Leistungssport
KURZBEITRAG
ADHS-THERAPIE UND LEISTUNGSSPORT

Medikamentöse ADHS-Therapie und Leistungssport:
Was ist zu beachten?

ADHD-Drug Treatment and Performance Sports: What Needs To Be considered?

Bereich Medizin, Training und Gesundheit; Institut für Sportwissenschaft und Motologie; Philipps-Universität Marburg

ZUSAMMENFASSUNG

Leistungssportler, bei denen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) diagnostiziert wurde und die diesbezüglich medikamentös behandelt werden, müssen berücksichtigen, dass das als Mittel der Wahl geltende Methylphenidat als ein im Wettkampf verbotenes spezifisches Stimulanz klassifiziert ist. Einnahmebeschränkungen während des Trainings bestehen nicht. Dies bedeutet, dass die Therapie längerfristig vor einem Wettkampf abgesetzt werden müsste damit Dopingkontrollen innerhalb eines Wettkampfs sicher negativ ausfallen. Entsprechend der Anti-Doping-Regularien haben Leistungssportler jedoch die Möglichkeit, eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu beantragen, die ihnen die Medikamenten-Einnahme auch während des Wettkampfes gestattet. Ob eine solche medizinische Ausnahmegenehmigung für einen Athleten notwendig ist (bzw. ob ein ärztliches Attest ausreicht) und an wen ein entsprechender Antrag gestellt werden muss, ist in den Anti-Doping-Regularien explizit festgelegt und richtet sich nach der Testpool-Zugehörigkeit eines Athleten bzw. der jeweiligen Wettkampfteilnahme. Die persönliche Antragstellung muss medizinische Unterlagen sowie Stellungnahmen von 1-2 klinischen Experten umfassen und fristgerecht, mindestens 30 Tage vor einem Wettkampf, erfolgen. Auch das in der ADHSTherapie zugelassene DL-Amphetamin, auf der Dopingliste als nicht-spezifisches Stimulanz eingruppiert, erfordert für Testpoolathleten/Wettkampfteilnehmer eine medizinische Ausnahmegenehmigung oder das rechtzeitige Absetzen des Medikamentes vor einem Wettkampf. Das weniger gebräuchliche ADHS-Medikament Strattera steht hingegen nicht auf der Dopingliste.

Schlüsselwörter: Anti-Doping-Richtlinien, medizinische Ausnahmegenehmigung, Testpool-Athleten, Wettkämpfe

SUMMARY

Athletes diagnosed with the attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) and taking medication to treat it need to consider that Methylphenidate, acknowledged as first-line treatment, is listed on the World Anti-Doping Code Prohibited List. Classified as a specified stimulant its use is not permitted in-competition with no stipulation during training. This means that athletes need to discontinue treatment well in advance of a competition to allow in-competition doping controls to be negative. According to anti-doping regulations athletes have the opportunity to apply for a therapeutic use exemption (TUE), which would allow them to take medications also during competition periods. The regulations explicitly specify whether an athlete needs to apply for a TUE and to whom it needs to be addressed or if a doctor’s certificate is sufficient – this depends on whether the athlete is part of a registered testing pool and the types of competitions in which they compete. The individual athlete needs to apply formally and timely for such a TUE; the application must include medical records and personal statements of 1-2 clinical experts confirming the diagnosis. The ADHD-treatment alternative DL-amphetamine, classified as a non-specified stimulant, also requires either a TUE or withdrawal of the drug prior to a competition. The less common ADHDdrug Strattera is, however, not on the doping list.

Key Words: Methylphenidate, anti-doping policies, therapeutic use exemption, registered testing pool athletes, competitions

