laktatschwelle auf (vgl. 2). Für Schwellenbestimmungen eignen sich Rampenprotokolle am besten. Die VT kann in submaximalen Tests ermittelt werden, während zur Bestimmung des RCP nahezu Ausbelastung notwendig ist.
Allgemein empfiehlt sich zur Schwellenbestimmung eine kombinierte Nutzung verschiedener Kriterien (siehe Tabelle 2) (3). Die VT sollte primär mittels VSlopeMethode nach Beaver identifiziert werden (3). Bei der Pufferung von H+ Ionen durch Bikarbonat entsteht Kohlendioxid (CO2), das zusätzlich zum metabolischen CO2 abgeatmet wird und im VSlopeGraphen als überproportionaler Anstieg der Kohlendioxidabgabe (VCO2) erkennbar ist. Die Ventilations- und AtemäquivalentKriterien, die auf einem CO2 bedingt verstärkten Atemantrieb basieren, können ungenauer sein, da die Atmung von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird (3). Der Punkt, an dem der RQ den Wert 1 überschreitet, beschreibt die VT nicht, weil er trotz signifikanter Korrelation mit der VT nach der VSlopeMethode diese systematisch überschätzt (1) und zudem stark von der Ernährung beeinflusst wird.
Beim RCP setzt eine Hyperventilation ein, die vermutlich durch einen vermehrten Konzentrationsanstieg von H+ Ionen bei erschöpfter Bikarbonatpufferkapazität bedingt ist. Der RCP ist deshalb als überproportionaler Anstieg der VE gegenüber der VCO2 definiert (3).
Die Leistung an spiroergometrischen Schwellen wird von der Sauerstoffaufnahme abgeleitet. Dabei ist eine zeitliche Verzögerung des VO2-Anstiegs gegenüber dem Belastungsbeginn („Time Delay“) zu berücksichtigen, die meist pauschal mit 45 s kalkuliert wird, im Einzelfall aber deutlich abweichen kann. Automatische Computerauswertungen müssen kritisch kontrolliert werden, da auch Artefakte als Schwellen identifiziert werden könnten.
Bei sorgfältigem methodischem Vorgehen gilt die VT als valide bestimmbar, für den RCP liegen diesbezüglich weniger Daten vor (3). Trotzdem sind die Schwellen nicht immer eindeutig zu erkennen und sollten im Zweifelsfall mit Vorsicht interpretiert werden.
PRAKTISCHE BEDEUTUNG
Sowohl vom Hochleistungs- bis hin zum Freizeitsport als auch bei Patienten hat sich die VO2max als Kennwert für die Ausdauerleistungsfähigkeit etabliert. Ihr exakter Wert ist allerdings für Leistungssportler von größerer Bedeutung als für Freizeitsportler. Auch zur Ableitung von Trainingsempfehlungen wird die VO2max herangezogen. Dies ist jedoch kritisch zu werten, da die metabolische Beanspruchung bei vorgegebenen Prozentsätzen der VO2max interindividuell stark streuen kann. Zudem setzt eine valide Ermittlung der VO2max Ausbelastung voraus.
Die VT wird häufig in der Klinik sowie in der Prävention und Rehabilitation als Ausdauerkennwert genutzt. Im Leistungssport ist ihre Verwendung weniger weit verbreitet. Demgegenüber wird der RCP nur vereinzelt eingesetzt, möglicherweise weil seine Bestimmung problematischer sein kann. Im Gegensatz zur VO2max sind beide Schwellen von motivationalen Einflüssen unabhängig und bilden geringe Leistungsunterschiede sensibler ab. Bei der Ableitung von Trainingsempfehlungen orientieren sich Vorgaben für regenerative, extensive und intensive Trainingsbereiche an VT und RCP, was am Beispiel der entsprechenden Laktatschwellen bereits in einem früheren Standard der Sportmedizin beschrieben ist (2).
FAZIT
Sorgfältiges methodisches Vorgehen vorausgesetzt, können VO2max und VT vom Hochleistungssport bis hin zu Patienten als Indikatoren für die Ausdauerleistungsfähigkeit genutzt werden. Der RCP hingegen ist weniger etabliert. Während VO2max-Kennwerte am gängigsten sind, erfassen die Schwellen geringe Leistungsunterschiede sensibler und ermöglichen präzisere Ableitungen von Trainingsempfehlungen.
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LITERATUR
- A comparison of methodologies in detection of the anaerobic threshold. Circulation81, Suppl II (1990) 38-46.
- Anaerobe Schwelle. Dtsch Z Sportmed 55 (2004)161-162.
- A conceptualframework for performance diagnosis and training prescription fromsubmaximal gas exchange parameters theory and application. Int J SportsMed 26 Suppl 1 (2005) 38-48.
- Die maximale Sauerstoffufnahme (VO2max).Dtsch Z Sportmed 50 (1999) 285-286.
- Challenging a dogma of exercise physiology: Does an incrementalexercise test for valid VO2max determination really need to last between 8and 12 minutes? Sports Med 38 (2008) 441-447.
- Recommendations for improveddata processing from expired gas analysis indirect calorimetry. Sports Med40 (2010) 95-111.
- Time course of changes in endurance capacity: A 1yr training study. MedSci Sports Exerc 41 (2009) 1130-1137.
Dr. phil. Friederike Scharhag-Rosenberger
Hochschulambulanz der Universität Potsdam
Zentrum für Sportmedizin, Freizeit-, Gesundheits-
und Leistungssport
Am Neuen Palais 10, Haus 12
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E-Mail: friederike.scharhag-rosenberger@uni-potsdam.de