EINLEITUNG

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) diagnostiziert sind, ist ansteigend, somit ist es naheliegend, dass zukünftig auch bei mehr Leistungssportlern diese Kondition vorliegt und sie ggf. auch diesbezüglich medikamentös behandelt werden (2, 3). Bei der medikamentösen Therapie des ADHS gilt das Methylphenidat, ein Stimulanz des Zentralnervensystems, als Mittel der Wahl (4, 9). Das damit verbundene Hauptproblem, dessen sich jeder Sportler und auch der behandelnde Arzt bewusst sein sollte, ist, dass die Methylphenidat-Präparate aktuell auf der Dopingliste stehen. Sie fallen in die Gruppe der spezifischen Stimulanzien (S6b) und gelten damit als nicht-erlaubte Mittel während des Wettkampfes. Eine Beschränkung während des Trainings besteht nicht (10).
Alle Leistungssportler unterliegen dem Welt-Anti-DopingCode (7) der World Anti-Doping Agency (WADA) bzw. dem Nationalen-Anti-Doping Code (5) der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA); darauf basierend werden Sportler im Leistungs- bzw. internationalen Spitzenbereich regelmäßigen Doping-Kontrollen vor und nach Wettkämpfen sowie auch während der Trainingsperioden unterzogen (5, 7).
Ein Sportler unter Methylphenidat-Therapie kann während der Trainingsperiode das Medikament wie gewohnt einnehmen. Vor Wettkämpfen muss es jedoch so frühzeitig abgesetzt werden, dass Dopingkontrollen innerhalb des Wettkampfs stets negativ ausfallen (6). Hierbei ist zu beachten, dass der Zeitraum „innerhalb des Wettkampfs“ in der Regel bereits 12 Stunden vor offiziellem Beginn eines Wettkampfes anfängt (5, 7). Die Aussage einzelner Experten, dass es aufgrund der kurzen Halbwertszeit von Methylphenidat auszureichen scheint, die Therapie ca. 24 h vor einem Wettkampf abzusetzen (2), ist mit großer Vorsicht zu betrachten, da die in der Dopingkontrolle eingesetzten Analysemethoden oftmals längerfristig (bis zu 1-2 Wochen) nachweisbare Metaboliten und nicht den Originalwirkstoff nachweisen.
Tabelle 1: Notwendigkeit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung (TUE) in Abhängigkeit von Testpool-Zugehörigkeit und Wettkampfteilnahme (in Anlehnung an 6) IF=Internationaler Sportfachverband, NADA=Nationale Anti Doping Agentur, IOK=Internationales Olympisches Komitee, IPK=Internationales Paralympisches Komitee, TUE=Medizinische Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Exemption).
Jeder Athlet, der für die Behandlung einer bestimmten Krankheit ein Medikament einnehmen muss, das auf der Liste der verbotenen Substanzen steht, hat nach dem Welt-Anti-Doping-Code die Möglichkeit, für dieses Medikament eine Medizinische Ausnahmegenehmigung im Standardverfahren (TUE, therapeuticuseexemption) zu beantragen (8). Dies trifft auch auf ADHS-Patienten zu, da ADHS unbehandelt zu Beeinträchtigungen von Lebensqualität und psychosozialer Entwicklung führen kann sowie andere psychische Begleiterkrankungen wie z.B. Depression auftreten können. Die Beantragung einer solchen Ausnahmegenehmigung ist international standardisiert. Der „Standard für Medizinische Ausnahmegenehmigung“ der NADA (6) ist die nationale Umsetzung des „International Standard for Therapeutic Use Exemption“ der WADA (8).
In diesem Kontext wird zwischen Sportlern unterschieden, die einem Testpool der NADA oder eines internationalen Sportfachverbandes (IF) angehören bzw. an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, für die eine medizinische Ausnahmegenehmigung vorgeschrieben ist, und Sporttreibenden, die keinem Testpool angehören (1, 6, 8). Je nachdem ob und welchem Testpool ein Athlet angehört, ist für die Genehmigung die NADA oder aber der IF zuständig; für nicht-Testpool-Athleten ist je nach Wettkampf, an dem sie teilnehmen möchten, eine Ausnahmegenehmigung der NADA erforderlich oder aber ein ärztliches Attest als Nachweis ausreichend (Tabelle 1).

METHYLPHENIDAT-THERAPIE BEI TESTPOOL-ATHLETEN BZW. TEILNEHMERN INTERNATIONALER WETTKÄMPFE

TUE-Antragstellung
Die Antragstellung muss durch den Athleten selbst erfolgen bzw. bei Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten. Hierzu muss ein Formular ausgefüllt werden (http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Formulare/TUE_Standard_Formular_2013.pdf) und dieses zusammen mit medizinischen Unterlagen (ausführliche Krankengeschichte, Befunde, ärztliche Diagnose, erforderliche Medikation und Dosierung) und einer Stellungnahme des betreuenden Arztes rechtzeitig, mindestens 30 Tage vor der Wettkampfsaison, eingereicht werden, so dass eine Kommission darüber befinden kann. Das genaue Prozedere der Antragstellung sowie die einzuhaltenden Fristen können dem NADA „Standard für medizinische Ausnahmegenehmigungen“ (6) entnommen werden. Die Anträge werden streng vertraulich entweder direkt an die NADA geschickt oder über den nationalen Sportfachverband an die NADA weitergeleitet bzw. bei internationalen Spitzensportlern dem zuständigen IF zugestellt.

Kriterien der WADA für medizinische Ausnahmegenehmigung bei Patienten mit ADHS
Für ADHS sieht die WADA vor, dass die klinische Diagnose durch einen erfahrenen Kliniker im Einklang mit internationalen Diagnose-Kriterien (wie den DSM-IV Kriterien) gestellt wurde. Bei Kindern und Jugendlichen kann dies durch einen Kinderarzt, Kinderpsychiater oder klinischen Psychologen erfolgen. Da bei ADHS in der Regel längerfristig medikamentös therapiert wird, sind zu Therapiebeginn ärztliche Kontrollen nach 3-4 Monaten und bei weiterführender Therapie jährliche Kontrollen empfohlen. Ergebnisse dieser Kontrollen sollten bei Antragstellung beigelegt werden. Wird ADHS erstmalig im Erwachsenenalter diagnostiziert, so ist für die Beantragung einer TUE die Bestätigung der Diagnose durch eine unabhängige zweite Expertenmeinung erforderlich (9).
Wird eine TUE erteilt, so muss der Athlet diese Bescheinigung für eventuelle Dopingkontrollen bei sich führen. Die empfohlene Gültigkeitsdauer einer TUE für ADHS beträgt vier Jahre mit jährlicher Überprüfung durch einen klinischen Experten (6, 8, 9).

METHYLPHENIDAT-THERAPIE BEI NICHT-TESTPOOL-ATHLETEN

Athleten, die weder einem Testpool der NADA bzw. eines IF angehören noch an internationalen Wettkämpfen teilnehmen wollen, benötigen für Methylphenidat nur ein ärztliches Attest, das die Notwendigkeit der Behandlung nachweist. Eine Kopie dieses Attestes, das nicht älter als 12 Monate sein darf, muss bei einer eventuellen Dopingkontrolle vorgelegt bzw. abgegeben werden (6). 

ANDERE MEDIKAMENTÖSE ADHS-THERAPIEN

Das in der Behandlung von ADHS in Deutschland weniger gebräuchliche Medikament Strattera (Atomoxetine) (4, 9) kann bei Leistungssportlern mit ADHS als Behandlungsalternative erwägt werden, da es derzeit nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen steht (10). Da es jedoch in der ADHS-Behandlung als weniger effektiv gilt als Methylphenidat und mit anderen Nebenwirkungen einhergeht, wird es international als Medikament der zweiten Wahl bewertet. Für die Beantragung einer TUE für die Einnahme von Methylphenidat bei ADHS ist es nicht notwendig, zuvor einen fehlgeschlagenen Behandlungsversuch mit Strattera unternommen zu haben (9).
Das in der ADHS-Therapie ebenfalls zugelassene DL-Amphetamin, als nicht-spezifisches Stimulanz klassifiziert (S6a), steht hingegen wie Methylphenidat auf der Dopingliste (10) und erfordert eine TUE für alle Testpool-Athleten sowie Teilnehmer internationaler Wettkämpfe (6, Tabelle 1).

Angaben zu finanziellen Interessen und Beziehungen, wie Patente, Honorare oder Unterstützung durch Firmen: keine.

LITERATUR

  1. Clasing D, Löllgen H Verbotene Arzneimittel im Sport. Hinweise zur Betreuung von Sportlern. DtschArztebl 103 (2006) A3340–4.
  2. Hickey G, Fricker P Attention Deficit hyperactivity Disorder, CNS Stimulants and Sport. Sports Med 27 (1999) 11-21.
    doi:10.2165/00007256-199927010-00002
  3. Leithäuser R, Beneke R Sport bei ADHS: Plan für Desaster oder verschenkte Ressource? Dtsch Z Sportmed 64 (2013) 287-292.
  4. Lohse MJ, Müller-Oerlinghausen B Psychopharmaka. In: Arzneiverordnungs-Report 2010. Hrsg. Schwabe U, Paffrath D. Springer-Verlag 2010, 828-831.
  5. Nationale Anti Doping Agentur Deutschland Nationaler Anti Doping Code (Version 2.0) http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Recht/Regelwerke/100701_NADA-Code_komplett.pdf
  6. Nationale Anti Doping Agentur (NADA) Standard für Medizinische Ausnahmegenehmigungen der Nationalen Anti Doping Agentur (Version 3.4 vom 1. März 2013). http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Medizin/130301_TUE_Standard.pdf
  7. World Anti-Doping Agency The World Anti-Doping Code (2009). http://www.wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-The-Code/WADA_Anti-doping_CODE_2009_EN.pdf
  8. World Anti-Doping Agency The World Anti-Doping Code. International Standard Therapeutic Use Exemption ( January 2011). http://www.wada-ama.org/Documents/World_Anti-Doping_Program/WADP-IS-TUE/2011/WADA_ISTUE_2011_revJanuary-2012_EN.pdf
  9. World Anti-Doping Agency Medical Information to support the decisions of TUECs. Attention Deficit Hyperactivity Disorders (ADHD) in Children and Young Adults (December 2011). http://www.wada-ama.org/Documents/Science_Medicine/Medical_info_to_support_TUECs/WADA_Medical_ info_ADHD_3.0_EN.pdf
  10. World Anti-Doping Agency The World Anti-Doping Code. The 2013 Prohibited List. International Standard (10 September 2012). http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Listen/WADA-Prohibited-List-2013-EN_01.pdf
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Renate Leithäuser
Institut für Sportwissenschaft und Motologie
Philipps-Universität Marburg
Jahnstr. 12
35037 Marburg
E-Mail: renate.leithaeuser@staff.uni-marburg.de